Schwer ist der Weg zum Frieden – 7. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern:
38 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.
39 Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
40 Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.
41 Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.
42 Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.
43 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.
44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,
45 damit ihr Töchter und Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?
47 Und wenn ihr nur eure Schwestern und Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?
48 Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindepastoral, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Schwer ist der Weg zum Frieden

Liebe Leserin, lieber Leser,
Seid vollkommen – vollkommen zu sein als Ideal, das man niemals erreichen kann, ist besonders uns Frauen nur allzu vertraut. Viele von uns leiden darunter, dass sie sich nicht gut genug, nicht schön und schlank genug, nicht attraktiv genug, nicht intelligent genug, nicht willensstark genug fühlen. Das gesunde Selbstwertgefühl, sich einerseits nicht zu überschätzen, aber andererseits auch nicht minderwertig im tiefsten Inneren zu empfinden, führt oft ein verkümmertes Dasein. Wenn man dann diese Sätze von Jesus hört, kann es uns schon umhauen mit Gedanken wie: „Das schaffe ich ja nie“. „Dieser Glaube ist nichts für mich“.

Aber Halt! Wenn wir uns von der eingeschlagenen Spur weitertragen ließen, wären wir ganz schön auf dem Holzweg. Es geht Jesus um etwas ganz Anderes. Wenn Eure Gerechtigkeit nicht viel größer ist, als die der Schriftgelehrten, werdet ihr nie in das Himmelreich kommen, so hörten wir im Evangelium am letzten Sonntag. Jesus sagt damit nicht: Ihr müsst Euch den Himmel verdienen. Sondern: strebt nach der Gerechtigkeit Gottes, pflegt und hütet das Leben in jeder Form, damit in dieser von Gewalt zerrissenen Welt das Himmelreich, mit anderen Worten das Reich Gottes, aufblühen kann. Das Reich Gottes, wie schwer ist es, sich das auszumalen. Eine Zeit, ein Dasein, wenn alle Lebewesen zu ihrem Recht kommen, auch ich selbst! Wenn Gott selbst unsere Tränen trocknet.

Um das zu erreichen, wenigstens annähernd, ist vielleicht die wichtigste Frage, wie wir mit unseren Gegnern und Feinden umgehen. Ein total aktuelles Thema der Politik weltweit, aber auch unseres eigenen Lebens. Denn wer von uns hat es nicht mit jemandem zu tun, der oder die einem quer liegt, mit dem man sich immer wieder schwer tut, den oder die man einfach nicht ausstehen kann? Und Friedfertigkeit ist uns als Eigenschaft eben nicht in die Wiege gelegt. Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: „Auge um Auge und Zahn um Zahn.“ Von diesem bekannten Grundsatz setzt sich Jesus ab. Bevor wir dem nachgehen, müssen wir aber erst einmal festhalten, dass es sich dabei um eine große Kulturleistung der Menschheit handelt. Denn es geht ja darum, die Wut und die Lustgefühle an maßloser Vergeltung für erlittenes Leid zu beherrschen, die Spirale der Gewalt zu unterbrechen. Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und nur mit Gleichem, klingt brutal und entspricht nicht unseren Werten, erfordert aber doch, dass Menschen sich mäßigen und sich selbst noch im Griff haben. Doch Jesus fordert viel mehr: Ich aber sage euch, leistet dem Bösen keinen Widerstand, und zeigt damit den Weg auf zum Frieden, der niemals herbeigeprügelt und herbeigebombt werden kann. Ein anspruchsvoller Weg! Vor wenigen Tagen ist der in Fachkreisen sehr bekannte evangelische Religionspädagoge Karl Ernst Nipkow verstorben. In einem Nachruf las ich, dass er nach seiner Pensionierung das für ihn wichtigste Werk geschrieben hat mit dem Titel „Der schwere Weg zum Frieden“. Es sei deshalb so wichtig für ihn gewesen, weil er sein ganzes Leben unter dem Eindruck der Kriegserlebnisse gestanden habe, die er als jugendlicher Luftwaffenhelfer machen musste.

