Nicht Verdienst, sondern Erbe – Pfingstmontag B

Zweite Lesung aus dem Epheserbrief, Kapitel 1
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
3a Gesegnet sei Gott, Ursprung Jesu, des Christus, dem wir gehören.
4a Denn Gott hat uns in ihm erwählt, bevor die Welt geschaffen wurde.
13 Mit dem Geliebten wurdet auch ihr versiegelt mit der heiligen Geistkraft der Verheißung, als ihr das Wort der Wahrheit hörtet, die Freudenbotschaft eurer Rettung, auf die ihr nun vertraut.
14 Die Geistkraft ist Anzahlung auf unser Erbteil, damit wir gemeinsam, zu Gottes Eigentum befreit, den göttlichen Glanz preisen.
15 Weil ich von eurem Vertrauen auf Jesus als Herrn der Welt und zu allen Heiligen gehört habe,
16 höre auch ich nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke:
17 Der Gott Jesu Christi, zu dem wir gehören und der Ursprung des Glanzes ist, möge euch Geistkraft der Weisheit und Offenbarung geben mit Gotteserkenntnis,
18 dass die Augen des Herzens erleuchtet seien, damit ihr versteht, worin die Hoffnung der göttlichen Berufung besteht, welch glänzender Reichtum in Gottes Erbteil unter den Heiligen ist
19 und was die überragende Größe der göttlichen Macht für uns, die Glaubenden, bedeutet, die der intensiven Wirksamkeit göttlicher Kraft entspricht.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit Droesser Birgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindeseelsorge, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Nicht Verdienst, sondern Erbe

Liebe Leserin, lieber Leser,
es soll Leute geben, die einen hohen Lottogewinn nicht abholen. So steht es jedenfalls manchmal in der Zeitung. Die Gründe mögen vielfältig sein. Vielleicht hat es jemand gar nicht mitbekommen, oder sie ist mit anderem so beschäftigt, dass sie ganz darauf vergessen hat. Man kann sich´s kaum vorstellen. Beim Erben ist es etwas anderes. Zwar kommt es auch bei einem Nachlass vor, dass jemand sein Erbe nicht antritt, aber nur wenn jemand Schulden oder andere Lasten befürchtet, die mit dem Erbe möglicherweise verbunden sind. Meistens ist Erben etwas Wunderbares. Ohne eigene Leistung wird man beschenkt mit einem Vermögen, das nie durch eigenen Verdienst erworben werden könnte. Der sagenhafte Reichtum der oberen zehn Prozent in unserem Land hat entscheidend mit Vererben und Erben zu tun.

Sollten wir zu den pfingstvergessenen Christinnen und Christen gehören, würden wir uns so ähnlich verhalten wie Menschen, die ihr Erbe nicht antreten. Ja mehr noch, wir würden ein riesenhaftes Vermögen einfach links liegen lassen, ein Vermögen das uns für das ganze Leben mit viel mehr als dem Notwendigen ausstattet, ein Vermögen, das ständig wächst, sich vermehrt und erneuert: die Lebenskraft Gottes selbst. Als heilige Geistkraft, die alles Gute in uns wirkt und uns die Kraft gibt durchzuhalten, unser Leben zu bestehen, so schenkt sich Gott selbst uns Menschen. Kann es da noch etwas Größeres und Höheres geben? Kann eine Verbindung noch enger und inniger sein?

Die Geistkraft ist Anzahlung auf unser Erbteil, so sagt es uns heute der Epheserbrief. Eine Anzahlung, es kommt also noch mehr, viel mehr. Im Galaterbrief des Apostels Paulus lesen wir es so: Weil ihr aber Kinder seid, hat Gott die Geistkraft des Gotteskindes in unsere Herzen ausgesandt, die mit lauter Stimme ruft: Abba! Vater! Du bist also nicht mehr versklavt, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch erbberechtigt durch Gott. ( Kapitel 4, Verse 6 und 7) Als Töchter und Söhne Gottes brauchen wir uns den Himmel nicht zu verdienen. Im Verhältnis zu Gott gibt es also anders als sonst im Leben keinen Leistungsstress und keine Bedingungen. Der Himmel ist unser Erbe; er steht uns zu. Ist das nicht eine ungeheuerliche Aussage? Wir brauchen nur unser Erbe anzutreten, die heilige Geistkraft als Anzahlung auf unser Erbteil anzunehmen, dann werden wir auch letztlich im Tod nicht untergehen. Schließlich hat Gott uns berufen und erwählt, bevor die Welt erschaffen wurde. Berufen und erwählt, das heißt doch: geliebt, gewollt, bejaht, immer schon – so wie wir sind.

Wie sollen wir uns diesem unglaublichen Geschenk gegenüber verhalten? Das Erbe antreten und eine Antwort geben in Dankbarkeit und im Lob des unendlichen, ewigen Gottes. Das klingt ganz einfach und ist es auch. Trotzdem braucht es dazu Einsicht und Gotteserkenntnis, keinen hohen Intelligenzquotienten, sondern erleuchtete Augen des Herzens, die auch noch im Unglück und Unheil fähig sind, Gottes Schönheit und Glanz wahrzunehmen.

Dazu hat uns die heilige Hildegard von Bingen eine sehr gute und hilfreiche Anleitung gegeben. Sie war beseelt von der Einsicht, das alles Lebendige, jede Lebenskraft eine Wirkung der göttlichen Geistkraft ist. Dafür fand sie ein ebenso anschauliches wie symbolhaftes Wort: die „Grünkraft“, auf lateinisch „viriditas“. Das Grün der Natur verstand sie als Ausdruck der göttlichen Lebendigkeit. Für Hildegard ist die Grünkraft nicht nur in der wirklichen Farbe grün anwesend, sondern genauso im Bunt der Blüten, in allem Wachsen und Gedeihen des Lebendigen, universal und überall. Was den Menschen angeht, so zeigt sich die Grünkraft in der immerwährenden Erneuerung der Körperzellen, aber auch im Liebesakt, in der Geburt eines Kindes, im schöpferischen Tun. Auf der seelischen Ebene in der Bereitschaft zum Umdenken, zur Umkehr von einem falschen, vielleicht lebensfeindlichen Weg und in allen guten Werken. Nach Hildegard wird vom Menschen nicht mehr verlangt, als eine „grünende Antwort“ zu geben auf das Geschenk Gottes, indem er sein Leben in Verantwortung gestaltet. Insofern kann Maria, die „allergrünste Jungfrau“, wie Hildegard sie nennt, uns das Vorbild einer guten Erbin sein.

Ja, so könnte es gelingen, denke ich mir, dass wir uns unseres Erbanteils an diesem Pfingstfest wieder neu bewusst werden. Bitten wir immer wieder vor allem um die Lebenskraft der Hoffnung, die uns täglich aufrichtet. Amen

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