Ein gutes Abschiednehmen – 7. Sonntag der Osterzeit B

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 17
In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und betete:
6a Vater,ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast.
11b Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir.
12 Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Und ich habe sie behütet und keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllt.
13 Aber jetzt gehe ich zu dir. Doch dies rede ich noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben.
14 Ich habe ihnen dein Wort gegeben und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin.
15 Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst.
16 Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.
17 Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.
18 Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt.
19 Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind.

Autorin:
C-Bettin-komprimiert-200x300 Christina Bettin, Gemeindereferentin in der Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach – Süd im Bistum Aachen

 
Die Predigt:
Ein gutes Abschiednehmen

Liebe Leserin, lieber Leser,
„…und tschüß!“ – So locker und unverbindlich verabschiedet man sich vielleicht von Menschen, die einem wenig oder überhaupt nichts bedeuten. – „Tschüß, mach´s gut!“ das sag ich auch schon mal bei solchen, die ich täglich treffe, wo es keine Verabschiedung für längere Zeit ist. Doch wie sieht ein Abschiednehmen, sagen wir, vor einer längeren Reise oder gar vor dem nahen Sterben aus?

Als meine Tochter, Eva, sich für fünf Monate auf den Weg nach Australien machte, da ist es uns allen nicht nur leicht gefallen. Da haben wir es uns gut überlegt, wie es wohl gehen könnte beim Verabschieden. Im Vorfeld der Reisevorbereitungen gab es natürlich immer wieder mal besondere Gespräche mit unterstützenden Überlegungen, bis hin zu „weisen“ Ratschlägen. Außerdem hatte ich das dringende Bedürfnis ihr etwas Kleines, Symbolisches mitzugeben. Was konnte das wohl sein? Es sollte ja auch nicht schwer und sperrig sein… Schließlich habe ich mich für einen kleinen Geldbetrag in der Landeswährung und ein Büchlein zum Notieren ihrer Reiseerlebnisse entschieden. Da hinein hab ich die umgedichteten Zeilen des Kinderliedes „Hänschen klein“ geschrieben. Das klang dann so: Evalein ging allein in die weite Welt hinein. Stock und Hut, stehn ihr gut, sie ist wohlgemut. Und die Mutter winket sehr, mit der Hand ihr hinterher. „Wünsch dir Glück“, sagt ihr Blick. Kehr auch heil zurück! – Und dann kam der Abreisetag! In aller Frühe, noch recht verschlafen, das Abschiednehmen. Was würden die passenden Worte sein? – Wir haben uns ganz fest in den Arm genommen. Das war spürbar gegenseitig eine ganz besondere Umarmung, viel länger und fester als „normal“. Viele Worte gab es nicht dabei, nur diese: „Ich hab dich lieb!“

Loslassen, Verabschieden, das fällt vielleicht uns allen bei heranwachsenden Kindern und anderen lieben, nahen Menschen schwer. So ähnlich stelle ich mir vor, ging es auch Jesus in der Szene, die wir im Johannesevangelium lesen. Dieser Abschnitt gehört zum Ende der sogenannten Abschiedsreden Jesu. Das eigene nahe Sterben vor Augen, verabschiedet er sich hier von seinen engsten Freundinnen und Freunden, von den vertrauten Weggefährten, die ihn drei Jahre durch Dick und Dünn begleitet haben. Sie, die sie weiterleben werden – und er, der die Welt verlässt. Sie, die „gefühlt“ allein gelassen werden – und er, der sein Lebenswerk loslassen muss. Jetzt vertraut er es gleichsam ihnen an und übergibt es ihnen. Alles das, was Jesus ihnen in den drei Jahren seiner Wanderpredigerschaft von der Liebe Gottes erzählt und vorgelebt hat, wie er ihnen Gottes Menschenfreundlichkeit und seinen Namen bekannt gemacht hat. Er legt damit ihnen und letztlich bis heute hin uns in die Hände, wie es mit seinem Lebenswerk weiter geht. So möchte Jesus den Freundinnen und Freunden vielleicht noch viel Wichtiges mit auf den Weg geben, ein Vermächtnis machen und sich gut(!) verabschieden.

Der Evangelist Johannes legt also Jesus hier mit Recht ganz gewichtige, mit Bedacht gewählte Worte in den Mund. Kein oberflächliches „und tschüß“. Er kleidet diese Abschiedsworte Jesu vielmehr in ein Gebet. Damit drückt er schon die Nähe zu Gott, seinem Vater, aus. Denn Jesus steht nun wirklich an der Schwelle zum Verlassen dieser Welt! Jesus bitten in diesem Gebet um die Einheit und die Verbundenheit unter den Jüngerinnen und Jüngern, so wie auch Gott und Jesus verbunden sind. Das Fortbestehen der Beziehung eröffnet auch nach Jesu Weggang die Chance für das Festhalten an seinem Lebenswerk, an seiner Sendung in die Welt. Daraus lebt das Christentum heute noch.

In einer solchen Situation, beim Sterben, sagen wir unseren Lieben ganz „konzentriert“ und verdichtet eben die wesentlichen Dinge. Ich weiß nicht, ob Sie selbst schon in dieser Situation waren und einen sterbenden Menschen begleitet haben. Vielleicht teilen Sie aber auch diese Erfahrung. Von meiner todkranken Mutter habe ich mich einen Monat vor ihrem Sterben verabschiedet. Ich ahnte schon, dass es unsere letzte Begegnung sein könnte. In diesen Tagen jährt sich ihr Todestag und die Szene ist mir noch einmal ganz präsent. Worte und viele Inhalte waren dabei gar nicht mehr besonders wichtig. Wesentlich war vielmehr eine innige Umarmung. Und das Bewusstsein für ihr Vermächtnis an mich: Achtet weiterhin aufeinander, bleibt in Liebe verbunden.

Solche Grenzsituationen haben für mich etwas Anrührendes und Bewegendes. Ich bin froh, dass der Evangelist Johannes diese Abschiedsszene für uns aufgeschrieben hat. Bei aller Theologie darin, bringt sie mir Jesus doch auch ganz menschlich nahe, ich kann seinen Trennungsschmerz herausspüren. Das Loslassen scheint Jesus schwer zu fallen. Und genau darum geht es in unserem Menschenleben und auch im Glauben. Die Dinge, die Projekte und alles was wir mit viel Energie und Idealismus angestoßen und verwirklicht haben, all das dann auch wieder loszulassen, sie selbständig und groß werden zu lassen. Ein Zutrauen, dass die Nachfolgenden eigene, vielleicht überraschende, aber doch letztlich gute Schritte in eine von Gott begleitete Zukunft gehen werden. Das scheint mir ein lebenslanges Einüben. Mitunter fällt es uns phasenweise auch recht schwer, weil wir vielleicht Tendenzen in uns spüren, alles bis ins Letzte selbst zu bestimmen, in der Hand zu halten und zu steuern. Wenn ich darüber nachdenke, dann stelle ich fest, dass es so beim Heranwachsen der jüngeren Generation in unseren Pfarrgemeinden und Gruppierungen, auch in anderen Berufen und in sämtlichen menschlichen Begegnungen zugeht.

Mit Abschieden leben lernen. Das ist die Herausforderung, der sich Jesus in diesem Abschnitt stellt und die er seinen Jüngerinnen und Jüngern zumutet. Eine Herausforderung, die uns allen gilt. Ein gutes Abschiednehmen blendet den Trennungsschmerz nicht aus. Ein gutes Abschiednehmen hält vielmehr auch Erinnerungen wach und darüber hinaus eröffnet es den Blick nach vorn, in eine neue Wirklichkeit hinein.

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