Wer oder was hat Macht über uns? – 1. Fastensonntag A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 4
In jener Zeit 1 wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden.
2 Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger.
3 Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.
4 Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
5 Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel
6 und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, /
dich auf ihren Händen zu tragen, /
damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
7 Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
8 Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht
9 und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.
10 Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
11 Darauf ließ der Teufel von ihm ab und es kamen Engel und dienten ihm.

Autorin:
Sr.Kathrin 05 AusschnittSr. Kathrin M. Prenzel, Franziskanerinnenkloster Sießen, Pastoralreferentin in der Klinikseelsorge und im Religionsunterricht

 
Die Predigt:
Wer oder was hat Macht über uns?

Liebe Leserin. lieber Leser,
wenn man die Medien aufmerksam beobachtet, beschleicht einen so manches Mal das Gefühl, dass nur noch Sendungen hohe Einschaltquoten haben, die entweder jemand Neuen groß rausbringen wollen – wie DSDS, „Voice of Germany“ und „Germanys next Topmodel“ – oder bereits bekannte Menschen noch größer und bekannter machen wollen, indem sie ihnen in Unterhaltungssendungen am Samstagabend die Gelegenheit geben ihr neues Buch bzw. ihren neuen Film vorzustellen. Aber nicht nur im Fernsehen geht es ums „Groß-Sein“ bzw. „Groß-Rauskommen“. Auf Facebook oder Twitter wird alles „gepostet“, was dazu hilft, dass eine unbekannte Masse von Menschen jemanden „gut“ findet oder sogar als „Freund“ aufnimmt. Und wer die meistens Klicks bei YouTube hat, ist sowieso fein raus.

Wichtig sein, bedeutsam sein für andere, Einfluss haben – das ist heute gefragt. Und damit sind wir mitten in unserem heutigen Sonntagsevangelium, in dem es um menschliche Versuchungen geht und wie Jesus auf sie reagiert. Das beginnt schon nach seiner Taufe. Jesus wird von nun an ein völlig neues Leben als Prediger führen und den Menschen ganz neu und anders von Gott erzählen. Aber er hat dafür keinen Masterplan ausgearbeitet. Statt in Aktivismus zu verfallen und alles von sich selbst abhängig zu machen, wie wir es tun würden, geht Jesus vor seinen öffentlichen Auftritten erst einmal in die Wüste. Und zwar 40 Tage und 40 Nächte. Eine Zeit der Selbstfindung, des Sich-auf-Gott-Ausrichtens, des Gott-Findens. Eine wichtige Zeit, daher die Zahl 40 – in Anlehnung an die Zeit, die das Volk Israel von Ägypten in das gelobte Land brauchte oder die es im Exil leben musste. 40 Tage in der Stille. Abgeschottet von allem, was stören könnte. Nur so konnte sich Jesus über seinen Auftrag klar werden, nur hier konnte er Kraft tanken, nur hier Gott in einer Tiefe begegnen, die ihn später tragen sollte. Schon hier entzieht sich Jesus, meiner Meinung nach, einer ersten Versuchung, die für uns heute gar nicht mehr als Versuchung sichtbar ist: zu meinen, dass alles nur von mir abhängt und ich das Maß aller Dinge bin.

Um dieser Versuchung nicht zu verfallen täte uns mehr Stille gut, um das eigene Leben zu bedenken und zu fragen, was eigentlich wichtig ist im Leben, was unser persönliches Leben ausmacht. Aber stattdessen sind wir dauernd online, dröhnen uns mit Musik oder Fernsehen zu und sind immer in Aktion, um noch dies und jenes zu erledigen. Dabei muss das Ganze auch noch schnell gehen, da immer schon das Nächste ansteht. Da tut es gut, dass die Fastenzeit begonnen hat und wir quasi von außen darauf gestoßen werden, dass Stille, Nachdenken und bewusster zu leben eigentlich zum Menschsein gehört. Natürlich kommen in der Stille auch all die Gedanken hoch, die wir sonst so gern übertönen. Gedanken oder Stimmen, die uns und unser Tun in Frage stellen, die uns neue Visionen vorgaukeln oder alles ins Schlechte ziehen – je nach Stimmung oder Lebenssituation. Bei Jesus war das nicht anders. In der Versuchungsgeschichte ist es der Teufel, der plötzlich auftaucht und drei Mal versucht, Jesus von seinem Weg abzubringen. Doch die Tage der Stille und des Sich-Ausrichtens haben in Jesus Klarheit geschaffen und zeigen nun ihre Wirkung, obwohl der Teufel alle Register zieht, um ihn zu Fall zu bringen.

