Es gibt nicht den einen Weg der Nachfolge – Heiliger Petrus und Heiliger Paulus

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 16
13 Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine – Jüngerinnen und – Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn?
14 Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.
15 Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
16 Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!
17 Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.
18 Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
19 Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.
20 Dann befahl er den – Jüngerinnen und – Jüngern, niemand zu sagen, dass er der Messias sei.

Autorin:
Susanne-WalterSusanne Walter, Gemeindereferentin in Filderstadt, verheiratet, vier Kinder

 
Die Predigt:
Es gibt nicht den einen Weg der Nachfolge

Liebe Leserin, lieber Leser,
heute ist das Fest der Apostel Petrus und Paulus. Der eine war ein einfacher Fischer am See Genesaret bis Jesus seinem Leben eine völlig neue Bestimmung gab und er Hals über Kopf alles liegen ließ, um ihn zu begleiten. Paulus war ein profilierter, einflussreicher jüdischer Theologe und überzeugter Pharisäer. Petrus war verheiratet, seine Schwiegermutter wird sogar in den Evangelien erwähnt. Paulus dagegen ist lebenslang unverheiratet geblieben. Beide waren auf ihre Art wichtig für die Entstehung und Verbreitung des Christentums. Sie glaubten leidenschaftlich an Jesus Christus und rangen mit der Frage, wie die Einheit der jungen Kirche bewahrt werden könne, die sich aus Menschen sehr gegensätzlicher Kulturen gebildet und zusammengesetzt hatte.

Und es gab auch Streitigkeiten zwischen ihnen: Petrus war der Meinung, dass Paulus sich zu viel mit den Heiden, den Griechen und den Römern beschäftigte. Paulus machte Petrus den Vorwurf, dass dieser zu wenig ökumenisch dachte und handelte. Und doch wollten beide eine Spaltung der jungen Kirche verhindern; und das ist ihnen geglückt. Zurecht feiert die Kirche heute ihr gemeinsames Fest. Schauen wir uns die beiden Personen genauer an:

Die Person des Petrus
Petrus begleitete Jesus drei Jahre lang. Er hatte eine besondere Rolle unter den Jüngern. Er wird geschildert als: spontan, impulsiv, begeisterungsfähig, einer der mit Feuereifer für Jesus einsteht. Die Bibel nennt aber auch viele Situationen, in denen Petrus versagt oder gezweifelt hat: Einmal bezeichnet Jesus ihn als Felsen, als Fundament, auf den er seine Kirche baut, gleich danach bezeichnet er ihn als Satan, weil er versucht, ihn davon abzubringen, seinen Leidensweg konsequent zu Ende zu gehen. Im See Genesaret ist er kläglich untergegangen, als seine Ängstlichkeit wieder einmal über sein Vertrauen gesiegt hat. Trotz Versprechen seiner Treue hat er Jesus dreimal verleugnet, hat über sein Versagen bitterlich geweint, sich aber bei der Kreuzigung, wie die allermeisten anderen, gleich wieder aus dem Staub gemacht. Bei keinem anderen Apostel ist in den Evangelien so oft von Versagen die Rede. Und doch ist gerade er eine Schlüsselfigur. Er wird als Hirte der Kirche gesehen, in dessen Nachfolge noch heute die Bischöfe und Päpste stehen. Vielleicht gerade deshalb, weil er durch sein Versagen und seine Zweifel am wenigsten in Gefahr war, in Selbstherrlichkeit sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen.

Die Person des Paulus
Paulus ist Jesus zu Lebzeiten nie persönlich begegnet. Er ist erst viel später als Petrus zum Apostel geworden. Zunächst war er ein erbitterter Gegner der beginnenden Kirche und auch für den Tod des Stephanus mitverantwortlich. Sein Leben bekam eine Kehrtwende durch sein berühmtes Damaskuserlebnis. Der auferstandene Christus selbst war es, der seinem Leben eine völlig neue Richtung gegeben hat. Alle seine Fähigkeiten und Kräfte stellte er ab sofort in den Dienst des Evangeliums. Er übersetzte mündlich überlieferte Erfahrungen der Zeitzeugen Jesu in eine theologische Sprache, trat in Dialog mit den unterschiedlichen Weltanschauungen und philosophischen Ideen seiner Zeit. Ohne seine umfangreichen Briefe wäre unsere Bibel nicht nur deutlich dünner, sondern auch sehr viel ärmer. Er schrieb immer wieder sehr poetisch, wie im Hohen Lied der Liebe, das gerne als Lesung an Hochzeiten verwendet wird. Seine Visionen vom Zusammenleben in einer christlichen Gemeinde geben heute noch Impulse, wie z.B. das Bild vom einen Leib mit den vielen Gliedern. Er wurde nicht müde, den ersten Gemeinden ins Gewissen zu reden, wenn er Missstände feststellte, wie z.B. in der Gemeinde in Korinth.

