Ein Wort für mich – 3. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 1
14 Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes
15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!
16 Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer.
17 Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
18 Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.
19 Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her.
20 Sofort rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.

Autorin:
Miteinander Krankenhaus Juli 11 (4)Beate Limberger, Gemeindereferentin, Klinikseelsorgerin im Klinikum Heidenheim

 
Die Predigt:
Ein Wort für mich

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist schon beeindruckend, wie wenig Worte Jesus braucht, um seine Botschaft an den Mann bzw. die Frau zu bringen; es sind übrigens seine ersten aufgeschriebenen Worte im Markusevangelium: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!

Und kurz darauf, als er seine ersten Jünger ruft, gibt er auch keine ausschweifenden Erklärungen ab, sondern sagt es knapp und klar: „Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Das ganze „Programm Jesu“ ist damit im Wesentlichen ausgesagt und uns kann es vielleicht gut tun, wenn wir uns diese Worte näher anschauen und dabei tiefer blicken, was sie uns wohl heute – über die Jahrtausende hinweg – sagen wollen.

Die Zeit ist erfüllt
Wann sprechen wir von „erfüllter Zeit“? Mir fällt dazu eine Begegnung von gestern ein: Auf der Intensivstation habe ich einen Sterbenden, 89 Jahre alt, begleitet und sein etwas jüngerer Bruder saß an seinem Bett. Dieser erzählte viel von ihrer gemeinsamen Zeit: von der Vertreibung aus dem Sudetenland mit der Mutter, dem damals vermissten Vater, der dann viel später überraschend aus der Gefangenschaft zurückkam, dem Aufbau einer neuen Heimat hier in Deutschland, dem langjährigen Arbeitsplatz. Er erzählte vom gemeinsamen Häusle, das sie sich lange erspart haben, von erlebnisreichen Reisen und der tiefen Verbundenheit der beiden Brüder. Und dann sagte er: „und jetzt ist die Zeit gekommen, wo mein Bruder gehen muss.“ Tränen liefen ihm über die Wangen, als er seinen Bruder streichelte und dabei murmelte: „wir hatten eine gute Zeit miteinander; einiges Schweres und viel Schönes haben wir erlebt und gemeinsam getragen. Jetzt darfst du zu Gott gehen.“ Erfüllte Zeit – in seinen Erzählungen kam die „Fülle des Lebens“ deutlich zum Ausdruck, so dass es am Ende einen Korb voller gesammelten Früchte gibt. Es braucht nicht mehr viele Worte, es braucht keine großen Erklärungen zwischen den Brüdern. Der eine hält die Hand des anderen und dankt ihm für die gemeinsame Zeit. Friedvoll und ruhig geht dieser hinüber.

Ich denke, nicht erst am Ende unseres Lebens ist die Zeit erfüllt, sondern vielmehr jeden Tag gibt es diese erfüllte Zeit. Auch am Ende eines Tages mag es ein „Früchte Sammeln“ geben. Vielleicht sind es manchmal nur Knospen oder manches erscheint uns unreif oder auch schon verfault. Doch alles hat seinen Platz in der Fülle des Lebens.

Das Reich Gottes ist nahe
Oftmals sind wir in unseren Gedanken in der Zukunft: wir planen, organisieren, sorgen und kümmern uns, beschäftigen uns mit dem, was da wohl kommen mag. Oder wir hängen verhaftet im Alten, grübeln nach, sehnen uns nach Vergangenem. Jesus gibt uns anderes vor: Das Reich Gottes ist nahe. Es ist schon da, heißt es an anderer Stelle. Schau genau hin. Alles, was du brauchst, ist da – in deiner erfüllten Zeit! Mach dir keine Sorgen, kümmere dich nicht um dies und jenes. Schau, was jetzt ist. Wir werden an den Namen Gottes erinnert, den er dem Mose am Dornbusch offenbart: Ich bin der ICH BIN DA.

Kehr um
Umkehr – wohin? Aufbauend auf die zwei vorangegangenen Worte wird die Richtung deutlich: es geht um die Umkehr ins eigene Herz; in das eigene Sein, in meine Seele. Hin zu dem Punkt, an dem sich Vergangenheit und Zukunft berühren oder auch Himmel und Erde. In die innerste Mitte meines Seins, wo ich dem tragenden Urgrund meines Lebens begegnen darf, wie es die Mystiker ausdrücken. An den Punkt, wo es keine Sorgen gibt, kein ängstliches Planen. kein Kreisen ums Ego. Es ist der Ort Gottes, der heilige Raum in jedem Menschen.

Glaube an das Evangelium
Evangelium heißt: Frohe Botschaft. Ich darf daran glauben, dass es für mich, für meine Situation, für mein konkretes Leben diese Frohe Botschaft gibt, dieses Wort Gottes, das sich offenbaren will im Hier und Jetzt. Gleichzeitig ist es der Glaube, dass es dieses Wort gibt nicht nur für mich, sondern für die ganze Welt, für jeden Menschen, für jedes Lebewesen.

Auf diese Zusagen folgt die Einladung: Kommt her, folgt mir nach! Jesus lädt ein, er zwingt nicht, er überredet nicht, er lässt die freie Entscheidung. Er bietet sein Wort an; ich kann es aufnehmen oder auch ablehnen. Seine Liebe gibt frei. Sie zwingt nicht, sie engt nicht ein. In dieser Freiheit darf sich die Zeit er-füllen.

Ja, das ist tatsächlich Frohe Botschaft. Im Blick auf das Wort Jesu und im Vertrauen auf den ICH-BIN-DA können wir das Leben jeden Tag neu wagen.

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2 Antworten auf Ein Wort für mich – 3. Sonntag im Jahreskreis B

  1. W. sagt:

    Diese Auslegung des Evangeliums tut mir richtig gut. Auf wieviel erfüllte Zeit kann ich zurückschauen und habe nicht daran gedacht! Im Tagebuch werden meistens die problematischen, traurigen, entmutigenden Augenblicke erwähnt, genauestens erklärt .
    Ich müsste zwei Tagebücher führen und ehrlich darauf achten, dass wenigstens ein Gleichgewicht herrscht zwischen erfüllten Augenblicken und negativen Lebenszeiten.
    „In dieser Freiheit darf sich die Zeit er-füllen. “ Danke!

  2. Kähny sagt:

    Ziel erreicht…
    Gier und Verlustangst sind so menschlich wie der Futterneid unter Tieren.
    Die obige Geschichte von den beiden Brüdern am Sterbebett mit Verlust,Verzicht,Ernten und Loslassen zeigt zwei Heilige.
    Und d a s s und w i e sie IHN gefunden haben…

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