Überfluss und Mangel – muss das sein? – 13. Sonntag im Jahreskreis B

Zweite Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 8
Schwestern und Brüder!
7 Wie ihr aber an allem reich seid, an Glauben, Rede und Erkenntnis, an jedem Eifer und an der Liebe, die wir in euch begründet haben, so sollt ihr euch auch an diesem Liebeswerk mit reichlichen Spenden beteiligen.
9 Denn ihr wisst, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.
13 Denn es geht nicht darum, dass ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen Ausgleich.
14 Im Augenblick soll euer Überfluss ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluss einmal eurem Mangel abhilft. So soll ein Ausgleich entstehen,
15 wie es in der Schrift heißt: Wer viel gesammelt hatte, hatte nicht zu viel, und wer wenig, hatte nicht zu wenig.

Autorin:
Margret Schäfer-Krebs Margret Schäfer – Krebs, Pastoralreferentin, Referentin im Bischöflichen Ordinariat Rottenburg für Liturgie und Ökumene

 
Die Predigt:
Überfluss und Mangel – muss das sein?

Liebe Leserin, lieber Leser,
mussten Sie schon einmal einen Haushalt auflösen oder umziehen? Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass dabei vieles zu Tage tritt, was längst vergessen und eigentlich auch nicht vermisst wurde. Manches überrascht positiv: ein altes Schulheft, Fotos vom Schullandheim, ein schöner Stein von einer Freizeit in den Bergen… Vieles aber wäre ein unnötiger Ballast, wenn ich es jetzt wieder einpacken und mitnehmen würde. Das Gefühl macht sich breit, eigentlich habe ich viel zu viel. Und wohin mit dem, was zu viel ist? Flohmarkt, Second-Hand-Shop, Kleiderkammer, Gebrauchtwarenladen für Bedürftige, verschenken. Internetseiten liefern weitere, oft kreative Vorschläge,Dinge nicht einfach nur wegzuwerfen.

Mit dem, was sich im Laufe der Zeit in meinen vier Wänden ansammelt, stellen sich aber nicht nur Fragen der Entsorgung. Ich frage mich: wie ist mein Konsumverhalten insgesamt? Was brauche ich wirklich und was kaufe ich tatsächlich? Und wenn ich etwas kaufe, nach welchen Kriterien tue ich das? Billig, häufig und möglichst viel? Oder eher nachhaltig, fair, ökologisch vertretbar? Was bestimmt mein Kaufverhalten? Sehe ich auch die am anderen Ende der Produktions- und Konsumkette?

Schonungslos legt Papst Franziskus in der vor gut einer Woche der Welt präsentierten Enzyklika „Laudato si“ den Finger in die Wunde wenn er schreibt:
Da der Markt dazu neigt, einen unwiderstehlichen Konsum-Mechanismus zu schaffen, um seine Produkte abzusetzen, versinken die Menschen schließlich in einem Strudel von unnötigen Anschaffungen und Ausgaben… Es geschieht das, worauf schon Romano Guardini hingewiesen hat: Der Mensch „nimmt […] Gebrauchsdinge und Lebensformen an, wie sie ihm von der rationalen Planung und den genormten Maschinenprodukten aufgenötigt werden, und tut dies im Großen und Ganzen mit dem Gefühl, so sei es vernünftig und richtig“. Dieses Modell wiegt alle in dem Glauben, frei zu sein, solange sie eine vermeintliche Konsumfreiheit haben, während in Wirklichkeit jene Minderheit die Freiheit besitzt, welche die wirtschaftliche und finanzielle Macht innehat… Wir haben allzu viele Mittel für einige dürftige und magere Ziele (Absatz 203).

Was hier, auch bei mir, zu viel ist, fehlt woanders: …eine Minderheit hält sich für berechtigt, in einem Verhältnis zu konsumieren, das unmöglich verallgemeinert werden könnte, denn der Planet wäre nicht einmal imstande, die Abfälle eines solchen Konsums zu fassen. Außerdem wissen wir, dass etwa ein Drittel der produzierten Lebensmittel verschwendet wird, und dass „Nahrung, die weggeworfen wird, gleichsam vom Tisch des Armen […] geraubt wird“ (aus Absatz 50).

Die heutige zweite Lesung aus dem zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth gibt uns einen kurzen aber bedeutenden Einblick in ein dringendes Anliegen des Paulus. Im Wissen darum, dass die Jerusalemer Christen arme Schlucker waren, entfaltet Paulus bei seiner missionarischen Arbeit auch eine karitative; er sammelt Geld für die arme Jerusalemer Gemeinde. In der damaligen Situation war dies etwas qualitativ Neues, was es außerhalb des jüdischen Bereiches so zuvor noch nicht gegeben hat: Die Kollekte des Paulus macht deutlich, dass die christlichen Gemeinden in Palästina, in Galatien, in der Asia, in Makedonien und in Achaia solidarisch miteinander verbunden sind. Sie bilden ein Netz, das Ende der 50er Jahre des ersten Jahrhunderts bereits fast den gesamten östlichen Mittelmeerraum umfasst.

