Mitgehen und bleiben und widerstehen – 2. Sonntag im Jahreskreis B / Familiensonntag

Aus dem Evangelium nach Johannes,Kapitel 1
In jener Zeit
35 stand Johannes am Jordan, wo er taufte, und zwei seiner Jünger standen bei ihm.
36 Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes!
37 Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus.
38 Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, fragte er sie: Was wollt ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister , wo wohnst du?
39 Er antwortete: Kommt und seht! Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war um die zehnte Stunde.
40 Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer der beiden, die das Wort des Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren.
41 Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und sagte zu ihm: Wir haben den Messias gefunden. Messias heißt übersetzt: der Gesalbte – Christus.
42 Er führte ihn zu Jesus. Jesus blickte ihn an und sagte: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen. Kephas bedeutet: Fels – Petrus.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindeseelsorge, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Mitgehen und bleiben und widerstehen

Liebe Leserin, lieber Leser,
wer in den Tagen vor Weihnachten mit dem Zug verreist ist, hat viele Menschen mit Koffern und Rucksäcken bepackt erleben können, manche auf dem Weg in den Urlaub, die meisten auf dem Weg nach Hause zu ihrer Familie. Weihnachten, das Familienfest; das ist bestimmt nicht die schlechteste „weltliche“ Bedeutung, die es für viele Menschen hat. Wohl denen, die eine Familie haben, in der sie in diesen Tagen unterschlüpfen können. Wir spüren: Familie ist nach wie vor ein Knotenpunkt, wie es das Motto des heutigen Familiensonntags ausdrückt: „Knotenpunkt Familie“.

Wie bei einem Verkehrsknotenpunkt, laufen dort viele Lebenswege zusammen, berühren sich, trennen sich wieder. Egal, was gewesen ist, was sich die Familienmitglieder vielleicht gegenseitig vorzuwerfen haben: auf jeden Fall ist ein Knotenpunkt etwas Bleibendes und Verlässliches. Die Familie überdauert Jahrzehnte und Generationen. Sie verzweigt sich und bildet sich neu; ihre Formen verändern sich. Trotzdem bleibt sie was sie ist: meine Familie, zu der ich glücklicherweise gehören darf. Auch manche Gemeinschaften fühlen sich wie in einer Familie. Das ist dann ein besonders wertschätzendes Prädikat. Wie schön wäre es, wenn auch die Kirchengemeinde, trotz aller Meinungsverschiedenheiten, so etwas wie eine Großfamilie wäre für alle, die dazugehören wollen, eine Großfamilie, die sich besonders um die Belange von Eltern und Kindern kümmert.

In dieser Woche wurde in unserer Tageszeitung eine Forsa-Studie veröffentlicht, die von den vielen Belastungen der Familien, namentlich der Eltern von Kindern spricht. Zwei Drittel der Väter und drei Viertel der Mütter sind mit sich als Eltern immer wieder unzufrieden und werfen sich vor, zu wenig Zeit und Fürsorge für ihre Kinder zu haben. Viele sehen ein, dass sie sich selbst den größten Druck machen, indem sie in allen Belangen perfekt sein wollen. Manche übertreiben es auch mit der Fürsorge, so dass sich inzwischen viele Grundschulen genötigt sehen, Zonen einzurichten, in denen sich die Eltern von ihren Kindern verabschieden sollen. Denn manche Eltern wollen ihren Kindern den Schulranzen bis an die Bank im Klassenzimmer tragen und mischen sich in alle Belange der Lehrkräfte ein.

Der Katalog der Belastungen heutiger Familien würde Seiten füllen. Es sind ja nicht nur die Kinder, für die Eltern das Beste wollen, und die Berufsarbeit; da sind auch die alten Eltern mit ihren Bedürfnissen. Und die Ehe selbst blüht und gedeiht auch nicht von allein. Dazu kommen für viele Familien, besonders Ein-Eltern-Familien, finanzielle Probleme. Kurz gesagt: es gibt Sorgen und Ängste zuhauf. Ganz zu schweigen von den allgemeinen Ängsten in der Gesellschaft, die auch auf unser persönliches Leben übergreifen.

