In jener Zeit sprach Jesus zu seinen – Jüngerinnen und – Jüngern:
1 Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!
2 Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?
3 Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.
4 Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr.
5 Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?
6 Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.
7 Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.
8 Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns.
9 Jesus antwortete ihm: Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater?
10 Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke.
11 Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist; wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund der Werke!
12 Amen, amen, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater.
Autorin:
Dr. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Guter Hirte – Kolumban in Wendlingen mit Oberboihingen und Köngen mit Unterensingen, verheiratet, eine Tochter
Die Predigt:
Mein Weg – meine Wahrheit – mein Leben?
Liebe Leserin, lieber Leser,
wer hat Gott je gesehen? Niemand! Schon gar niemand von uns hier und heute. Wieso können wir dann trotzdem an ihn glauben? Das Johannes-Evangelium heute sagt uns: Weil Jesus auf Erden gelebt und gewirkt hat, wissen wir wie Gott ist. Der Weg zu Gott geht über Jesus. An Jesus kommt man nicht vorbei.
Wir lesen da Sätze wie „Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.“
Oder „Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist?“
Oder „Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke.“Also wäre es doch einfach: auf Jesus schauen, um zu Gott zu kommen.
Aber schon die Jüngerinnen und Jünger und die Verfasser des Johannesevangeliums, das um etwa 120 n. Chr. entstanden ist, hatten es nicht so einfach mit dem Glauben. Thomas und Philippus stehen dafür im Text, ich denke, sie stehen auch für unsere Situation. Thomas, der sagt: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“ Und Philippus, der nicht nur an Jesus ablesen wollte, wie Gott ist, sondern, der es gern konkreter gehabt hätte: „Zeig uns den Vater, das genügt uns“. Leider bekommen beide – und damit auch wir – nicht die erwünschte einfache Antwort.
Zu Thomas sagt Jesus, „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ und schärft ihm damit noch einmal ein, dass es nur über ihn als Person geht, dass man über ihn als Weg zur Wahrheit und zum Leben kommt. Und Philippus antwortet er, fast unwirsch: „Schon so lange bin ich bei Euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Es hängt also alles an Jesus.
Der Teil des Johannes-Evangeliums, den wir heute gehört haben, ist aus den sogenannten „Abschiedsreden“, in denen noch einmal alle wichtigen Themen seiner Botschaft, sozusagen als Testament, als Vermächtnis, angesprochen werden. Wenn der Weg zu Gott nur über Jesus geht, dann ist entscheidend, was hier über Jesus gesagt ist. Er sagt von sich unter anderem: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Das hört sich schön an. Doch was bedeutet das?
1.Ich bin der Weg:
Ein Weg ist nichts Fertiges. Man muss ihn gehen und finden. Unsere Lebenswege sind oft nicht so gerade, wie wir sie gern hätten. Da geht es statt über breite Straßen über steinige Pfade oder über Umwege. Wie oft suchen wir unsere richtige Bestimmung. Oder um mit Kurt Marti zu sprechen:
meistens gerät gerade ein gerader weg nicht so gerade wie zunächst gewollt und gleicht immer mehr einem slalom macht aber nichts denn unentwegt kurvt so ein slalom um die Gerade
(K.Marti, gott gerne klein, Gedichte, Stuttgart 1995,11)
Vielleicht ist Gott die Gerade, der rote Faden im Leben.
2. Ich bin die Wahrheit:
Wahrheit ist mehr als nur Richtigkeit, Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Das hebräische Wort verweist auf absolute Verlässlichkeit, Halt, wie ihn eigentlich nur Gott geben kann. Das griechische Wort für Wahrheit „aletheia“ zielt auf das Weltprinzip hinter allem, was alle Philosophen suchen, worauf man sich letztlich verlassen kann. Wenn vieles unklar und unsicher im Leben ist, sehnen sich Menschen nach Verlässlichkeit, nach Wahrheit. Es gibt so viel Schein und Lüge in unserer Welt. Deswegen wollen Menschen etwas „haben“ worauf sie bauen, worauf sie zählen können. Jesus sagt von sich, dass er einer ist, der Halt im Leben geben kann, auf den man und frau sich absolut verlassen können.
3. Ich bin das Leben
Nach wirklichem Leben sehnen sich alle Menschen. Es gibt verschiedene Wege und Versuche, den Durst nach Leben zu stillen: Dinge haben, Dinge und Erlebnisse genießen, kämpfen um nicht zu kurz zu kommen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Mein Lieblingsbild für Leben ist das vom Löwenzahn, der sich im Frühjahr saftig grün durch eine kleine Ritze zwischen Betonweg und Steinmäuerchen zwängt und, wenn er nicht von einer ordnungsliebenden Hand ausgerupft wird, unverschämt gelb blüht. So möchte ich auch leben: mit wenig Boden auskommend, voller Leben auch unter widrigen Bedingungen. Ich treffe immer wieder Menschen, die – mindestens subjektiv – erleben, dass sie nicht genug zum Leben bekommen, sei es dass ihnen materielle Güter oder Rechte verwehrt werden, oder Anerkennung oder Gesundheit fehlen. Und doch lässt sich Leben nicht unterkriegen. Auch jemand, der nicht mehr viel weiß, weil er z. B. an der Alzheimer – Krankheit leidet, kann unbändiges Leben in sich haben oder ein behinderter Mensch oder ein Mensch, der ganz wenig Geld hat. Alle sollen leben und kein Leben ist mehr wert als ein anderes, weil da Einer ist, der das Leben will und gibt, ja das Leben selbst ist.
Vielleicht muss das mit dem Weg, der Wahrheit und dem Leben für Sie und für mich noch viel konkreter werden.
Vielleicht helfen dabei die folgenden drei Fragen:
Welchen Weg bin ich in meinem bisherigen Leben gegangen?
Welche Erfahrungen habe ich mit der Wahrheit gemacht?
Was heißt für mich Leben?
Mindestens für mich nehme ich sie als Hausaufgabe in die nächste Woche und baue darauf, dass der, der von sich sagt, „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ mir hilft sie zu beantworten. Amen.
Konzilien,Inquitionen,Glaubenskongrgationen versuch(t)en dem Chaos der unterschiedlichen Wege in der rechten Christusnachfolge zu begegnen…
Könnte es sein,dass der „Einheitsglauben“, -das System Kirche – den Weg zum Christus verstellt ?
Gebiert nicht der gottgewollte Zweifel d i e Sehnsucht nach Gott ,die erst
„in des Vaters Wohnung“ in Frieden und Erlösung mündet ?
Und sind Frieden und Erlösung nicht einfach schon dort erfahrbar , “ … wo zwei oder drei in SEINEM Namen zusammen sind “ ?