Wüstenerfahrungen bedrohen und bereichern – 1. Fastensonntag C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 4
In jener Zeit
1 verließ Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, die Jordangegend. Darauf führte ihn der Geist vierzig Tage lang in der Wüste umher,
2 und dabei wurde Jesus vom Teufel in Versuchung geführt. Die ganze Zeit über aß er nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger.
3 Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.
4 Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot.
5 Da führte ihn der Teufel auf einen Berg hinauf und zeigte ihm in einem einzigen Augenblick alle Reiche der Erde.
6 Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will.
7 Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören.
8 Jesus antwortete ihm: In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
9 Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab;
10 denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich zu behüten;
11 und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, / damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
12 Da antwortete ihm Jesus: Die Schrift sagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
13 Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel für eine gewisse Zeit von ihm ab.

Autorin:
Elisabeth Dörrer-Bernhardt Elisabeth Dörrer-Bernhardt, Pastoralreferentin in Stuttgart-Vaihingen, verheiratet, drei Kinder

 
Die Predigt:
Wüstenerfahrungen bedrohen und bereichern

Liebe Leserin, lieber Leser,
Jesus und der Teufel. Eine einmalige Geschichte im Neuen Testament, zweimal überliefert von dem Evangelisten Matthäus und von Lukas, den wir heute gelesen haben. Der Teufel bekommt einen Bühnenauftritt und diskutiert mit Jesus. Ein Showdown mit happy end: Jesus bleibt standhaft.

Eine Geschichte voller Symbolkraft: Der Teufel, der schon im jüdischen Glauben personifizierte Böse, der als Anti-Gott auftritt. Die Wüste, ein Ort der Bedrohung und Hilflosigkeit und zugleich ein Ort der Stille, des Zu-sich-selbst-Kommens, der Besinnung. Die Wüste ein Ort der Gottesbegegnung, wie das Volk Israel auf dem Auszug aus Ägypten erlebt hat, als Gott es errettete, und gleichzeitig ein Ort der Versuchung, weil extremer Mangel herrscht an lebensnotwendigen Nahrungsmitteln, ein Ort der Versuchung, zurück „zu den Fleischtöpfen Ägyptens“ zu kehren, und jetzt bei Jesus der Ort der Versuchung durch den Teufel. 40 Tage bleibt er dort in der Wüste und 40 Jahre zog das Volk Gottes durch die Wüste. 40 – eine heilige Zahl, die Zahl der Prüfung, Bewährung und Erwartung. Unsere 40 Tage der Fastenzeit kommen von Jesu Zeit in der Wüste. Jesus kannte das religiöse Fasten zur geistigen Erneuerung. Auch wir sind eingeladen die Zeit vor Ostern als Zeit der Erneuerung zu erfahren, eine Zeit, die uns innerlich stark werden lässt; vielleicht so stark, dass wir den Versuchungen unseres Alltags und dem Bösen in der Welt widerstehen können.

Welche Versuchungen erlebt Jesus in der Wüste? Hunger macht Menschen verführbar. Die zu wenig zu essen haben sterben, die zu viel haben, denen verstellt das Essen den Blick auf das Wichtige im Leben. Jesus verweist uns auf Gottes Wort, das unserer Seele Nahrung geben kann. (Vers 4)

Auf dem Berg findet die zweite Versuchung statt. Der Berg ist in der Bibel ein Ort der Gottesbegegnung. Es geht um die Gottesbeziehung, es geht um Macht, um das Beherrschen von Welt und Menschen. Macht und Profit auf Kosten anderer? Eine moderne Übertragung wäre z.B.: Ich unterwerfe mich den „Marktgesetzen“ des Kapitalismus und nehme die Ausbeutung anderer in Kauf. Jesu Antwort auf diese Versuchung: Gott allein gebührt Anbetung und niemals dem Profit auf Kosten anderer.(Vers 8) Papst Franziskus schildert dieses Dilemma des heutigen Menschen eindringlich in der letztes Jahr veröffentlichten Umweltenzyklika.

In der dritten Versuchung geht es darum, Gottes Handeln erzwingen zu wollen. Jesus widersetzt sich der Verlockung, durch ein von Gott gefordertes Wunder, sich der Gefolgschaft von vielen Jüngerinnen und Jüngern gewiss zu sein. Gott für eigene Zwecke zu missbrauchen, mit ihm zu drohen oder in seinem Namen andere auszubeuten, das führt nicht zu innerer Glaubenskraft. Jesus lässt Gott Gott sein. (Vers 12)

Wenn wir uns selbst ohnmächtig fühlen, unbedeutend und klein, dann können sich Versuchungen melden. Nicht umsonst ist Jesus in der Wüste, als er den Versuchungen begegnet. Es ist immer eine Art Wüste in uns, wenn wir verführbar werden. Auch Jesus kämpft in seiner Wüstenerfahrung mit all seiner Kraft gegen die Versuchungen, er verspürt den Hunger durchaus, er ist nicht distanziert zum Geschehen. Was rettet ihn?
Es ist das Festhalten am Wort Gottes, das er kennt und verinnerlicht hat. Und so zitiert er Verse aus dem Buch Deuteronomium, in jeder Versuchung einen anderen: Der Mensch lebt nicht nur von Brot. – Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. – Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Er vertraut Gott und er ist so überzeugt von Gottes Liebe zu ihm, dass er der Wüste keine Chance gibt. Seine Wüstenerfahrung wird zu einer inneren Stärke, zu einer Gottesbegegnung.

Wüstenerfahrungen sind also nicht nur Symbol der Bedrohung, sondern beinhalten auch die Chance einer Gottesbegegnung. Wer sich auf einen Jakobsweg begibt, erfährt gerade durch das Bis-an-die-eigene-Grenze-Gehen sich und Gott ganz neu. Wer sich Zeiten der Stille und Meditation nimmt, geht bereichert daraus hervor. Wer verzichtet, erfährt eine innere Stärke.

Welche Tipps gibt uns Jesus heute? Erstens, dem Hunger in uns nachzuspüren, uns vom Wort Gottes innerlich berühren lassen. Zweitens, unseren Machtgelüsten und Ohnmachtsgefühlen nachzugehen und Gott anbeten, ihm begegnen im Gebet. Und drittens, Glauben in Sprache zu bringen oder wie es im Römerbrief heißt: Mit dem Herzen glauben und mit dem Mund bekennen (Röm 10,10), ohne dass wir Gott für unsere Zwecke einspannen, sondern Gott Gott sein lassen. Diese drei Tipps gibt uns Jesus mit auf den Weg. Sie haben ihn durch 40 Tage der Wüste geführt und ihn innerlich gestärkt. Sie können auch für uns in den 40 Tagen der Fastenzeit ein Segen werden. Amen

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Eine Antwort auf Wüstenerfahrungen bedrohen und bereichern – 1. Fastensonntag C

  1. Walter sagt:

    …vom Denken und vom Lenken…

    Gott-Jesus lässt sich in Versuchung führen.
    Und lehrt uns beten:“.. führe uns nicht in Versuchung!…“

    Auf dem Weg nach Emmaus tröstet ER uns :
    „… musste nicht all dies geschehen ?…“

    Wahrer Mensch – und wahrer Gott !

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