Nicht mehr Sklaven, sondern Söhne und Töchter, Schwestern und Brüder – Neujahr 2015

Zweite Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Galater, Kapitel 4
– Übersetzung nach Fridolin Stier –

Schwestern und Brüder,
4 Als aber die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn,
geboren aus einer Frau, geboren unter das Gesetz,
5 damit er loskaufe die unter dem Gesetz Geborenen,
damit wir empfingen das Recht freier Söhne und Töchter.
6 Weil ihr aber Söhne und Töchter seid,
sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen,
der da ruft: Abba, Vater!
7 So bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn und Tochter;
wenn aber Sohn und Tochter, dann auch Erbe durch Gott.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Nicht mehr Sklaven sondern Söhne und Töchter, Schwestern und Brüder

Liebe Leserin, lieber Leser,
Paulus möchte den Christen in Galatien ins Gewissen reden. Er möchte sie erinnern, dass der Glaube, den sie angenommen haben, sie untereinander zu Brüdern und Schwestern macht, und die Beziehung zu Gott in eine Kindschaft führt, die nicht Abhängigkeit sondern Freiheit und Freude bringt.

Er erinnert sie an den Anfang ihres Glaubens – Gesetz und Natur waren miteingebunden in das Heilswerk. Als die Fülle der Zeit erreicht war und Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen sandte.Gläubig werden heisst den Geist im Herzen entdecken und ihm Raum geben, ihn lebendig werden lassen. Das ist die Freiheit, von der Paulus spricht, die Freiheit, Kind Gottes, Sohn und Tochter zu sein – mit Würde und Recht Gott gegenüberstehen zu können, seine Liebe annehmen zu dürfen, ohne hineingezwungen zu sein.

In einer Welt, in der Menschen nach Recht und Gesetz Eigentum von anderen Menschen sein konnten, führte der neue Glaube sie in ein Beziehungsnetz, das jeden Menschen als Bruder und Schwester achtete, mit gleicher Würde, mit gleichem Recht, mit gleichen Pflichten ausgestattet. Ob Mann oder Frau – es macht keinen Unterschied in Würde und Recht. Sklaven und Freigeborene sollen im Anderen je den Bruder und die Schwester sehen – so wie Gott in uns nur Sohn und Tochter sieht und uns so annimmt und liebt.

Wie gut passt da das Motto, das Papst Franziskus über den Weltfriedenstag 2015 gestellt hat: „Nicht mehr Sklaven, sondern Brüder und Schwestern.“ Papst Franziskus tut das nun auf seine ganz besondere, direkte und eindringliche Art. Er geht in seiner Ansprache darauf ein, dass Menschenhandel und Sklaverei auch heute noch ein grosses Übel sind und die Anstrengung aller Menschen guten Willens braucht, um dieses Unrecht zu bekämpfen.

Sklaverei hat heute viele Gesichter.
– Viele Arbeiter/innen, oft minderjährig, die unter gefährlichen und unmenschlichen Bedingungen, oft ohne gerechte Bezahlung und in überlangen Arbeitszeiten, ausgebeutet werden
– Migranten und Flüchtlinge, die sich anderen Menschen anvertrauen und von diesen missbraucht und ausgenutzt werden
– Menschen, die zur Prostitution gezwungen werden, in Kriegsgebieten oder durch strukturelle Abhängigkeiten, die als sexuelle Sklaven und Sklavinnen missbraucht werden
– Frauen, die in Ehen gezwungen werden, oder als Eigentum des Ehemannes behandelt werden
– Menschen, oft Minderjährige, die zwangsweise als Soldaten rekrutiert werden oder die entführt und zu Organexplantationen gezwungen werden
– Menschen, die von terroristischen Gruppen entführt und für deren Zwecke in Gefangenschaft gehalten werden

Papst Franziskus geht auch den Ursachen nach. Diese sind vielfältig und komplex. Armut und fehlende Lebensperspektiven gehören genauso dazu wie Korruption, Gewalt und Terrorismus.

