Begreift ihr meine Liebe? – Weltgebetstag am 6. März 2015

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 13
Übersetzung: Die gute Nachricht
1 Das Passafest stand bevor. Jesus wusste, dass für ihn die Stunde gekommen war, diese Welt zu verlassen und zum Vater zu gehen. Er hatte die Menschen, die in der Welt zu ihm gehörten, immer geliebt. Jetzt gab er ihnen einen letzten und äußersten Beweis seiner Liebe.
2 Jesus aß mit seinen Jüngern zu Abend. Der Teufel hatte Judas, dem Sohn von Simon Iskariot, schon den Gedanken eingegeben, Jesus zu verraten.
3 Jesus wusste, dass der Vater ihm alles in die Hand gegeben hatte. Er wusste, dass er von Gott gekommen war und bald wieder zu Gott zurückkehren würde.
4 Da stand er vom Tisch auf, legte sein Obergewand ab, band sich ein Tuch um
5 und goss Wasser in eine Schüssel. Dann fing er an, seinen Jüngern die Füße zu waschen und sie mit dem Tuch abzutrocknen.
6 Als er zu Simon Petrus kam, sagte der: »Du, Herr, willst mir die Füße waschen?«
7 Jesus antwortete ihm: »Was ich tue, kannst du jetzt noch nicht verstehen, aber später wirst du es begreifen.«
8 Petrus widersetzte sich: »Niemals sollst du mir die Füße waschen, in Ewigkeit nicht!« Jesus antwortete: »Wenn ich dir nicht die Füße wasche, hast du keinen Anteil an mir und an dem, was ich bringe.«
9 Da sagte Simon Petrus: »Herr, dann nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und den Kopf!«
10 Jesus erwiderte: »Wer vorher gebadet hat, ist am ganzen Körper rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Ihr seid alle rein – bis auf einen.«
11 Jesus wusste, wer ihn verraten würde. Deshalb sagte er: »Ihr seid alle rein, bis auf einen.«
12 Nachdem Jesus ihnen die Füße gewaschen hatte, zog er sein Oberkleid wieder an und kehrte zu seinem Platz am Tisch zurück. »Begreift ihr, was ich eben getan habe?«, fragte er sie.
13 »Ihr nennt mich Lehrer und Herr. Ihr habt Recht, das bin ich. Ich bin euer Herr und Lehrer,
14 und doch habe ich euch soeben die Füße gewaschen. So sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen.
15 Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
16 Amen, ich versichere euch: Ein Diener ist nicht größer als sein Herr und ein Bote nicht größer als sein Auftraggeber. Das wisst ihr jetzt;
17 freuen dürft ihr euch, wenn ihr auch danach handelt!

Autorin:
A.-Trautmann-150x150Andrea Trautmann, Pastoralreferentin und Bibliodramaleiterin in Stuttgart Freiberg-Rot-Stammheim-Zuffenhausen

 
Die Predigt:
Begreift ihr meine Liebe?

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Papst wäscht jugendlichen Strafgefangenen verschiedener Religionen die Füße“, so titelt die Internetseite der Süddeutschen Zeitung an Gründonnerstag 2013. Jedes Jahr an Gründonnerstag werden in katholischen Kirchen Füße gewaschen. Wir kennen das Bild, egal ob Papst oder Priester, da beugt sich jemand vor den Armen und Bedürftigen der Welt. Und folgt damit dem Beispiel Jesu, der wie uns das Johannesevangelium erzählt, seinen Jüngern die Füße gewaschen hat.

Begreift ihr was ich eben getan habe?, so fragt Jesus die Seinen. Begreift ihr meine Liebe? So lautet das Motto des diesjährigen Weltgebetstags der Frauen, der von den Frauen in den Bahamas gestaltet wurde. Versteht ihr meine Zeichen? So könnte die Frage lauten auf die Bibelstellen des heutigen Sonntags.

Im einen wie im anderen Fall müssen wir Menschen vermutlich eingestehen, dass wir nur wenig davon wirklich begreifen. Lasse ich diese Frage auf mich wirken, dann fühle ich mich unzulänglich. Weder die Zeichen Jesu noch die Liebe Gottes sind einfach zu begreifen.

