Drei Möglichkeiten für erfülltes Leben – 4. Sonntag der Osterzeit A

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 10
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern:
1 Amen, amen, das sage ich euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber.
2 Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe.
3 Ihm öffnet der Türhüter und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus.
4 Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme.
5 Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen.
6 Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte.
7 Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen.
8 Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört.
9 Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden.
10 Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.

Autorin:
def9d78cf6Gabriele Greiner-Jopp, verheiratet, lebt in Wendlingen, z.Zt. als Dekanatsreferentin, Gemeindereferentin und Beraterin tätig

 
Die Predigt:
Drei Möglichkeiten für erfülltes Leben

Liebe Leserin, lieber Leser,
Ich bin gekommen, damit alle Leben und Überfluss haben“. So übersetzt die Bibel in gerechter Sprache. Zwischen einer Blindenheilung in Jerusalem und ständigen Querelen, die im Versuch gipfeln, Jesus zu steinigen, sagt er diesen Satz. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“, so hört er sich in der Einheitsübersetzung an. Einmal gehört, prägt sich dieser Satz ein und kann Sehnsucht wecken. Denn wer von uns wollte das nicht, lebendig sein, Überfluss haben.

Doch wie soll das gehen in einer Welt, die uns oft feindlich gesinnt scheint, die harte Bedingungen stellt und in der vielleicht keiner oder nur wenige Menschen Rücksicht auf unsere Sehnsucht nehmen? Jesus bietet uns in dieser Bibelstelle dafür drei Möglichkeiten, drei Bilder, wie wir erfüllt leben können, auch unter schwierigen Bedingungen.

Das Bild der Tür: Eine Tür öffnet und verschließt. Sie eröffnet Möglichkeiten und Gefahren, wenn wir hinausgehen, und bietet Schutz, Geborgenheit, wenn wir sie von innen schließen. Ein Türrahmen ist ein relativ stabiler Ort bei Erdbeben. Mit Türen ist also zu rechnen. Wir können nicht so leben, als müssten wir uns nicht entscheiden, als gäbe es kein drinnen und draußen, als gäbe es keine Türen, die sich uns öffnen oder verschließen. Jesus sieht sich und seine Botschaft als Tür zum Leben, zur Rettung von Leben sogar. Wo ich mich in seinen Bereich begebe, quasi unter seinem Türrahmen hindurchgehe, seine Art zu leben, gewaltlos, barmherzig, Gott zärtlich und unfassbar zugleich begreifend, wo ich das mit meinen Möglichkeiten lebe, verspricht mir das Evangelium Freiheit und Weide. Also Nahrung für meine Seele. Es verspricht mir ein Mehr an Lebensmöglichkeiten. Jesus als Tür kann ich nutzen in beide Richtungen: Freiheit und Schutz. Wagnis und Geborgenheit.

Schafe und Hirte oder Hirtin: Zur Zeit Jesu war es ein vertrautes Bild. Die Aufgaben eines Hirten, einer Hirtin waren gut bekannt; alle wussten, was es bedeutete, eine Schafherde zu weiden. Wir müssen es uns erschließen. Für ein Leben in Fülle, muss ich mit beidem rechnen: Schaf sein zu können und Hirtin. Beide brauchen sich gegenseitig um ein gutes Leben zu haben. Zu wissen, was ich brauche, wohin ich gehöre, vielleicht nur auf Zeit, aber immerhin, mit anderen unterwegs zu sein, aufeinander zu achten, das ist die eine Weise zu leben; die andere bedeutet: für jemand oder viele Verantwortung zu übernehmen, zu sorgen, auf ihre Unterschiede und Eigenarten zu achten, wohlwollend statt einschränkend zu sein – das können wir vom Hirte-Sein lernen. Wo ich all das übe, erweitere ich meine Möglichkeiten. Ich werde lebendiger und er-füllter.

Die Lebensweise einer Hirtin, eines Hirten, hat viel von der Lebensweise eines mütterlichen Menschen. So passt das Evangelium ganz gut zum Muttertag heute.

Den eigenen Namen kennen, den Ruf hören und ihm folgen: zu wissen wer ich bin, ist wichtig. Mein Name macht mich unverwechselbar und einzigartig. Mit und über den Namen erhalte ich meine Identität. In anderen Kulturen müssen, bzw. dürfen sich die Heranwachsenden einen eigenen Namen er-arbeiten. Und dieser Name ist so individuell, wie der Mensch der ihn trägt. Bei manchen Völkern bekommen Babys ihren Namen nur einmal leise ins Ohr geflüstert, laut werden sie bis zum Jugendalter mit unschönen Begriffen gerufen, damit Geister, die ihnen schaden könnten, verwirrt und abgeschreckt werden. Namen und ihre Bedeutung prägen uns. Wer Menschen als Individuum vernichten will, degradiert sie zu Nummern ohne Namen. Ob daher der Begriff kommt „namenloses Leid“?

Zu einem Leben in Fülle gehört ein Name, der zu uns passt, auf den wir hören oder gehorchen und dann auch ge-horchen, wenn wir gerufen werden. Im Ruf und dem Hören darauf wird sichtbar, wie gut die Beziehung ist zwischen den beiden. Gerufen werden, be-rufen sein und darauf hören wollen – auch das gehört zum Leben in Fülle.
Heute ist auch der Weltgebetstag für geistliche Berufe. Für mich sollte jeder Beruf eine geistliche Dimension haben. Geist-los zu arbeiten, egal in welcher Sparte, macht Menschen krank. Also bete ich gerne dafür, dass jeder Mann, jede Frau der eigenen Be-rufung folgen kann, damit ihr Leben geist-voll wird. Ich bete auch, dass Menschen mit Einschränkungen Möglichkeiten entdecken, ihr Leben als einen Ruf zu verstehen, sich mit den eigenen Begrenzungen als wertvoll und bejaht zu erleben. So passt diese Bibelstelle zum Weltgebetstag für geist-volle Berufe und Berufungsgeschichten.

Ich wünsche uns allen, dass wir als Menschen mit Geist unsere Lebensmöglichkeiten sehen, verwirklichen und uns durch geistlose Zeitgenossen oder Umstände davon nicht abbringen lassen. Jesus hat das fertig gebracht.

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Eine Antwort auf Drei Möglichkeiten für erfülltes Leben – 4. Sonntag der Osterzeit A

  1. Beate Limberger sagt:

    Vielen Dank für die aufschlussreiche Ent-schlüsselung und systematische Entfaltung dieses nicht leichten Textes.
    Ich habe auf die Schnelle noch Impulse für eine Predigt gebraucht und konnte aus der Fülle schöpfen. Danke!

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