Der Weg zum Frieden ist schwer, das wissen wir alle. Friedliche Menschen werden wir nicht von selbst. Erziehung zum Frieden ist nötig und eine Schule der Selbsterziehung. Jesus verwendet überdeutliche Bilder, wie das gehen soll: Nicht zurückschlagen, sondern auch die andere Wange hinhalten, wenn ich auf die eine geschlagen werde; nachgeben, wenn dich jemand anklagt; sich bereitwillig dem Zwang fügen; großzügig geben und borgen; den Feind umarmen, ja sogar lieben. Was ist der innere rote Faden dieser Beispiele, so frage ich mich. Patentrezepte können es ja nicht sein, weil es nicht immer gut ist nachzugeben. Wenn ich z.B. mit jemandem lebe, der eine Suchtproblematik hat, müsste ich in die harte Auseinandersetzung gehen und klare Grenzen setzen, statt immer verständnisvoll und großzügig zu sein. Das wäre gerade das Verkehrteste. Wo also liegt der innere Zusammenhang? Der Apostel Paulus schreibt im 12. Kapitel des Römerbriefs: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Was aber das jeweils Gute ist, das gilt es immer neu herauszufinden!

Der schwere Weg zum Frieden erfordert auf jeden Fall eine harte Arbeit an mir selbst, meinen Vorurteilen, meinen verletzten Gefühlen und so fort. Was für ein hartes und langes Training haben die olympischen Sportler hinter sich, um für die kurze Zeit des Wettkampfs fit zu sein! Nicht weniger wird im Grunde von uns allen verlangt, wenn wir nach der Leitlinie leben wollen, die uns Jesus vorgibt, und die einzig und allein zu einem wirklich guten Leben führt. Es ist leicht, die Tür zuzuschlagen und oft so unendlich schwer, sie wieder zu öffnen. Vertrauen ist so schnell zerstört und so mühsam wieder aufzubauen. Zerstören geht so schnell, aber aufbauen, heilen, Wachstum fördern dauert lebenslang.

Den Feind, wenigstens im Geist, zu umarmen, wer auch immer es ist – vielleicht sitzt er ja in mir selbst in Form von Gewohnheiten, die mich schädigen, oder in Gestalt einer Krankheit, die ich als meinen Gegner bekämpfe, – das am Anderen anzunehmen, was ich nicht ändern kann und zugleich das bessere Leben, das, wo ich hin will, nicht aus dem Auge zu verlieren und dafür zu kämpfen, das alles erfordert unheimlich viel Anstrengung, Arbeit und Mühe. Und wo uns etwas in dieser Art gelingt, da spüren wir auch etwas vom Geschmack der Vollkommenheit, vom Reich Gottes, das jetzt schon da ist, mitten im Heute. Wie gut, dass Gott göttlich unendliche Geduld mit uns hat, mit mir und mit meinem Gegner, und dass er seine Sonne jeden Tag aufgehen lässt über Gute und Böse. Amen

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Eine Antwort auf Schwer ist der Weg zum Frieden – 7. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Kähny sagt:

    W i e lese ich die Hl. Schriften ?
    Könnte es nicht sein, dass Gut und Böse,Freund und Feind aus göttlicher Sicht eine immer ganz andere Bedeutung und Aufgabe haben ?

    Wie lese ich die Hl. Schrift ?
    Immer so, dass ich am Ende nicht ohne „die Kirche“ und ihre so machtvolle Sündentheologie mein Kreuz als ewiger Erbsünder tragen
    muss ?

    Wie lese ich die Hl. Schrift ?
    Oder vielleicht doch als SEIN Geschöpf,dem gesagt ist:
    „… Gutes denken , tun und dichten musst DU selbst in uns verrichten…!“?

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