Näher dran geht nicht – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

Lesung aus der Apostelgeschichte, Kapitel 6 und 7
8 In jene Tagen tat Stephanus, voll Gnade und Kraft, Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
9 Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner und Zyrenäer und Alexandriner und Leute aus Zilizien und der Provinz Asien erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten;
10 aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen.
7,54 Als sie das hörten, waren sie aufs Äußerste über ihn empört und knirschten mit den Zähnen.
55 Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
56 und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.
57 Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los,
58 trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.
59 So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
60 Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.

Autorin:
5054fa60Marita Rings – Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken – Malstatt, Bistum Trier

 
Die Predigt:
Näher dran geht nicht

Liebe Leserin, lieber Leser,
in den letzten Wochen wurden sie uns überall um die Ohren geschlagen: Die himmlischen Geschenkideen zu himmlischen Preisen in himmlisch dekorierten Kaufhäusern bei himmlischer Musik. Himmlische Düfte in himmlischer Atmosphäre zogen an unseren Nasen vorbei, ein himmlischer Genuss. Und dann am Heiligen Abend himmlische Wesen am nächtlichen Himmel, die Himmelslieder auf den Feldern anstimmten und mit ihrem himmlischen Chor Gott lobten. Als die Engel dann in den Himmel zurückgekehrt waren, konnte das himmlische Kind endlich in himmlischer Ruh schlafen. Soviel Himmel – da wird einem ganz schwindelig! Und es hört nicht auf: denn am 2. Weihnachtsfesttag ist es Stephanus, der zum Himmel emporblickt und der im Himmel die Herrlichkeit Gottes und Jesus Christus zu seiner Rechten sieht.

Der Himmel ist der Ort Gottes – so haben wir es gelernt! Dabei war das einmal ganz anders. Gott war nicht immer im Himmel. Am Anfang, zur Zeit Abrahams und Saras, als der Glaube an den einen Gott so langsam Gestalt annahm, da war Gott bei den Menschen. Ganz nah bei ihnen, so nah, dass sie ihn hören konnten. Später Moses, auch er erlebt einen Gott, der so nahe ist, dass er seine Stimme wahrnimmt und der auch sichtbar ist, im brennenden Dornbusch. Und dann begleitet Jahwe die Israeliten auch noch durch die Wüste, greifbar und sichtbar im Feuer und in der Wolke. Doch im Laufe der Jahrhunderte haben die Menschen Gott immer weiter weg verbannt, an jenen Ort, den sie Himmel nannten. Die Prophetinnen und Propheten mahnten zwar immer wieder, Gott wieder in das konkrete Leben zurückzuholen, aber den mächtigen Religionsführern aller Zeiten war es lieber, wenn Gott im Himmel blieb und die Menschen ihm erst nach ihrem Tod nahe kamen. Stephanus, der sich vor dem Hohen Rat verteidigen muss, hält eine Rede, die in unseren Gottesdiensten leider nicht mit vorgelesen wird und in dieser Rede sagt er genau das: Gott will den Menschen immer nahe sein und er war ihnen auch immer nahe, angefangen bei Abraham und Sara über Jakob, Josef und Moses bis hin zu David und allen Propheten. Doch dann bauten die Menschen Tempel und versteckten Gott in den Tempeln, dann bauten sie Kirchen und schlossen ihn darin ein, dann entdeckten sie den fernen Himmel, um Gott endgültig dorthin zu verbannen.

Aber Gott lässt sich nicht aus der Welt entfernen. Im Gegenteil: er findet immer einen Weg, den Menschen nahe zu sein. An Weihnachten feiern wir diese Kreativität Gottes: Er wird Mensch, er wird als Kind geboren: näher dran geht gar nicht mehr. In Jesus teilt er das Leben der Menschen, im Guten und Schönen, aber vor allem in Leid, Not und Schmerz: näher dran geht nicht. Er zeigt seine Anteilnahme am Leben der Menschen in den vielen kleinen Wundern des Alltags: näher geht nicht. Gott hat den Himmel verlassen, um in seinem Sohn und dann für alle Zeiten, in der Kraft des Heiligen Geistes, mit uns Menschen auf dem Weg zu sein.

Aber all die, die genau darauf hinweisen, die wurden und werden von den Machthabern aller Zeiten zum Schweigen gebracht, so wie Stephanus. Denn für die Mächtigen ist es nicht gut, dass Gott uns so nahe ist. Die Nähe Gottes macht uns nämlich frei und stark und das ist für sie gefährlich. Ein Gott, der fern im Himmel wohnt, ist dagegen harmlos. Doch Stephanus und nach ihm Millionen von mutigen Frauen und Männern haben den Himmel geerdet, haben den Himmel und damit Gott wieder in die Welt geholt, denn sie spürten Gott ganz nah bei sich, sie waren erfüllt vom Heiligen Geist Gottes und wollten andere daran teilhaben lassen. Heute gibt es schon wieder eine Tendenz, Gott in den Himmel abzuschieben, aber das dürfen wir nicht zulassen.

Auch wir sind beauftragt, so wie Stephanus, Gott unter den Menschen ein Gesicht zu geben, denn er selbst hat sich für diesen Weg entschieden. Bleiben wir auf diesem Weg und lassen wir uns dabei nicht von himmlischen Aktivitäten aller Art ablenken.

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2 Antworten auf Näher dran geht nicht – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

  1. clara sagt:

    Ich musste gerade für mein Studium einen Abschnitt aus „evangelii gaudium“ kommentieren – ich habe den Abschnitt „Evangelisierende mit Geist“ (259 – 283) gewählt. Grundmotiv: ora et! labora.
    „Es nützen weder mystische Angebote ohne ein starkes und missionarisches Engagement noch soziales oder pastorales Reden und Handeln ohne eine Spiritualität, die das Herz verwandelt“.
    „Berührt verführt wie Stephanus“ dürfen wir es wagen, zu leben, was uns geschenkt, ohne Angst zu scheitern oder Aufgeben bei Mißerfolg, der Papst meint, wir dürften schon zufrieden sein, wenn wir auch nur einem Menschen geholfen hätten…

    Danke für die dazu anregenden Gedanken,
    clara

  2. Maria sagt:

    Danke für den Schwung. Kraftvoll und heiter.

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