Begreifen – mit Händen greifen, sozusagen fühlen mit Herz und Hand, was der Verstand so schwer fassen kann. Dass dies zu allen Zeiten, selbst für Vorbilder und Menschen, die Jesus persönlich kannten und ihm nahe standen, nicht einfach war, dafür ist Petrus uns ein Beispiel. Petrus geht sogar so weit, sich dreimal zu wehren. Unverständnis zeigt die erste Frage: Du willst mir die Füße waschen? Entschiedene Abwehr die zweite Reaktion – in Ewigkeit nicht. Wir hören Erstaunen, vielleicht motiviert durch Peinlichkeit oder Beschämung, dass Jesus ihm so nahe kommen wird. Hand aufs Herz – angenommen Jesus käme herein und würde Ihnen sagen, ich wasche dir die Füße? Und dann scheinbar einverstanden, erklärt Petrus okay, aber dann nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und den Kopf. Petrus gibt sich Jesus gegenüber ganz offen und doch hat er nicht verstanden, was Jesus meint. Es geht nicht nur um die Hingabe an Gott, es geht um Hingabe. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.

Heute hören wir, Jesus hat die Füße gewaschen. Unangenehm privat, sehr intim. Damals haben die Hörerinnen und Hörer noch viel mehr gehört. Ein freier jüdischer Mann wäscht jemandem die Füße. Unerhört! Niemals würde ein jüdischer Mann diesen Sklavendienst tun. Das Waschen der Füße war ein Zeichen der Gastfreundschaft, ein Zeichen des Willkommens und der Verehrung und Liebe. Aber niemals hätte ein jüdischer Mann jemandem die Füße selbst gewaschen. Die Organisation des Ganzen war Aufgabe des Gastgebers, die Durchführung Aufgabe der Sklaven und Sklavinnen. Das Zeichen als Ausdruck der Gastfreundschaft war wichtig, doch die Durchführung fiel den hierarchisch Niedrigeren zu: Frauen, Mägden, Sklavinnen und Sklaven. Da dieser Dienst so wichtig war, wundert es nicht, dass die damalige Zeit eine Ausnahme vorsah. Männliche jüdische Sklaven konnten nicht zur Fußwaschung herangezogen werden. Ehefrauen dagegen konnten die Pflicht zur Waschung der Füße ihres Ehemannes nicht an andere delegieren.

Und nun wäscht ausgerechnet der Sohn Gottes, Jesus, die Füße der Menschen. Der Sohn des Allmächtigen Gottes legt sein Obergewand, das Zeichen eines Rabbis, Lehrers und Meisters, ab. Er bindet sich lediglich ein Tuch um, um seine Blöße zu bedecken. Allein die Beschreibung der Kleidung macht schon deutlich, dass der Sohn Gottes, sich rüstet, um den Dienst eines Sklaven zu tun. Ungeheuerlich! Der Sohn Gottes tut eines Sklaven Dienst. Ein freier jüdischer Mann tut die Aufgabe von Frauen, von Sklaven und Sklavinnen.

Kein Wunder, dass Petrus da auf Abwehr geht. Das ist revolutionär, gewöhnungsbedürftig, erfordert umdenken und anders handeln. Jesus erkennt das und sagt: „Ihr nennt mich Lehrer und Herr. Ihr habt Recht, das bin ich. Ich bin euer Herr und Lehrer, und doch habe ich euch soeben die Füße gewaschen. So sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“

Wenn wir die Geschichte der Fußwaschung mit den Ohren der Frauen auf den Bahamas hören, die den Frauen der Welt die Liturgie des Weltgebetstag dieses Jahr geschenkt haben, dann denken wir an die hohe Rate häuslicher Gewalt und Teenagerschwangerschaften, die das Leben vieler Frauen auf den Bahamas prägt. Ich denke an die Arbeit des Bahamas Crisis Center, wo Frauen mutig für ein gleichberechtigtes Miteinander zwischen Männern und Frauen kämpfen und an ihre Hoffnung, dass Jesus zum Vorbild, zum role-model für die bahamaischen Jungs wird.

„Ich habe euch ein Zeichen gegeben. Begreift ihr meine Liebe? So wie ich gehandelt habe, so sollt auch ihr handeln.“ Unser Kopf hat das verstanden. Irgendwie. So wie Jesus gehandelt hat, daran sollen wir uns ein Beispiel nehmen und uns genau so verhalten. Jesus hat Sklavendienst getan. Ein freier Mann tut den Dienst eines Sklaven. Also sollen auch wir an anderen Sklavendienst tun. Demütig sein. Den Armen helfen.

