Von besonderen Menschen wie Teresa von Avila – 28. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 17
11 Auf dem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa.
12 Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen
13 und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
14 Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und während sie zu den Priestern gingen, wurden sie rein.
15 Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme.
16 Er warf sich vor den Füßen Jesu zu Boden und dankte ihm. Dieser Mann war aus Samarien.
17 Da sagte Jesus: Es sind doch alle zehn rein geworden. Wo sind die übrigen neun?
18 Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
19 Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen.

Autorin:
Foto_Jutta_Schnitzler-Forster-225x300Jutta Schnitzler – Forster, verheiratet, zwei Söhne, Gemeindereferentin in Ulm, Bildungsreferentin und Organisationsberaterin

 
Die Predigt:
Von besonderen Menschen wie Teresa von Avila

Liebe Leserin, lieber Leser,
einer von 10 ist anders. Er überrascht Jesus, dessen Freunde und nicht zuletzt auch uns mit seinem Handeln.

Es sind die Überraschungen, die uns neugierig und wach halten, für das Leben. Leben ist nicht nur „mainstream“; es sind immer Einzelne oder Minderheiten, die anders leben. Weil sie es selber so entschieden haben oder weil sie mit bestimmten Begabungen, Schicksalsschlägen oder anderer Orientierung leben müssen.
Ich denke an Kranke, Behinderte, Hochbegabte, Kreative, Homosexuelle, die sich alle auf Dauer nicht in der Masse verstecken können. Sie fallen auf, weil sie anders sind. Sie haben es nicht leicht, fühlen sich oft allein oder alleingelassen und oft auch nicht anerkannt, sondern abgewertet.

Im heutigen Evangelium lernen wir eine Gruppe von Ausgegrenzten kennen: 10 Aussätzige. Alle werden von Jesus geheilt und nur einer kehrt zu Jesus zurück.
Er ist offensichtlich anders, denn er hat als Einziger das Bedürfnis zu seinem Wohltäter zurück zu kehren. Von ihm lernen wir etwas über Dankbarkeit. Wir können davon ausgehen, dass alle zehn froh waren, nun geheilt zu sein und damit wieder zur „Mehrheit“ zu gehören. Aber der Eine hat mehr verstanden: er bringt diese positive Veränderung in seinem Leben mit Gott in Verbindung. Er erkennt die Besonderheit des geschehenen Wunders. Er erkennt die Außergewöhnlichkeit der Situation und des Mannes, den sie später den Messias nennen werden. Er nimmt das Geschehene nicht für selbstverständlich.
Das macht ihn außergewöhnlich!

Besondere Menschen – es gab und es gibt sie. Gott sei Dank!
Sie werden oft unterschätzt und angefeindet in ihrer Zeit, dafür bleiben sie lange über ihren Tod hinaus strahlende Vorbilder, die anderen Mut machen. So gedenkt die Kirche am 15. Oktober einer außergewöhnlichen Frau, die vielen vom Namen her bekannt ist, deren Sprengkraft uns auch heute anregen kann. Es ist Teresa von Avila, die große Ordensreformerin und seit 1970 Kirchenlehrerin. Ihre spannende Persönlichkeit wird als lebender Gegenbeweis dafür zitiert, wie Heilige, Ordensfrauen und überhaupt Katholikinnen zu sein haben: brav, bescheiden, nicht zu intelligent und vor allem gehorsam gegenüber Männern. Sie wird beschrieben als stur wie ein Ochse, dickfellig wie ein Elefant und schlau wie ein Fuchs.

Wer war diese unglaubliche Frau, die ihren Stand in der katholischen Kirche behauptet hat? Teresa kam 1515 in Kastilien zur Welt und erlebte eine „wildromantische“ Kindheit. Die junge, schöne und umschwärmte Frau wollte nicht heiraten. Als 19jährige riss sie von zu Hause aus und pochte an die Pforte eines Karmelitinnenklosters. Das Kloster war eine Gründung des Adels, zur Versorgung unverheirateter Töchter, ein Damenstift also. Das Leben dort war locker und bequem. Es half ihr nicht, ihre innere Zerrissenheit heilen zu können: ihre Sehnsucht nach Gott und nach der Welt draußen. „O langwieriges und peinliches Leben!“ klagte sie ihrem Tagebuch. „O Leben, in dem man nicht lebt“. Diese Unzufriedenheit, diese inneren Konflikte machten sie krank. Drei Jahre war sie gelähmt.

