Gottes Garantie – 1. Adventssonntag B

Mit dem ersten Adventssonntag beginnt für Christen ein neues Kirchenjahr. Die Katholische Kirche folgt an den meisten kommenden Sonntagen dem Evangelisten Markus (Lesejahr B). Deshalb einige einführende Worte zu seinem Evangelium von Dr. Meinrad Limbeck:
Markus – der das Leben Jesu sprechen lässt
Der besondere Wert des Markus – Evangeliums besteht für uns heute gerade darin, dass Markus uns weder sein ganz persönliches Jesusbild nahe bringen noch eine besondere theologische Deutung des Wirkens Jesu entwickeln wollte. Das Bild, das er in seinem Evangelium von Jesus zeichnete, spiegelt einfach “nur” die Erinnerung eines Augenzeugen wider – genauer die Erinnerung von Simon Petrus, dem ersten Jünger Jesu… Markus schrieb sein Evangelium zwischen 65 und 70 n.Chr. nieder – nach dem Martyrium des Petrus, dessen Dolmetscher er gewesen war, aber noch vor der Zerstörung Jerusalems durch die Römer.
(Kath. Sonntagsblatt 2006)
Markus hat Jesus nicht persönlich gekannt, doch war er als Gefährte des Simon Petrus und als sein Übersetzer im römisch – griechischen Reich ganz nahe dran am Leben Jesu. Dieses wollte er genau und anschaulich schildern, damit die Christen seiner Gemeinden, die sich von den römisch – griechischen Göttern ab- und Jesus Christus zugewandt hatten, wissen konnten, wer das ist, an den sie jetzt glaubten. Markus wollte der Begegnung dienen zwischen den Christinnen und Christen und ihrem in der Gemeinde gegenwärtigen Herrn.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 13
Jesus sprach zu seinen Jüngerinnen und Jüngern:
33 Seht euch vor und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.
34 Es ist wie mit einem Mann, der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen: Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern, jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein.
35 Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht, ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen.
36 Er soll euch, wenn er plötzlich kommt, nicht schlafend antreffen.
37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!

Autorin:
VMHEZ64LMaria Sinz, Gemeindereferentin, Aalen, stellvertretende geistliche Leiterin der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung)

 
Die Predigt:
Gottes Garantie

Liebe Leserin, lieber Leser,
Familien kennen das: die Kinder sind in einem Alter, in dem sie Verantwortung für sich übernehmen können. So gönnen sich die Eltern ein paar freie Tage. Sie wissen, dass zu Hause alles im Rahmen bleiben wird. Die Jobs sind verteilt. Mülltonne rausstellen, Briefkasten leeren, Blumen gießen, nach der Heizung schauen.
Der Rest ist Vertrauenssache. Vielleicht besser formuliert: das Wesentliche ist Vertrauenssache. Auch wenn die dritte Ermahnung, ja nicht zu vergessen den Herd auszuschalten, die Jugendlichen dazu bringt, die Augen zu verdrehen. Sie lassen es geduldig geschehen, denn im Wesentlichen wissen sie, dass die Eltern in die freien Tage fahren können, weil sie den erwachsen werdenden Kindern vertrauen.

Im Schrifttext wird das Bild eines Mannes herangezogen, der auf Reisen geht.
Hier ist die Rede von einem Abschied auf unbestimmte Zeit. Alle Verantwortung wird übergeben, in treue Hände gelegt. „Seid wachsam“ trägt der Hausherr auf. Will heißen: passt mir bloß gut auf meinen Besitz auf? Achtet darauf wer ein- und ausgeht? In unserer Kultur, in der Schutz von Besitz zentral ist, liegt diese Assoziation nahe. Nun wissen wir jedoch, dass Jesus als Wanderprediger kein Handelsvertreter für Alarmanlagen war. Was also kann er mit diesem Bild gemeint haben?

Im Markusevangelium steht dieser Text genau am Übergang zu den letzten Tagen Jesu in Jerusalem. Die Redaktion der Einheitsübersetzung titelt das 13. Kapitel mit: Die Rede von der Endzeit. Es ist schon spannend, dass am Ersten Advent, dem Beginn des neuen Kirchenjahres, diese Abschiedsszene als Text gewählt ist.
Ein Mann geht auf Reisen. Sicher ist, dass er wiederkehrt, nicht wann, aber dass er wiederkommt. Die Zurückgebliebenen leben in dieser Gewissheit. Sie tragen die Verantwortung selbst. Orientieren können sie sich an Maßstäben, die der Hausherr gesetzt hat, und am Vertrauen, das der Reisende in sie setzt.

Mit diesem Text zu Beginn des neuen Kirchenjahres machen wir uns bewusst, dass wir unser Leben von den letzten Dingen her sehen, bewerten und leben. Auch in das kommende Jahr gehen wir im Vertrauen auf das Wiederkommen des Herrn, wie wir sagen. Im Schrifttext des vergangenen Sonntags war dies als Weltenrichter beschrieben. Heute bleibt es offen. Der einzige Auftrag ist, wachsam zu sein; wir sollen nicht schlafend angetroffen werden.

