Kostbare Momente – Fronleichnam A

Zweite Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 10
Schwestern und Brüder,
16 Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?
17 Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot.

Autorin:
scale-210-210-12_25508028_2Maria Sinz, Gemeindereferentin, Aalen, stellvertretende geistliche Leiterin der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung)

 
Die Predigt:
Kostbare Momente

Liebe Leserin, lieber Leser,
wahre Kunstwerke aus Blüten entstehen alljährlich am Fronleichnamsfest. Fronleichnam bedeutet „Herrenleib“. Das Fest geht auf die hl. Juliane von Lüttich zurück und ist seit 1264 Kirchenfest. Der Leib Christi wird in Form der Hostie verehrt, in der Monstranz – von monstrare: „zeigen“ – , einem kostbaren, liturgischen Schaugerät, wird sie durch die Straßen getragen, in feierlicher Prozession. Unzählige Hände gestalten hierfür Blumenteppiche, meist mit Christusmotiven.

Fronleichnam war und ist mancherorts noch ein, vielleicht sogar das Fest katholischer Volksfrömmigkeit. Die Gläubigen schaffen in den Blumenteppichen ihren eigenen Ausdruck der Ehrfurcht. Vorstellungskraft, gestalterisches Können und handwerkliches Geschick werden in Gemeinschaftsarbeit eingesetzt, für den Moment, in dem der Zelebrant mit der Hostie über den Blumenteppich schreitet.

Ein kostbarer Moment. Bemerkenswert, die verschiedenen Arten, Kostbarkeit auszudrücken: einerseits die wertvolle Monstranz aus Gold, für die Ewigkeit gemacht, andererseits der Blumenteppich, der schon nach Stunden verwelkt. Vielerorts mündet die Prozession in ein kleines Gemeindefest, dessen Inhalt das Zusammensein ist. Vielleicht ist Fronleichnam in katholischen Gegenden nach wie vor ein beliebtes Kirchenfest, weil es dabei viel zu tun gibt? Altäre aufbauen, Blumen pflücken, musizieren, singen, Baldachin tragen, organisieren. Im Tun beteiligt sein. Ganz sicher ist das Blumenlegen Gebet.

Manche sehen in der Prozession ein öffentliches Bekenntnis zu ihrem Glauben. Mir ist diese Sichtweise fremd. Glauben bekennen geschieht im Alltagshandeln und im politischen Eintreten für Gerechtigkeit. Dass Gott bei den Menschen ist, erfahren wir weniger durch eine Prozession als vielmehr im Engagement überzeugter Werktagschristen. Durch diese Interpretation scheint mir das Fronleichnamsfest eher kleingemacht.

Im Blumenlegen für Fronleichnam sehe ich die menschliche Fähigkeit alles Schöne in einen Moment hineinzulegen. Blumen werden gesammelt, zerpflückt und zu einem Kunstwerk zusammengefügt, das Christus gewidmet ist. Dabei ist es unumgänglich, ganz im Moment zu verweilen. Sonst wird das nichts. Es ist eine Chance, Gegenwart zu erfahren, einfach nur gegenwärtig zu sein. Nichts sonst. Im Wissen, dass das Gemeinschaftswerk schon in wenigen Stunden, manchmal Tagen, wieder weggeräumt werden wird. Alles hinter sich lassen, sich an den Moment hingeben, einfaches Dasein vor Gott. Dafür haben wir heute vielfältige Wege. – Das prächtige, traditionsreiche Fronleichnamsfest fällt uns dabei wohl nicht als erstes ein. Wir üben uns in Yoga, Meditation, Pilgern, Reisen, spirituellen Wanderungen, Exerzitien. Wir reden von Aufmerksamkeit für den Augenblick und Sinnsuche. Einen neuen Ausdruck zu finden, für das, was uns das Blumenlegen bedeuten kann, braucht es nicht; oder wir tun uns schwer damit, zumal einen gemeinschaftlichen Ausdruck, der aus sich heraus verstanden wird. Blumenlegen braucht keine Erläuterungen.