In dieser Zeit begegnete Teresa Gott neu. Sie fühlte „Gott lebt jetzt in mir“. Sie konzentrierte sich ganz auf Gott und ihre eigene Seele. Sie wurde wieder gesund und verwendete die in der Einsamkeit errungene Kraft dazu, ihr neues Ziel anzugehen: ihren Orden zu reformieren. Schnell fand sie Gleichgesinnte, die ihrer Führung vertrauten und sich von ihrer besonderen Ausstrahlung anstecken ließen. 1562 zog die elegante Dame ihre Schuhe aus, kleidete sich und ihre vier Mitschwestern in raue Wollgewänder, zog in ein gestiftetes Haus. Anstatt sich von der Allgemeinheit versorgen zu lassen, nähten und stickten sie für ihren Lebensunterhalt. Teresa und ihre Freundinnen wollten zurück zur alten Ordensregel, die sich die ersten Eremiten 1209 auf dem Berg Karmel gegeben hatten: Klausur statt „Taubenschlag“, grobe Kleider statt Schmuck, Wollsack statt Federbett. Unübersehbares Zeichen der Kursänderung sollte der unbekleidete Fuß sein, Barfüßernonnen, Barfüßermönche als lebende Anklage gegen den Luxus einer verbürgerlichten Christenheit.

Teresas Gott ist ein feuriger Liebhaber, voller Majestät, aber auch jederzeit zu sprechen, wie ein guter Freund. Mit unerhörtem Ernst ist es ihr und ihren Mitschwestern ein Bestreben, Gott nahe zu kommen. Sie schreibt Handbücher, in denen sie ihre Erfahrungen mitteilt. Ungeschminkt offenbart sie ihre Gefühle und hat einen feinen bis sarkastischen Humor, der zeigt, dass man sich selber nicht allzu wichtig nehmen sollte. Ihre Schriften werden „Bestseller“. Ein weiteres Kennzeichen des erneuerten Ordenslebens ist die Verbindung von Disziplin und Menschlichkeit. „Gott bewahre mich vor Heiligen mit verdrießlichen Mienen!“ ruft sie aus und gesteht, mürrische Nonnen mehr zu fürchten, als eine ganze Rotte böser Geister. Sie liebt rosa Zuckerbonbons, hält die blutigen Selbstgeißelungen ihrer Zeit für Einflüsterungen des Teufels und empfiehlt einer depressiven Briefpartnerin weder Andachten noch Bußübungen, sondern Spaziergänge an der frischen Luft. Wenn sie Lust hat, greift sie zum Tamburin, tanzt und singt und dichtet alberne Verse aus dem Stegreif.

Sie gründet 30 Klöster in ganz Spanien, überzieht das Land mit einem Netz von Reformzentren, baut den Alternativorden der „Unbeschuhten Karmeliten“ auf. Mit ihrem Erfolg wächst die Zahl der Neider, die misstrauisch ihre unkonventionellen Methoden beobachten und Schlimmes für die Kirche befürchten. Teresa, diese umtriebige und eigenständige Frau, ist für die Kirche und ihre Vertreter bedrohlich. Schmerzlich muss sie erkennen: sie ist abhängig vom Klerus, denn sie braucht Beichtväter und geistliche Lehrer für ihre Klöster. Der Ordensgeneral stellt sich ihr entgegen und lässt alle ohne seine Genehmigung errichteten Klöster auflösen. Madre Teresa stellt er unter Hausarrest. Alle Barfüßer werden verfolgt und landen im Gefängnis. Doch unbeirrt hält Teresa den Männern ihre Ungerechtigkeit und mangelnde Achtung gegenüber Frauen vor, den Frauen wiederum ihre Ängstlichkeit und Unentschlossenheit. In der Blütezeit der Ketzerverfolgung schreibt sie mutige Worte: „Herr meiner Seele! Die Welt irrt, wenn man von uns verlangt, dass wir nicht öffentlich wirken dürfen, noch Wahrheiten aussprechen, um derentwillen wir im Geheimen weinen und dass du, Herr unsere gerechten Bitten nicht erhören würdest.“ (…) „Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.“

Fünf Jahre dauerte der Streit, bis Papst Gregor XIII. 1580 die reformierte Ordensregel bestätigte und die Unbeschuhten Karmeliten als selbständigen Zweig anerkannte. 1970 erhob Paul VI. Teresa zusammen mit Caterina von Siena zur Kirchenlehrerin.
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Die Vita ist eine Zusammenfassung des Beitrags:
Christian Feldmann, Teresa von Avila: „Es ist kein Friede auf Erden!“, in: Kämpfer – Träumer – Lebenskünstler: Große Gestalten und Heilige für jeden Tag, Herder Verlag, 2007

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