Wie damit umgehen? Wer hilft? Kann uns der Glaube an Jesus Christus entlasten? Kann Jesus uns wirklich helfen? Schauen wir, wie er uns im heutigen Evangelium begegnet: Johannes der Täufer steht mit zwei seiner Jünger am Jordan: Da geht Jesus vorüber. Johannes nimmt ein Bildwort, das allen jüdischen Menschen bekannt war, und sagt: „Seht das Lamm Gottes“. Er weist also von sich weg und sagt: Schaut da, da ist der Diener Gottes, der Heil bringt. So lange haben wir auf ihn gewartet. Auf sein Kommen wollte ich euch vorbereiten. Und zwei Jünger gehen hinter Jesus her. Jesus dreht sich um und fragt, was sie wollen. Sie wollen wissen wo und wie Jesus lebt. Und Jesus lädt sie ein, mit ihm zu gehen und den Tag über bei ihm zu bleiben.

Im Rahmen des Familiensonntags, gerade in diesen Wochen, ist mir besonders wichtig, dass uns Jesus nicht als Menschenfänger vorgestellt wird. Seine Ausstrahlung ist nicht die, wie beim sagenhaften Rattenfänger von Hameln, der so betörend auf seiner Flöte spielen konnte, dass alle Mäuse und Ratten, und im weiteren Verlauf der Geschichte auch die Kinder, wie magisch angezogen waren. Jesus geht vorüber, ohne ein Wort zu sprechen. D.h. er ist selbst ein Angebot. Er lässt den Menschen alle Freiheit. Wer mit ihm geht, kann ihn kennenlernen und sich selbst ein Bild machen. Wer bei ihm bleibt, wird immer tiefer in die Gemeinschaft mit ihm hineinwachsen. Wer die Verbindung mit ihm nicht mehr spürt, kann immer wieder neu zu ihm kommen und anknüpfen.

Und was hilft es uns gegen die vielen Ängste, wenn wir bei ihm bleiben von ihm und seiner Weisheit lernen wollen?
– Jesus öffnet uns den Weg zu Gott. Gott ist immer ganz anders, als wir ihn uns vorstellen. Wir sollen uns deshalb kein Bild von ihm machen. Doch Jesus zeigt uns an jedem Sonntag neu, wie Gott ist: voll Liebe, Milde und Barmherzigkeit, voll Sorge für alles Leben. Kein Spatz fällt zur Erde, ohne dass Gott darum weiß. Also dürfen wir ihm alle Sorgen, Ängste und Nöte anvertrauen, sie auf ihn hin loslassen.
– In diesem Vertrauen werden wir immer wieder erleben, wie manche Probleme leichter zu tragen sind, und sich manchmal sogar auf wunderbare Weise entwirren. Das Andachtsbild von „Maria als Knotenlöserin“ in der
Augsburger Kirche St. Peter macht das anschaulich.
Es zeigt Maria,
erfüllt von der Heiligen Geistkraft –
die Taube schwebt über ihrem Kopf –
in entspannter Haltung und:
die verworrenen Knoten lösen sich in ihren Händen.

Maria Knotenlöserin

– Das Vertrauen, das wir bei Jesus lernen, gibt uns immer wieder neue Kraft, unser Leben zu ordnen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und so den vielen Einflüssen, die besonders auf Familien einprasseln, zu widerstehen. Sind das nicht gute Gründe, wie die zwei Johannesjünger bei ihm zu bleiben?

Jesus lehrt uns, dass wir zu Gottes großer Familie gehören dürfen, in der niemand verloren geht. Immer wieder dürfen wir in diese Familie zurückkommen. Wie frei und stark kann uns die Gemeinschaft mit Jesus doch machen! Mit ihm können wir alles bewältigen. Amen.

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Eine Antwort auf Mitgehen und bleiben und widerstehen – 2. Sonntag im Jahreskreis B / Familiensonntag

  1. Kähny sagt:

    archaisch…
    sieht sich die archaische Sehnsucht nach Glück nicht primär in einer Beziehung
    erfüllt ? ?
    Und in einem Gottesbezug, der mächtig wird durch die Ohnmacht des Gekreuzigten auf Gogotha …

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