Heilende Begegnung – 5. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 1
29 In jener Zeit ging Jesus zusammen mit Jakobus und Johannes gleich in das Haus des Simon und Andreas.
30 Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen mit Jesus über sie,
31 und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr und sie sorgte für sie.
32 Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus.
33 Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt,
34 und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu reden; denn sie wussten, wer er war.
35 In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten.
36 Simon und seine Begleiter eilten ihm nach,
37 und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich.
38 Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.
39 Und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus.

Autorin:
Angela RepkaAngela Repka, Offenbach, Literaturübersetzerin, verheiratet, zwei Söhne, drei Enkelkinder, Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische Tätigkeit in der Pfarrgemeinde

 
Die Predigt:
Heilende Begegnung

Liebe Leserin, lieber Leser,
bis zur obigen Schriftstelle im ersten Kapitel des Evangeliums nach Markus ist schon viel passiert. Wie im Zeitraffer, aber sehr dicht, wurde erzählt, wie der Täufer Johannes Buße predigte und taufte, wie auch Jesus die Taufe empfing und als geliebtes Kind Gottes bestätigt wurde, wie die Geistkraft Gottes ihn alsbald in die Wüste trieb und er dort den Versuchungen des Bösen widerstand. Danach – Johannes der Täufer war bereits im Gefängnis – nahm Jesus unverzüglich seine Mission auf mit den Worten: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Er wanderte durch Galiläa und rief die Brüder Simon, den späteren Petrus, und Andreas sowie die Brüder Jakobus und Johannes in seine Nachfolge, um mit ihnen für das Reich Gottes unter den Menschen zu arbeiten. Die Jünger ließen alles stehen und liegen und folgten ihm.

Dann beginnt die Schilderung eines exemplarischen Tages im Leben Jesu. In Karfanaum angekommen, lehrt er am Sabbat in der Synagoge wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten. Seine Lehre wühlt die Anwesenden auf und sie geraten vollends außer sich, als Jesus in ihrer Mitte einen unreinen Geist aus einem Besessenen vertreibt. Hautnah spüren und sehen sie seine Macht in Wort und Tat. In Windeseile verbreitet sich das Gerücht über ihn in der ganzen Umgebung von Galiläa. Doch Jesus lässt sich nicht aufhalten. Er geht mit seinen vier neugewonnenen Jüngern in das Haus von Simon und Andreas, womit das Evangelium vom heutigen Sonntag einsetzt. Kaum ist Jesus angekommen, sagen sie ihm, dass die Schwiegermutter Simons mit Fieber daniederliege. Augenblicklich geht er zu der Kranken, ergreift ihre Hand und richtet sie auf: Da wich das Fieber von ihr und sie sorgte für sie.

Im Gegensatz zur Austreibung des unreinen Geistes in der Synagoge vollzieht sich diese Heilung ganz unspektakulär. Sie geschieht privat im häuslichen Rahmen; niemand gerät in Aufruhr und die geheilte Frau erfüllt umgehend, wie es scheint, ihre traditionellen weiblichen Pflichten. In manchen Übersetzungen heißt es: Und sie bediente sie. Wie praktisch, könnte man versucht sein zu sagen. Sicherlich war die Schwiegermutter Simons froh, ihre Leute und die Gäste bewirten zu können, sehr wahrscheinlich hat sie auch gut dafür gesorgt. Aber Heilung in der Begegnung mit Jesus bedeutet viel mehr. Es ist ein tiefes Beziehungsgeschehen, bei dem etwas radikal Neues beginnt. Oft fragt Jesus sogar: „Was willst du, das ich dir tue„? Und der Heilung suchende Mensch antwortet, öffnet sich in grenzenlosem Vertrauen und wird mit Leib und Seele im Innersten ergriffen von der Macht, die in der berührenden Zuwendung Jesu freigesetzt wird. Es ist göttliche Macht und beide Seiten sind aktiv beteiligt. Immer wieder bestätigt Jesus den Geheilten: „Dein Glaube hat dir geholfen!“

Die Schwiegermutter Simons wäre vielleicht bald wieder von ihrem Fieber genesen. Im Vergleich zu Besessenheit, Blindheit, Lähmung oder Todesschlaf handelt es sich eher um eine alltägliche Krankheit. Wichtig, ja lebensentscheidend ist die heilende Begegnung der Frau mit Jesus aber doch. Sobald das Fieber von ihr gewichen ist, handelt sie augenblicklich so, wie auch Jesus seinen Einsatz für die Menschen versteht: sie dient. Diakonein heißt das Wort auf griechisch und genau dieses Wort wird immer dann gebraucht, wenn im Neuen Testament vom Dienst Jesu gesprochen wird. Deshalb lautet die Übersetzung dieser Stelle in der Bibel in gerechter Sprache: Da ließ das Fieber sie los und sie wurde wie die anderen eine Nachfolgerin Jesu. Heilung und Berufung gehen hier Hand in Hand. Die Frau weiß auch sofort, was zu tun ist, und packt an. Man könnte sagen: Vom Krankenlager erhebt sich in dieser Heilungsgeschichte vor unseren Augen die erste Diakonin. Viel Arbeit wird sie gehabt haben, als sich nach Sonnenuntergang die vielen körperlich und psychisch Kranken aus ganz Karfanaum vor ihrer Haustür drängten, um von Jesus geheilt zu werden.

Wie lange mag es an diesem Tag wohl gedauert haben, bis sich Jesus erschöpft zur Ruhe legen konnte? Unermüdlich ist er tätig, seine Mission duldet keinen Aufschub. Aber er zieht sich auch zurück und betet, um in aller Stille mit dem Zwiesprache zu halten und bei dem Kraft zu schöpfen, den er zärtlich Abba nennt. Keinem hat er etwas gesagt, als er frühmorgens weggegangen ist, aber die Seinen finden ihn schließlich und bedrängen ihn: Alle suchen dich! Doch Jesus lässt sich nicht unter Druck setzen, er handelt souverän, bleibt aber auch die nötige Erklärung nicht schuldig. Sein Weg führt ihn weiter und nichts kann ihn aufhalten. Er ist gekommen, um Zeichen zu setzen. Auch andere sollen sein Evangelium hören und die heilende Macht Gottes in der Begegnung mit ihm erfahren. Und dann selbst, nach dem Beispiel Jesu, die mit Leib und Seele erfahrene wohltuende Nähe des Gottesreichs in Wort und Tat verkünden. Gott traut uns das auch heute zu. Er will in den Menschen geboren, erkannt und geliebt werden. Solange wir uns dem stellen, – mit all unserer Kraft, in all unserer Zerbrechlichkeit – , ist es gut.

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