Biblisch hat das Thema Leib und Blut Christi in erster Linie die Verbundenheit mit Jesus Christus im Blick, wie es auch das Zitat von Paulus ausdrückt. Und die Verbundenheit untereinander. Auch über Jahrhunderte weg. Wir sind ein Leib, durch die Teilhabe an diesem einen Brot. Die Rede ist hier von umfassender Einheit. Eine Einheit, die die Ebene von Widersprüchen, Streit, Schmerz, Freude, umfasst und übersteigt. Mit sich und der Welt in Einklang sein. Diese Erfahrung meint ja nicht ‚problemfreie Zone’, sondern ein Ja zum Leben, wie es ist. Und insbesondere rückblickend ein Ja zum eigenen Leben, wie es geworden ist. Es versteht sich von selbst, dass gelebtes Leben nicht nachträglich negiert werden kann, weder im persönlichen Leben noch im Leben der Gesamtheit der Glaubenden.

Die Bilder „Leib“ und „Hostie“ stellt Simone Weil in folgendem Gedanken einander gegenüber:
unsere wahre Würde besteht nicht darin, Teile eines Leibes, und wäre es ein mystischer, wäre es der Leib Christi, zu sein. Sie besteht darin, dass im Stande der Vollkommenheit, zu welcher jeder von uns berufen ist, nicht mehr wir in uns selber leben, sondern Christus in uns lebt; derart, dass durch diesen Stand Christus in seiner Ganzheit, in seiner unteilbaren Einheit in einem gewissen Sinne jeder einzelne von uns wird, wie der ganze Christus in jeder Hostie ist

In diesem Sinne drücken die Blumenlegerinnen mit ihren Kunstwerken Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Lebens aus. Sie verweilen im kostbaren Moment, der Vollkommenheit ahnen lässt, auch die eigene. Vielleicht besser: an das uns innewohnende Potenzial zur Vollkommenheit, an das uns die gezeigte Hostie erinnert. Vollkommenheit meint hier keine moralische Größe, sondern schlichtes Sein. Das gibt uns Kraft, auch im Alltag über uns hinaus zu wachsen, Leiden zu bestehen, gegen Unrecht anzugehen, das Leben zu lieben.

Kostbare Momente bewusst zu erleben, das wünsche ich Ihnen, gleich wo Sie diese finden. Amen

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2 Antworten auf Kostbare Momente – Fronleichnam A

  1. Anne Borucki-Voß sagt:

    Vielen Dank für diese eindrückliche Fronleichnamspredigt, die mir einen guten Zugang zu diesem Fest eröffnet. Ich habe mich mit Fronleichnam eher schwer getan, denn manches Brauchtum habe ich als eherne Tradition erlebt, die nur um der Tradition willen gepflegt wird. So habe ich es in meiner Jugend in Süddeutschland erfahren. Jetzt lebe ich in Berlin, und da ist Fronleichnam noch viel merkwürdiger. Es ist kein Feiertag, wird meist am Sonntag „nachgefeiert“, und zwar ohne Blumenteppiche, mit einer Kurzprozession um die Kirche oder so ähnlich ….

  2. Theres sagt:

    Schöne Predigt! Sie hat ganz alte Erinnerungen in mir wachgerufen – weisst Du noch? In unserer Schulzeit war es Aufgabe der Schulklassen, die Fronleichnamsteppiche im Dorf an den unterschiedlichen Altären zu legen. Wie wir Mädchen tagelang Blumen sammelten, sie zerpflückten, sie in Schachteln in einem kühlen Raum aufbewahrten für den großen Tag?
    Und wie aufregend es war, am Fronleichnamsmorgen wirklich in aller „Herrgottsfrühe“ mit einem Handkarren voller Blüten loszuziehen und dann den Teppich zu legen? Ich denke so gerne an diese Gemeinschaftsarbeit zurück!!
    Viele Grüße, Deine Schwester

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