Mit Feuereifer hatte er Christen verfolgt. Als christlicher Missionar war er ebenfalls mit Feuereifer nahezu in der ganzen damals bekannten Welt rund um das Mittelmeer unterwegs, gründete zahlreiche Gemeinden und hielt Kontakt mit ihnen. Trotz Schiffbruch, Anfeindungen und Gefängnis vertrat er konsequent sein Grundanliegen:“Freiheit vor dem Gesetz“. Er war ein gesetzestreuer Jude der erkannt hatte, dass allein die Gesetze zu befolgen nicht frei macht. Der Mensch muss zwangsläufig daran immer wieder scheitern. „Freiheit vor dem Gesetz“ -Dafür hat er sich mit Petrus beim Apostelkonzil in Jerusalem eingesetzt und die Voraussetzung geschaffen, dass das Christentum sich von der jüdischen Tradition emanzipieren und weltweit ausbreiten konnte. Später stritt er mit Petrus, der wieder einmal unsicher wurde und bei seinen Missionsreisen mit den sogenannten Heiden nicht essen wollte, da sie nach dem jüdischen Verständnis als unrein halten. Die beiden konnten sich auf einen genialen Kompromiss einigen: Petrus würde im jüdischen Lebensraum missionieren und Paulus in der sogenannten heidnischen Welt. Damit waren sie beide frei, das Evangelium auf ihre je eigene Art und Weise den Menschen zu verkünden.

So unterschiedlich ihre Lebenswege auch waren, beide sind ihrem Auftrag bis in den Tod hinein treu geblieben. Im Zuge der brutalen Christenverfolgung unter Kaiser Nero sind beide in unterschiedlicher Weise in Rom hingerichtet worden; über ihren Gräbern wurden beeindruckende Kirchen gebaut.

Von Petrus und Paulus heute lernen
Petrus und Paulus – zwei überzeugende und faszinierende Gestalten, die aus der Entwicklung unserer Kirche nicht wegzudenken sind. Wir Christen heute stehen vor ähnlichen Fragen und Herausforderungen wie Petrus und Paulus damals. In den Sinusmilieustudien kommt deutlich zum Ausdruck, dass der christliche Glaube und das Verhältnis zur Institution Kirche vielfältig sind. Viele Menschen sind als Sinnsucher unterwegs. So unterschiedlich ihre Fragen sind, so unterschiedlich müssen auch die Antworten sein. Wer fragt und sucht, möchte ernst genommen werden und nicht Formeln als Antwort erhalten. Petrus und Paulus haben dies in ihrer Zeit getan.

Von Petrus können wir lernen, dass wir keine großen Gelehrten sein müssen, um Gottes Größe und seine Liebe zu verkünden; Gott steht zu uns auch wenn wir versagen. Von Paulus können wir lernen, dass es nie zu spät ist, seinen Lebensweg zu verändern, sich von Vorurteilen befreien zu lassen, und dass es ungeahnte Kräfte freisetzt und uns über uns hinauswachsen lässt, wenn wir Christus wirklich Raum im Leben geben.

Von beiden können wir lernen: es gibt unterschiedliche Meinungen, Auseinandersetzungen dürfen sein und es gibt nicht den einen Weg der Nachfolge. Beide haben Menschen vom Glauben überzeugt und die Menschen ermutigt, ihr Christsein zu leben und Verantwortung in der Kirche wahrzunehmen. Petrus und Paulus fordern auch uns heraus und ermutigen uns, mit der befreienden Botschaft Jesu Christi eigene Erfahrungen zu machen, uns von ihrem Leben inspirieren und in Lernprozesse hinein nehmen zu lassen.

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Eine Antwort auf Es gibt nicht den einen Weg der Nachfolge – Heiliger Petrus und Heiliger Paulus

  1. Kähny sagt:

    Macht und Identität in der Nachfolge…

    SEINE „befreiende Botschaft“ mündet bis heute in Polarisierung und hält offensichtlich die Kirchen in “ weltlicher Gefangenschaft“.

    „Maximalismus war gestern- Minimalismus ist heute…“ ( frei nach Papst Franziskus).

    Vielleicht schenken die sich dramatisch entwickelnden zentrifugalen Kräfte die Energie, um -ganz im Stillen- auf SEIN täglich Brot und SEIN Reich zu hoffen.

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