Paulus ging es in seinem Schreiben an die Korinther ganz konkret um Hilfe für Jerusalem durch Geldspenden. Paulus hat aber mehr im Blick, wenn er vom Reichtum der Korinther spricht. Der Reichtum der Korinther besteht auch aus Glaube, Rede und Erkenntnis, aus Eifer und Liebe. Das zusammen schafft einen Reichtum an Möglichkeiten. Was das Spenden betrifft, sagt Paulus: geht es nicht darum, dass ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen Ausgleich. Im Augenblick soll euer Überfluss ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluss einmal eurem Mangel abhilft.

Es geht um einen Ausgleich damit die Welt nicht umkippt, auch meine Welt nicht, weil die Dinge falsch gelagert sind – hier zu viel und dort zu wenig. Möglichkeiten einen Ausgleich zu schaffen, gibt es, aber woher nehmen wir die Motivation zur Tat? Paulus verweist auf Christus, der unseretwegen arm wurde, damit wir durch ihn reich werden an geistreichen Möglichkeiten, Liebe zu schenken und Ausgleich zu schaffen. Im ersten Brief schreibt Paulus seiner Gemeinde in Korinth, dass sie unwürdig Eucharistie feiern, wenn die einen hungern und die anderen selbstzufrieden feiern (vgl. 1Kor 11,17-30).

Sind das Neuigkeiten? Nein – das Problem ist nicht, dass wir nicht um Armut wissen oder um die globalen Zusammenhänge, von denen Papst Franziskus so deutlich schreibt. Nicht das Nichtwissen ist das Problem, sondern das Nicht-Tun, was wirklich einen Ausgleich schaffen würde, so dass alle das zum Leben Notwendige hätten. Sich um einen Ausgleich sorgen ist mehr als Abfallprodukte des Überflusses irgendwie sozial zu entsorgen.

Die erste Lesung aus dem Buch der Weisheit geht noch einen Schritt weiter und spricht davon, was Gottes Willen und Weisheit entspricht: Zum Dasein hat er alles geschaffen und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt (Weish 1,14a). Damit ist eine Sicht auf die Welt angesprochen, die meine Haltung und Aufmerksamkeit der fernen und nahen Welt gegenüber anfragt; meine Haltung wiederum bestimmt mein Denken und Handeln. Papst Franziskus wird auch in diesem Punkt erstaunlich konkret: Wir sprechen von einer Haltung des Herzens, das alles mit gelassener Aufmerksamkeit erlebt; das versteht, jemandem gegenüber ganz da zu sein, ohne schon an das zu denken, was danach kommt; das sich jedem Moment widmet wie einem göttlichen Geschenk, das voll und ganz erlebt werden muss. Jesus lehrte uns diese Haltung… Ja, er war jedem Menschen und jedem Geschöpf gegenüber ganz da, und so zeigte er uns einen Weg, die krankhafte Ängstlichkeit zu überwunden, die uns oberflächlich, aggressiv und zu hemmungslosen Konsumenten werden lässt (Absatz 226).

In dieser aufmerksamen Haltung erleben wir Jesus auch im heutigen Evangelium (Markus, Kapitel 5, Verse 21 – 43). Jesus hat gemerkt „was abgeht“. Er hat den beiden Frauen, der blutflüssigen Frau und der Tochter des Synagogenvorstehers, deren Lebens- und Leibesarmut schon nach Tod roch, ein Leben mit Zukunft geschenkt. Bei der blutflüssigen Frau ist Jesus nicht der gängigen Oberflächlichkeit der Jünger gefolgt: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen und da fragst du: Wer hat mich berührt? Und bei dem Mädchen Talita hat Jesus nicht der scheinbaren Sinnlosigkeit nachgegeben, als die Leute ihn auslachten. Jesus lehrt uns in dieser Heilungsgeschichte, berührbar zu bleiben und mit dem Reichtum an Möglichkeiten aus Glauben und Liebe anderen wieder auf die Beine und zum Leben zu helfen.

Mit dieser Haltung sortiert sich nicht nur viel in meinem Herzen immer wieder neu, sondern hoffentlich auch in meiner Wohnung.

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2 Antworten auf Überfluss und Mangel – muss das sein? – 13. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Birgit Droesser sagt:

    Liebe Leserinnen und Leser der Frauenpredigten,
    eine erfreuliche Nachricht: die Kommentarfunktion ist jetzt wieder in Ordnung! Wir freuen uns, wenn Sie ihre Meinung mit anderen teilen.

    Ich bedanke mich bei der Autorin für die aktuelle Auslegung der Sonntagstexte. Gerade in der verfahrenen EU – Krise kann wohl nichts wirklich weiterhelfen, als wechselseitig die hohe Kunst der Achtsamkeit und Wertschätzung zu üben. Wer nur auf den eigenen Vorteil aus ist, wird scheitern. Die spirituelle Dimension ist so bedeutsam für uns alle.

  2. Walter sagt:

    Entweltlichung und Freiheit-: auf der anderen Seite-

    unsere gefangenen (Affen-) Artgenossen betrachten uns- und wundern sich…!

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