Zur Erinnerung: es geht nicht um einen Dauersicherheitsdienst im Dreischichtsystem. Es geht um ein Unterscheiden, in welcher Hinsicht wir wach bleiben sollen. Wir sollen nicht schlafen, wenn die Werte des Herrn umgangen, spitzfindig unterlaufen oder sichtbar mit Füßen getreten werden. Wir sollen uns nicht einschläfern lassen von Beschwichtigungen, wenn hinter verschlossenen Türen über unser Leben bestimmt wird. Das geht von internationalen Handelsabkommen bis zur Landespflegesatzkommission, wo Kosten- und Leistungsträger der Pflege quasi geheim den Rahmen für das öffentliche Gut „würdiges Leben“ bei Hilfebedürftigkeit festlegen. Wir sollen uns nicht mit Schlafmitteln betäuben, wenn wir die kommende Altersarmut auf uns zurollen sehen oder einfach die Wirklichkeit unerträglich finden.

Wir sind aufgerufen, die Spannung auszuhalten, zu leben und mehr noch, uns dennoch am Leben zu freuen. Die notwendige Gelassenheit dazu finden wir im Blick auf den wiederkehrenden Messias, Gottes Garantie, dass Gerechtigkeit, Güte, gutes Leben für alle im Wertehorizont nicht ausgelöscht werden können. Wir sehen schon unser jetziges Leben von den letzten Dingen her. Das befreit. Durststrecken, Niederlagen, Misserfolge haben nie das letzte Wort. Jedenfalls nicht im Sinne von Vergessensein.

Mit dem Blick auf den wiederkehrenden Messias ist es für uns als Christen auch gar keine Frage, dass wir uns natürlich einmischen, wenn es darum geht Rahmenbedingungen für gutes Leben zu gestalten, Bündnisse einzugehen, Grundlagen für neue soziale Bewegungen zu schaffen. Orientierung ist das Leben und die Lehre Jesu. Es ist sehr interessant, dass im Markusevangelium nach dem Tod Jesu die Jüngerinnen und Jünger zurück nach Galiläa geschickt werden: „dort findet ihr ihn“. Sie werden zurückgeschickt auf seine Spuren. In welcher Weise wir Verantwortung zu übernehmen haben, lesen wir am Leben Jesu ab. Bei der Rückkehr verlangt der Hausherr keine Rechenschaft über richtiges oder falsches Handeln. Verlangt wird, die Herausforderung, verantwortlich zu sein, nicht zu verschlafen.

Abschließend greife ich das Anfangsbild meiner Predigt auf:
Wenn Eltern sich von ihren Kindern verabschieden, geht es auch um Fürsorge für Haus oder Wohnung. Im Wesentlichen jedoch um die Verantwortlichkeit für das eigene Tun. Vertrauen befähigt zum Freisein. Und: wenn Eltern sich vor ihrer letzten Reise von den Kindern verabschieden, bleibt diesen, sich in Freiheit auf das Leben der Eltern zu beziehen. Ihnen bleibt, sich mit denen zu verbinden, die ihnen das Leben geschenkt haben.

Religion bedeutet „rückbinden“. Wir binden uns an Gott als Ursprung des Lebens zurück, in Freiheit. Amen.

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2 Antworten auf Gottes Garantie – 1. Adventssonntag B

  1. W. sagt:

    Die Predigt tut richtig gut. Was meint Jesus mit der Forderung, wachsam zu sein? Immer wieder taucht diese Mahnung Jesu an uns auf. Oft habe ich mich gefragt, worin zeigt sich diese Wachsamkeit. „Bei der Rückkehr verlangt der Hausherr keine Rechenschaft über richtiges oder falsches Handeln. Verlangt wird, die Herausforderung, verantwortlich zu sein,“ anzunehmen. Das entlastet! Danke!

  2. Kähny sagt:

    Hat nicht der Christus einen lebenslangen Kampf geführt gegen die zeitgenössische Interpretation des JHWE ?
    Dem Bild vom sich nach getaner Arbeit unter Hinterlassen von Geboten und Drohungen sich verabschiedenden Richter ?

    Nur vom Chrisus kennen wir „den Gott mit uns“- in Analogie zum JHWE: „der ich bin da“.

    Gott lässt nicht, sondern bindet SEINE Schöpfung an sich – nicht umgekehrt.
    Das ist Gnade – und eben nicht Herausforderung !

    “ Freiheit “ und “ Verantwortung “ begründen Theokratie und sind somit problematische Begriffe, die ihrer Klärung harren.

    Bisher hat sich jede Theokratie weit von Galiläa (so.) wegbewegt…

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