Wir brauchen den Geist von Pfingsten – Pfingstsonntag

Liebe Leserinnen und Leser,
heute vor zwei Jahren, am Pfingstfest, hat unsere Predigtreihe begonnen. Wir haben sie unserer Kirche zum Geschenk gemacht und in Ihnen die Christinnen und Christen gefunden, die es annehmen. Dafür danken wir Ihnen und für alle ergänzenden, zustimmenden und kritischen Kommentare.
Viel hat sich inzwischen in der Katholischen Kirche zugunsten der Frauen bewegt, wie z.B. an der lebhaften Diskussion um das Diakoninnenamt zu sehen ist.

Heilige Geistkraft, erfülle und belebe uns. Hilf uns alle Wechsellagen unseres Lebens zu bestehen und offen zu sein für das Kommende!

Lesung aus der Apostelgeschichte, Kapitel 1 und 2
In jenen Tagen
12 kehrten sie vom Ölberg, der nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück.
13 Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus.
14 Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen – Schwestern und – Brüdern.

1 Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort.
2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren.
3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf – jede und – jeden von ihnen ließ sich eine nieder.
4 Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.
5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden.
7 Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden?
8 Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören:
9 Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien,
10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten,
11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.
12 Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten?
13 Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken.

Autorin:
Frauenpredigt BildBettina Prenzel, Pastoralreferentin in Kirchheim unter Teck

 
Die Predigt:
Wir brauchen den Geist von Pfingsten

Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn ich in der Schule nach den wichtigsten Festen der Christenheit frage, bekomme ich sofort Weihnachten und Ostern als Antwort. Pfingsten aber, wird nicht sofort genannt. Es ist ein unbekannteres Fest, das viele vielleicht noch mit den Ferien verbinden, aber sonst können viele damit nichts anfangen. Dabei wäre ohne das Pfingstfest nichts weitergegangen. Die Jünger hätten Jesus noch eine Weile nach getrauert und sich aus Angst versteckt. Irgendwann aber wären sie wieder enttäuscht zum Alltagsgeschäft übergegangen. Die Sache Jesu wäre dann ein kleines Ereignis im fernen Israel geblieben; die Botschaft vom auferstandenen Jesus wäre nicht unters Volk gekommen – schon gar nicht auf so spektakuläre Art und Weise, wie es uns in der Apostelgeschichte berichtet wird:
Die verschüchterten und trauenden Apostel wurden plötzlich verwandelt. Ihre Trauer, ihre Angst war wie weggeblasen. Sie waren erfüllt von etwas, das als plötzliches Brausen vom Himmel, als Feuer beschrieben wird, das alle ergreift. So gewaltig ist diese Erfahrung, dass es die Apostel nicht mehr im Haus hält. Sie müssen nach draußen, müssen diese Erfahrung weiter erzählen. Und wer selbst einmal von etwas begeistert war, der kennt dieses Gefühl, dass es einen innerlich schier zerreißt, wenn man sich nicht mitteilen kann.

Uns fällt es heute schwer sich dieses Ereignis vorzustellen. Wer ist schon so begeistert von Jesus, dass er hinausläuft und auf der Straße von IHM erzählt? Man würde ihn wohl auch bald abholen und ärztlich versorgen lassen…
Aber ist es nicht genau das, was unserer Gesellschaft, unserer Kirche, unserem Glauben fehlt? Menschen nämlich, die durch und durch von Jesus, von Gott erfüllt sind. Nicht, um dann Straßenmission zu betreiben, sondern um in unsicheren Zeiten Gottes Nähe zu bezeugen. Und das braucht unsere Welt, unsere Kirche mehr denn je, denke ich:
Wo Menschen z.B. nur noch als Arbeitsmaterial gelten und die unterschiedlichen Kulturen nicht mehr als Bereicherung, sondern als Bedrohung angesehen werden, braucht es dringend den Geist von Pfingsten, der die Würde jedes Menschen und den Respekt voreinander wiederherstellt. Und wo die Einen auf Kosten anderer immer reicher werden und die Anderen immer ärmer, da braucht es ein gewaltiges Brausen, einen Sturm, der die gängigen Gesetze der Politik und globalen Wirtschaft durcheinander wirbelt, damit eine gerechtere Welt möglich wird.

Aber nicht nur auf gesellschaftlicher und politischer Ebene brauchen wir den Geist von Pfingsten. Die Zahlen der psychisch erkrankten Menschen sprechen eine deutliche Sprache: unsere Welt ist lieblos geworden und stellt immer höhere Ansprüche, denen wir einfach nicht gewachsen sind. Da braucht es den Geist von Pfingsten, der uns innerlich spüren lässt, dass wir sein dürfen, dass wir angenommen und geliebt sind, dass jede und jeder etwas wert ist – mit Arbeit oder Hartz IV, mit oder ohne Titel. Einfach weil er Mensch, weil er Geschöpf Gottes ist.

Am meisten aber braucht es den Geist von Pfingsten in der Kirche selbst. Der neue Papst Franziskus hat bereits nach seiner Wahl auf der Loggia etwas davon erahnen lassen: Seine Bitte um das Gebet hat viele bewegt. Nicht Machtdarstellung war ihm wichtig, sondern die Darstellung seiner eigenen Ohnmacht, seiner Verwiesenheit auf Gott. Und seine daraus resultierende Sehnsucht, vom Gebet anderer getragen zu werden. Für mich ein gutes Programm für eine Kirche, die den Menschen keine Hoffnung bringt, sondern von einer selbstgemachten Krise in die nächste stürzt. Und damit ist keine weltfremde Frömmelei gemeint, sondern ein ehrliches Ergriffensein von Gott, das es möglich macht, Gottes Spuren in unserer Welt zu entdecken und andere daran teilhaben zu lassen. Nicht oberlehrerhaft und dogmatisch, sondern einladend, in aller Offenheit. Wenn wir so aus dem Geist von Pfingsten leben, haben wir auch die Offenheit daran zu glauben, dass dieser Geist auch in anderen lebt und uns etwas zeigen möchte. Dann würde so manche verkrustete Ansicht gesprengt und frischer Wind würde ganz neue Ideen für die Pastoral und den Umgang innerhalb und außerhalb der Kirche schaffen. Dieser neue Wind würde ansteckend wirken und nicht aus ausgedachten Pastoralplänen bestehen, sondern frischen Lebensmut und Schwung in die Gemeinden bringen. Freilich würde das gewaltige Veränderungen mit sich bringen, die viele verunsichern würde.

Aber das ist der Geist von Pfingsten: nichts Statisches, sondern Veränderung, Weitung, Offenheit, Einheit und recht verstandene Liebe. Wenn die Kirche, wenn wir, die wir Teil der Kirche sind, uns von diesem Geist aus unserer Ruhe bringen und verwandeln lassen, dann könnte ein neues Pfingsten geschehen.

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