Das ist richtig, aber begreifen wir damit, was Jesus an uns getan hat? Gott hat sich eingelassen auf uns Menschen, hat sich dir und mir bekannt gemacht, hat dir und mir einen Liebesdienst erwiesen, ein Zeichen seiner Liebe handgreiflich hinterlassen. So sollt auch ihr handeln. Die Einheitsübersetzung wird da deutlicher. Sie übersetzt „dient einander“, nicht „dient gegenseitig“. Da kommt der Widerstand des Petrus nochmals anders in den Blick. Wir sollen einander dienen. Die Fußwaschung war in jesuanischer Zeit ein so deutliches Symbol von Hierarchie und Ordnung, dass Petrus innerlich eine Ahnung bekommt: Macht definiert sich bei Jesus anders. Nicht die Hohen lassen sich herab zu den Niedrigen, sondern dient einander, so wie ich euch gedient habe. Es geht nicht um Macht, sondern um Liebe. Ich mache mich nicht klein und diene dir, dem Armen, sondern ich schenke dir meine Liebe, damit auch du Liebe schenken kannst. Unabhängig von Geschlecht, Religion oder Status sollen wir einander dienen. Einander. Nicht nur du mir und ich dir. Einander. Vielleicht ich dir und du einer anderen.

Begreift ihr meine Liebe? Gottes Liebe, die Liebe an sich, ist unbegreifbar. Am Beispiel des Petrus sehen wir, wie schwierig das ist. Jesus gibt uns ein Zeichen: Gott kommt zu uns Menschen, Gott dient uns. Können wir das zulassen? Jesus erlebt das, als er in Bethanien ist und eine Frau ihn salbt. Nicht umsonst geht die Erzählung von der Salbung in Bethanien unserer Geschichte voraus. So sollt auch ihr einander die Füße waschen. Der moralische Imperativ ist klar. Weniger deutlich ist, dass die biblische Geschichte voraussetzt, dass wir vorab Empfangende sind. Empfangende der Liebe Gottes, Empfangende der Liebe unserer Eltern, unserer Freunde, unserer Gesellschaft, um dann selbst lieben zu können. Bin ich bereit mich beschenken zu lassen? Wem diene ich (nicht)? Nächstenliebe setzt die Selbstliebe voraus und schließt die Gottesliebe mit ein. Das eine ohne die anderen geht nicht.

Begreifst du meine Liebe? Es ist nicht wichtig, die Liebe Gottes im Ganzen zu begreifen. Sich von Gottes Liebe ergreifen zu lassen und das zu leben, was ich begriffen habe, unabhängig davon, wie vollständig und wie viel, das folgt dem Auftrag Jesu. Begreift ihr meine Liebe? Lebe, was auch immer du begriffen hast. Heute und morgen und alle Tage. Amen.

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2 Antworten auf Begreift ihr meine Liebe? – Weltgebetstag am 6. März 2015

  1. Kähny sagt:

    unbegreifliche,angreifbare Liebe ? oder- die Angst vor der Liebe…

    Johannes ist wohl d e r Evangelist, der die weibliche Seite Gottes- des Christus- ,eben die Liebe, am besten verstanden und verkündet hat.
    Der Petrus, zumeist auch seine klerikalen Nachfolger konnten und können nicht begreifen:
    macht Macht und Vernunft blind für die Liebe ?
    weshalb die Mystik der Liebe (und Befreiung ) der klerikalen Theokratie,
    der Inquisition ,den Scheiterhaufen,dem Lehrverbot anheimfiel ?

    Die so „vernünftig“ leergepredigten Kirchen, die zunehmend hohe Scheidungsquote und der Auszug der -jungen- Mütter gehen auf die Rechnung der „Diener“, die Angst haben vor der Liebe…!

  2. Martina sagt:

    „Jesus hat Sklavendienst getan. Ein freier Mann tut den Dienst eines Sklaven. Also sollen auch wir an anderen Sklavendienst tun. Demütig sein. Den Armen helfen.“ Verstehen wir die Stelle mit dem Füßewaschen nicht gründlich falsch? Es geht ausdrücklich um die „Reinheit“. Das Füßewaschen ist ein Symbol, aber nicht für BEDienen, sondern für Dienen. Jesus reinigt seine Jünger von den Sünden. Daher wäscht er Petrus auch nicht den ganzen Körper, sondern nur die Füße: „Ihr seid rein“. Für mich bedeutet das: Er fordert uns auf, demütig einander auf Fehler hinzweisen, damit wir den „Balken“ in unserem Auge sehen.

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