Krankheit ist keine Strafe Gottes – 6. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 1
40 In jener Zeit kam ein Aussätziger zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde.
41 Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es – werde rein!
42 Im gleichen Augenblick, sofort, verschwand der Aussatz und der Mann war rein.
43 Jesus schickte ihn sofort weg und schärfte ihm ein:
44 Nimm dich in Acht! Erzähl niemand etwas davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis meiner Gesetzestreue sein.
45 Der Mann aber ging weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, sodass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindeseelsorge, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Krankheit ist keine Strafe Gottes

Liebe Leserin, lieber Leser,
vor Jahren hat jemand im Elternzimmer einer Station der Kinderklinik Tübingen einen Zettel aufgehängt mit dem Satz:“Warum nicht ich?“, so etwas wie eine Antwort auf die Frage vieler Menschen, die von einer Krankheit betroffen sind: „Warum ich?“ So sehr in der Frage mitschwingt: warum?; ich habe mir doch nicht mehr zu Schulden kommen lassen, als viele andere auch, so sagt uns die Antwortfrage: was willst du? Das hat nichts mit Schuld zu tun? Jede und jeden kann Krankheit treffen.

Wenn sich Jesus dem Leprakranken nähert, ihn anrührt und ausspricht „Ich will es: werde rein!“, dann ist in diesem kurzen Satz ganz viel für uns ausgesagt:
– Wir können mit unserem Vorstellungsvermögen die antike Welt nicht erreichen. Zu anders, zu fern ist sie uns. Doch so viel ist klar: Sie hatte kein Wissen über die Ursachen von Krankheiten und keine Medikamente, wie sie uns heute selbstverständlich sind. Krankheit galt deshalb als Werk der bösen Mächte, der kranke Mensch als von Gott gestraft und deshalb als kultisch unrein. Damit macht Jesus ein für allemal Schluss. Die Heilung des Leprakranken knüpft er an keine Bedingung. Er hat Mitleid mit einem kranken Menschen. Das ist alles. Krank zu werden hat nichts mit einer Schuld vor Gott zu tun.
– Für mich bedeutet das, wir sollten als Christinnen und Christen, die sich auf Jesus und niemand sonst berufen, endlich in unserer Rede und Verkündigung damit aufhören, Gott als den Verantwortlichen für Gesundheit und Krankheit, für Glück und Unglück, das Menschen treffen kann, zu sehen. Kirchliche Verkündigung bleibt in diesem Punkt leider oft sehr unklar. Was sollen sich die Gläubigen dabei denken, wenn immer wieder, unkommentiert, Lieder angestimmt werden wie: „Was Gott tut, das ist wohlgetan, es bleibt gerecht sein Wille; wie er fängt seine Sachen an, will ich ihm halten stille…“ (Gotteslob Nr. 416)? Gott schickt uns keine Leiden; er befreit uns davon. Das bleibt festzuhalten; erst dann kommen die vielen offenen Fragen, die wir in diesem Leben nicht beantworten können.
– In Jesus ist die Kraft Gottes, seine Vollmacht. Dieser Kraft, die den unheilvollen Versuchungen widersteht und stärker ist als alles, was uns bedrohen kann, dürfen wir uns ganz und gar anvertrauen. Kein Gebet verhallt ungehört. Keine Bitte ist vergeblich. Wie viele Pilger kommen doch von einem Wallfahrtsort gestärkt und froh zurück, auch wenn ihre Krankheit weiter fortdauert. Die Vollmacht Gottes hilft uns immer wieder auf; wenn wir sensibel dafür sind, kann es unser Vertrauen stärken, dass sie wirklich stärker ist als der Tod.

Das ganze erste Kapitel des Markusevangeliums strahlt eine ungeheuere Dynamik aus, die an den Geiststurm an Pfingsten denken lässt. Der Kraft Jesu, die er bei seiner Taufe am Jordan empfing, kann sich niemand entziehen. Der Evangelist drückt das in seiner einfachen Sprache dadurch aus, dass er sehr oft in diesem Kapitel das Wort „sofort´“ gebraucht. „Sofort“ hört Jesus bei seiner Taufe die himmlische Stimme(Vers 12), „sofort“ wird er danach in die Wüste geführt (V 12); „sofort“ ruft er Fischer am See (V 18) und „sofort“ lassen sie alles zurück und folgen ihm nach (V 20). So geht es weiter bis zu unserer heutigen Textstelle. Sobald Jesus öffentlich auftritt, kommt alles in Bewegung. Da ist keine Zeit mehr für Bedenken: Ja – aber; vielleicht – vielleicht auch nicht; was soll ich davon halten?; was sagen die anderen?

