Gott schenkt was wir Menschen brauchen – 2. Fastensonntag A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 17
1 In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg.
2 Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht.
3 Da erschienen plötzlich vor ihren Augen Mose und Elija und redeten mit Jesus.
4 Und Petrus sagte zu ihm: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.
5 Noch während er redete, warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.
6 Als die Jünger das hörten, bekamen sie große Angst und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden.
7 Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst!
8 Und als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus.
9 Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemand von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindepastoral, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Gott schenkt was wir Menschen brauchen

Liebe Leserin, lieber Leser,
ungebrochen ist die Faszination der Berge, ob es die eindrucksvollen Gipfel der Hochgebirge oder die sanfteren Erhebungen in den Mittelgebirgen sind. Oben auf dem Gipfel schweift der Blick über die Lande zu unseren Füßen. Nach den Mühen des Aufstiegs belohnt oftmals eine herrliche Rundumsicht. Der Atem wird leichter und der Kopf frei. Kein Wunder also, dass sich religiöse Menschen da oben dem Himmel ganz nah fühlen, noch dazu wenn man dort allein in der Stille sein kann. Die vielen Gipfelkreuze erinnern daran. Der Glaube wird für die meisten Wanderer und Bergsteiger allerdings nicht im Vordergrund stehen. Und dennoch hebt uns der Berg über uns selbst hinaus, über die Routine des Alltags und alles, was uns da unten beschäftigt und belastet. Manches fällt von uns ab und die Gedanken lichten sich. Solche Gipfelerlebnisse geben neue Kraft und können helfen, wieder lange Zeit in den „Tälern“ der Arbeit und Termine auszuhalten.

Seit alters her ist der Berg auch ein bevorzugter Ort der Gotteserfahrung. Kirchen und Kapellen wurden oft auf einem ganz besonderen Bergrücken erbaut. Im Landkreis Tübingen ist die Wurmlinger Kapelle von allen Seiten weither sichtbar. Der Berg, auf dem sie steht, war schon in weit vergangener Zeit in keltisches Heiligtum. Vielleicht erinnern wir uns auch an Mose, wie er tagelang in einer Wolke verhüllt auf dem Sinai mit Gott im Gespräch war und dann mit den 10 Geboten zu seinem Volk zurückkehrte. Jesus steigt auch auf eine Anhöhe, um dort Gottes Willen in den Seligpreisungen in Worte zu fassen.

Und jetzt hören wir, dass er Petrus und die zwei Brüder Jakobus und Johannes beiseite nimmt, um mit ihnen auf einen Berg zu steigen. Nach alter Überlieferung ist es der Berg Tabor, der sich als Einzelberg aus der Ebene um den See Genesareth 588 m in die Höhe erhebt. Weshalb Jesus das tut, lässt sich aus dem Zusammenhang leicht erschließen. Er ist mit seinen Jüngerinnen und Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem und er macht sich keine Illusionen. Ihm ist klar, dass es jetzt für ihn und damit auch für alle, die zu ihm halten, richtig ernst wird. Der Konflikt mit den religiösen Führern des Volkes spitzt sich zu. Wer weiß, wie die römische Obrigkeit auf mögliche Unruhen reagieren wird? Jesus nutzt die lange gemeinsame Wanderung, um die Menschen um ihn herum in vielen Gesprächen auf das Kommende vorzubereiten. Immer wieder geht es um das bevorstehende Leiden, das auch vor seinen Freunden und Freundinnen nicht Halt machen wird, aber auch um die Hoffnung auf die Auferweckung aus dem Tod.

Jetzt ziehen sich die Vier auf den Berg zurück, sicher um dort in enger Gemeinschaft und im Schweigen zu beten, nach dem Willen Gottes zu fragen und Kraft zu tanken. Und dann wird ihnen so unglaublich viel mehr geschenkt, als sie je erwarten konnten: Mose und Elija erscheinen – auf deren Wiederkommen wartet ja das Volk in der Endzeit. Und mit Jesus geschieht eine Verwandlung: sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden blendend weiß, wie das Licht. Jesus selbst erfährt eine Vorahnung seiner Auferweckung und auch Petrus, Jakobus und Johannes. Für einen Augenblick dürfen sie Jesus so sehen, wie er sich ihnen später nach der Auferstehung zeigen wird. Und dann ist da die mit paradoxen Worten ausgedrückte leuchtende Wolke, die ihren Schatten auf sie wirft. Es überwältigt sie: Gott ist wirklich da, sie hören seine Stimme, die wie bei der Taufe am Jordan spricht: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf den sollt ihr hören.“ Da kann es nur eine Antwort geben, sich in Furcht und Ehrfurcht auf den Boden zu werfen, um ganze Hingabe auszudrücken und nicht den Verstand zu verlieren. Jesus macht ihnen Mut, sich wieder aufzurichten und als sie aufschauen, ist die Erscheinung verschwunden; er ist wieder allein und alles scheint wie vorher zu sein.

Vor dem Abstieg ins Tal, später in die Tiefe der Enttäuschung und des Leides, ist Jesus und den ausgewählten Jüngern ein Eintauchen in Gott zuteil geworden. Jesus erfährt eine ganz starke Bestätigung der Liebe seines Vaters und die drei Jünger erhalten Gewissheit, dass Jesus wirklich der Messias ist und dass das Leben siegen wird, nicht der Tod. Mit diesem Schatz ausgestattet, mit diesem Herzenswissen, sollen sie alles aushalten können und ihren Schwestern und Brüdern Halt geben. Gott hat ihnen geschenkt, was sie brauchten, um ihren Weg gehen und durchhalten zu können. Dieses Erlebnis zeigt auf bildhafte Weise, wie es sein kann, wenn die heilige Geistkraft im Menschen wirkt.

Können wir mit eigenen Erfahrungen daran andocken? Ich durfte in den letzten Jahren in unserem kleinen Dorf dreimal Menschen erleben, die ihre erwachsenen Kinder durch den Tod verloren haben, und ihre Trauer allem Anschein nach im Glauben überwinden konnten. Sie tragen die Gemeinde nach wie vor mit und können auch wieder lachen. Sie sind für mich ganz starke Glaubenszeugen. Mir wird dadurch wieder bewusst, dass wir immer wieder die Quelle der Gotteserfahrung freilegen sollten, um gewappnet zu sein für schwere Zeiten, die so oder anders für jede und jeden kommen. Um auf den Gipfel zu gelangen, muss man den Berg erklimmen. Um unser Herz in Gott festmachen zu können, ist es nötig, dass wir uns auf ihn zu bewegen, indem wir ihn suchen. Er wird uns ganz sicher die nötige Kraft schenken, die wir brauchen, seine Nähe und seinen Trost. Und ist es nicht so, dass sich letztlich in jeder Form von Mut und Lebensenergie Gottes Kraft zeigt? Woher sonst sollte dieses Wunder kommen! Amen

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