Es braucht viele Hände und Köpfe, um diese Missstände zu überwinden. Der Papst nennt ausdrücklich die Ordensgemeinschaften, die sich an vielen Orten um Opfer von Gewalt und Sklaverei annehmen. Um sie und alle Organisationen, die sich dem Kampf gegen Sklaverei verschrieben haben, zu unterstützen fanden in den letzten Monaten Treffen im Vatikan statt, bei denen ein internationales Netzwerk gegen Sklaverei gegründet wurde. http://www.globalfreedomnetwork.org/

Aber er formuliert auch einen klaren Appell an Politik und Gesellschaft, die eindeutig Position beziehen und darauf hinarbeiten müssen, dass das Unrecht aufhört.
Es braucht gerechte Gesetzgebung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen, es braucht zwischenstaatliche Organisationen, die organisierte Kriminalität bekämpfen können und es braucht Unternehmen, die soziale Standards fordern und einhalten. Organisationen der Zivilgesellschaft müssen sich der Aufgabe annehmen, die Gewissen zu sensibilisieren und alternative Möglichkeiten des Handelns aufzuzeigen. „Wir müssen die Geschwisterlichkeit globalisieren und nicht die Sklaverei und Gleichgültigkeit“, so der Papst.

Bei solchen Themen, in die die ganze Welt verstrickt ist, fühlen wir uns als Einzelne oft hilflos und ohnmächtig. Doch es ist genau die Weihnachtsbotschaft, die uns aus einer Mutlosigkeit und Resignation herausholen will. Das andere Extrem – das Bild vom Kind in der Krippe – ist Wirklichkeit und will uns Mut und Hoffnung schenken – weil die ganze Welt für einen Augenblick stillsteht und den Frieden vorwegnimmt.

Eine gute Freundin ist zur Zeit bei einem Friedenseinsatz in Palästina (mehr dazu unter http://blog.eappi.org ). Sie hat von Heilig Abend in Bethlehem erzählt. Bethlehem wird geteilt von einer meterhohen Betonmauer, der den israelischen vom arabischen Teil trennt. Auf arabischer Seite steht die Geburtskirche. An Heilig Abend in Bethlehem erlebte sie, dass neben dem sonst streng bewachten Checkpoint auf einmal ein riesiges Tor aufstand durch das die Autos frei durchfahren konnten. Auch der Patriarch von Jerusalem kam auf diesem Weg zur Mitternachtsmette in die Geburtskirche. Für einen kleinen Moment tat sich die Vision vom Frieden auf. So könnte es irgendwann sein. Das Tor geöffnet, die Mauer überflüssig. Es gibt uns Hoffnung, dass das Ziel erreichbar ist, dass Gräben überwunden werden können. Dass Unrecht beendet werden kann.

Weihnachten will uns Mut und Hoffnung schenken – weil wir ahnen können, dass das Unwahrscheinlichste der Anfang sein kann. Einem ersten Schritt kann ein zweiter folgen. Die Ohnmacht und Hilflosigkeit eines neugeborenen Kindes ist der Anfang, doch das Kind wird wachsen und wird der Mensch, der uns zu Brüdern und Schwestern macht. Wir dürfen uns als Kinder Gottes sehen, Söhne und Töchter eines Gottes der Liebe und der Freiheit, aufgerufen, diese Liebe und Freiheit den Menschen zu bringen.

Vielleicht geht das nicht mehr wie bei den Hirten auf dem Felde, aber wir können den Frieden der Heiligen Nacht doch in unserem Herzen wach halten – jeden Tag bedenken und daran festhalten. Das ist doch unser Erbe, wie Paulus sagt. Wir haben die Freiheit geerbt, Kinder Gottes zu sein – und jeder Handgriff und jeder Tag kann diese Freiheit widerspiegeln.

Wir können mit unseren Mitmenschen so umgehen, dass wir in ihnen Bruder und Schwester erkennen. Wir können in unserem Konsum- und Einkaufsverhalten darüber nachdenken, ob das was wir kaufen gerecht und fair hergestellt wurde, ob unser Konsum fairen Handel und gerechte Arbeitsbedingungen unterstützt oder nicht. Wir können einen kleinen Teil unserer so knappen Zeit der Information widmen, uns informieren, was gute Organisationen aufdecken, verbreiten, was viele wissen sollen, lesen, was sonst im Verborgenen „über unsere Köpfe hinweg“ entschieden wird.

Der 1. Januar ist Weltfriedenstag.
Ich möchte Sie einladen, auf ihre Agenda 2015 konkrete Schritte zum Frieden zu schreiben. Vielleicht hilft ihnen eine der nachstehend aufgeführten Seiten dabei.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Gottes Frieden und Freiheit für 2015
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Die Botschaft von Papst Franziskus zum Weltfriedenstag in voller Länge:
http://w2.vatican.va/content/francesco/de/messages/peace/documents/papa-francesco_20141208_messaggio-xlviii-giornata-mondiale-pace-2015.pdf

www.solwodi.de
www.ci-romero.de
www.kok-buero.de
www.ishopfair.net

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