Jesus ist der Bevollmächtigte Gottes; seiner Autorität kann sich niemand entziehen. Er legt es ausdrücklich nicht auf einen Konflikt mit der Priesterhierarchie des Tempels an und doch ist dieser Konflikt schon jetzt unvermeidlich. Denn die Priester sind dafür zuständig, einen Menschen für kultisch rein zu erklären, wenn er sich dem aufwändigen und teuren Ritual, wie es auf Mose zurückgeführt wird (Buch Leviticus, Kapitel 14), unterzogen hat. Jesus aber besteht auf keiner Vorleistung. In ihm wirkt die Vollmacht, die die Priester für sich beanspruchen.

Schauen wir auf uns selber: Wo sind wir mit dieser guten göttlichen Geistkraft Jesu schon selber in Berührung gekommen; wann haben wir selber schon Hilfe und Heilung durch ihn erfahren? Wenn wir uns ihm öffnen und überlassen, können auch an uns und durch uns erstaunliche heilende Kräfte wirken.

Ein prominentes Beispiel dafür ist die 1929 geborene Ärztin Ruth Pfau, als katholische Ordensschwester eine unangefochtene Autorität im muslimischen Staat Pakistan. Mit einer Kurzbiografie aus dem Internetlexikon Wikipedia möchte ich sie vorstellen, denn Jesus hat nur uns, um sein Wirken am Reich Gottes heute in Praxis umzusetzen:

Ruth Pfau verließ 1949 ihre Heimat Leipzig und folgte ihrem Vater in die Trizone, aus der 1949 die Bundesrepublik Deutschland hervorging. Sie begann nach dem bestandenen Abitur als Neunzehnjährige in Mainz ein Medizinstudium, das sie in Marburg fortsetzte und beendete. Während ihrer Studienjahre wurde sie von der Suche nach einer bestimmenden Kraft für ihr Leben bewegt und fand diese im christlichen Glauben. Beeinflusst durch einen Freund, ließ sie sich 1951 taufen und wurde Mitglied der evangelischen Kirche, konvertierte aber schon 1953 zur römisch-katholischen Kirche.

Nach Abschluss ihres Studiums mit dem medizinischen Staatsexamen leistete sie im Krankenhaus Winterberg (Sauerland) ihr medizinisches Praktikantenjahr ab. 1957 trat sie in die Kongregation der Gesellschaft der Töchter vom Herzen Mariä ein. Nach weiterführenden medizinischen Studien – 1958 internistische Ausbildung im Kölner Hildegardis-Krankenhaus, 1959 gynäkologische und geburtshilfliche Weiterbildung im Elisabeth-Krankenhaus in Bonn – wurde sie 1960 zunächst von ihrem Orden nach Indien geschickt, wo sie als Frauenärztin arbeiten sollte. Aufgrund von Visaproblemen musste sie jedoch in Karatschi (Pakistan) einen Zwischenstopp machen. Dort blieb Ruth Pfau, denn die erste Begegnung mit leprakranken Menschen in einem Elendsviertel Karatschis wurde bestimmend für ihr ganzes Leben. Sie beschloss, ein Krankenhaus zur Leprabekämpfung zu errichten. Das Marie Adelaide Leprosy Centre (MALC) wurde zu einer in ganz Pakistan anerkannten Institution; die Leitung dieses von ihre gegründeten Krankenhauses hat sie 2013 abgegeben.

Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. (DAHW) ist seit den 60er Jahren einer der Hauptförderer der Lepra- und später auch der Tuberkulosearbeit Ruth Pfaus und ihres Teams in Pakistan.

1980 wurde Ruth Pfau zur nationalen Beraterin im Rang einer Staatssekretärin für das Lepra- und Tuberkulose-Kontrollprogramm für die pakistanische Regierung ernannt. 1996 war die Lepra in Pakistan erstmals unter Kontrolle.

Während eines Gefängnisbesuchs stellte Ruth Pfau fest, dass viele Menschen in Haft nahezu blind waren. In Zusammenarbeit mit der Christoffel-Blindenmission bekämpft sie seither unnötige Erblindungen.

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3 Antworten auf Krankheit ist keine Strafe Gottes – 6. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Kähny sagt:

    Krankheit macht S i n n…

    Die Angst vor dem Leiden treibt uns um: Suizid,Sterbehilfe,Pränatale Diagnostik,Euthanasie,etc.