Denn genau die Versuchung, alles aus sich heraus tun zu wollen oder auch zu können, greift der Teufel als erstes auf: du kannst doch alles. Mach aus diesen Steinen Brot. Der Nobelpreis in Chemie wäre jedem sicher, der dies könnte – ja, wahrscheinlich sogar der Friedensnobelpreis, denn damit wäre das große Problem des Hungers in der Welt ein für alle Mal gelöst. Eine gute Sache, auf alle Fälle. Alles tun, was möglich ist, kann aber auch anders aussehen: Atombomben, Chemiewaffen, Exporte der Waffenindustrie in Kriegsländer, Abtreibungen, Genmanipulationen, Treibhauseffekt, Kredithaie… die Liste ist lang und die Konsequenzen eines „Alles was möglich ist, ist erlaubt – auf Teufel komm raus“, ist verheerend. Dies hat nicht nur die Bankenkrise gezeigt. Aber erst in solch verheerenden Situationen merken wir Menschen, dass Märkte und Gewinne das Leben nicht ausmachen, sondern dass wir von etwas Anderem leben: von gegenseitiger Liebe, Angenommensein und Glauben. Daran erinnert uns Jesus, wenn er sagt, dass wir nicht nur von Brot leben, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Denn wer nur auf sein eigenes Können schaut, der stellt sich selbst an Gottes statt und verliert dabei das Wesentliche des Lebens aus dem Blick; nämlich zu fragen, was den Menschen dient, was ihnen hilft und was ihnen schadet.

Da Jesus mit einem Bibelwort, also mit dem Glauben, geantwortet hat, führt ihn der Teufel nun in die Heilige Stadt, dem Zentrum des damaligen religiösen Lebens. Und er zitiert sogar einen Psalm, in dem es heißt, dass Gott seinen Engeln befiehlt, ihn auf den Händen zu tragen, damit sein Fuß nicht an einen Stein stößt. Gottes Glaubwürdigkeit soll also geprüft werden. Wird er wirklich eingreifen, wirklich helfen, wenn Jesus sich hinunterstürzt? Wer wünscht sich nicht, dass Gott einmal so richtig im eigenen Leben ein- oder auch durchgreift? Probleme aus dem Weg schafft, zum Beispiel. Aber Jesus ist sich seiner Sache sicher. Die Zeit der Wüste hat ihm klar gemacht, dass es noch jemanden über ihm gibt, über den er nicht verfügen kann. Jemand, der sich ihm zwar zuwendet, aber nicht unbedingt so, wie es der Mensch will. „Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen“, ist seine Antwort und damit zeigt er auf, dass die Worte Gottes zwar tragen, aber nur, indem man ihnen vertraut und nicht, indem man sie für seine eigenen Zwecke benutzen will. Auch hier trägt noch immer die innere Klarheit aus der Zeit der Wüste. Und so versucht es der Teufel ein letztes Mal, indem er Jesus alle Reiche der Welt und alle Herrlichkeit verspricht. Macht in seiner maximalen Form: die ganze Welt und sogar die Herrlichkeit stehen als Einsatz zur Verfügung. Die Idee vom 1000jährigen Reich eines Hitler, der Kalte Krieg oder die heutigen Versuche, die Weltherrschaft als Staat, als Firma oder Mensch zu erreichen, zeigen, dass es ein attraktives Angebot des Teufels ist, das er Jesus da macht. Maximale Macht kann aber auch im Persönlichen stattfinden: wenn ich andere manipuliere, sie nicht neben mir hochkommen lasse, ihnen die Würde abspreche, die ihnen von Gott her gebührt.

Jesus spricht sich ganz klar gegen beides aus, ja er weist den Teufel diesmal sogar zurecht: Hau ab, deine Versprechungen sind nicht das wahre Leben, sie zerstören im Gegenteil Leben. Interessanterweise greift Papst Franziskus genau diese Versuchungen auf, indem er in seinem Buch „Die wahre Macht ist der Dienst“ genau auf diese Diskrepanz im Leben der Christen heute hinweist. Nicht der persönlichen Macht gilt es zu dienen, sondern durch das Dienen Leben und Heil zu den Menschen zu bringen. Dies ist nur möglich durch eine tiefe Beziehung zum lebendigen Gott, der wir uns immer wieder in Zeiten der Wüste und der Stille stellen müssen – so, wie es Jesus getan hat. Denn solch eine Beziehung trägt auch durch schwere Zeiten hindurch – und wenn es sein muss bis zum Kreuz. Gottes Nähe ist uns dabei zugesagt.

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Eine Antwort auf Wer oder was hat Macht über uns? – 1. Fastensonntag A

  1. Kähny sagt:

    „… und führe uns nicht in Versuchung…!“

    Macht ist Dienst ( Papst Franziskus (?) – Dienst ist Macht ( Friedrich der Grosse (?).

    Ist nicht die wahre Macht die O h n m a c h t ?.
    s.das Kind in der Krippe, der Christus am Kreuz…

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