    Die mit Krankheit verbundene Erkenntnis von Ohnmacht dürfte der häufigste Auslöser sein für überfällige Veränderungen in der Lebensführung.

    „Dein Glaube hat Dir geholfen…!“
    Die Lepraärztin und so viele andere geben Zeugnis von der Macht des Ohnmächtigen auf Golgotha.

  2. clara sagt:

    Krankheit macht nur Sinn, wenn dann jemand da ist.
    Der da ist, um die Schmerzen und Fragen auszuhalten.
    Der bereit ist, mitzugehen, den Kranken mitzutragen.
    „Gott, Du bist da für mich
    als der nur Du sein wirst und kannst und bist:
    zuverlässig: in der Not
    unverfügbar: nach deinem Plan, nicht nach meinem
    ausschließlich: nur du bist da und kein anderer
    unbegrenzt: schrankenlos.
    So bist Du da für mich – so wird es gut.

    Wenn ich als getaufte und gefirmte Christin diesen Auftrag erfülle, dann macht Krankheit Sinn.

    Dort, wo Menschen mit ihren Fragen allein gelassen werden, ihnen in ihrer Verzweiflung niemand beisteht, da entsteht der Wunsch nach Euthanasie, nach Abtreibung nach ungewisser pränataler Diagnostik, letztendlich Suizid.

    Papst Johannes Paul II., erklärte am 24. März 2002, drei Jahre vor seinem Tod, vor Medizinern und Gesundheitsfachleuten aus aller Welt:
    „Die Komplexität des Menschen fordert bei der Verabreichung der notwendigen Heilmethoden, dass man nicht nur seinen Körper berücksichtigt, sondern auch seinen Geist. Es wäre anmaßend, allein auf die Technik zu setzen. Und in dieser Sicht würde sich eine Intensivmedizin um jeden Preis bis zum Letzten schließlich nicht nur als unnütz erweisen. Sie würde auch nicht völlig den Kranken respektieren, der nun an sein Ende gelangt ist.“
    Das ist ein Zitat aus dem Pflegewiki.
    Außerdem „erlaubt“ uns das 2.Vatikanum sehr wohl, unser Gewissen als letzte Instanz zu nützen, GS 16 oder DH 3.

    Wann es keinen Sinn mehr macht zu leben und warum, das zu erkennen liegt in der Hand des Einzelnen, ich bin gerufen, da zu sein, wenn ich darum gebeten werde.
    Ich trauere um jeden, der keinen anderen Weg wusste – aber letztendlich haben wir ja die Zuversicht, aufzuerstehen, unser Leben geht weiter. Die Schmerzen, die Verzweiflung des Kranken muss nur jener selbst aushalten, da zu urteilen, was gerade noch erträglich ist, halte ich für anmaßend. Das habe ich in 15 Jahren am Krankenbett oft erfahren.

    Es grüßt Clara – Krankenschwester und Religionspädagogin in Ausbildung; obige Zitate aus einer Arbeit im Fach Moraltheologie

    Was mich an dieser Geschichte so fasziniert:
    Jesus wendet sich denen zu, die lt Gesetz ausgestoßen sind, was mit dem damaligen Stand von Gesundheitsvorsorge (Heute: Seuchenprävention) durchaus zu tun hat.
    Das Vertrauen, das dieser Ausgestoßene hat, das Wortspiel: „wenn du willst, werde ich rein – ja, ich will es, werde rein“ hat mich beeindruckt.
    Jesus heilt Ausgestoßene. Mein Wort, das dem Sehnsüchtigen begegnet, der sich ausgestoßen fühlt, der mich ruft, damit er ein wenig heil wird, kann heilen. Meine Berührung, mein Da sein.
    Lesen Sie das bitte mit dem Hintergrund meiner beiden Berufe.

  3. Kähny sagt:

    „Christus hat uns erlöst -“ vom Fluch des Gesetzes „( Gal3.13)
    Der theologisch-moralische Anspruch zu wissen, was Gott will ( die Götter wollen ), beginnt mit der Geburt der Priester(-innen)-Kaste, der Klerikalisierung SEINER Kirche.

    Dem ist/war der ( oft Zwangs-) Getaufte ausgeliefert- bis heute…!

    Ihr Zitat,liebe Clara, von JP II ist geprägt von SEINEM Mitleid mit SEINEM Nachfolger.
    Danke.

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