Das Vermächtnis Jesu – 6. Sonntag der Osterzeit C

In der Abschiedsrede beruhigt Jesus seine Jüngerinnen und Jünger und ruft zur Entscheidung auf. Zum Vorlesen wird empfohlen, nach jedem Zuspruch Jesu die Geistzusage aus Vers 26 zu wiederholen.
Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 14
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen – Jüngerinnen und – Jüngern:
23 Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.
Der Beistand aber, der Heilige Geist, wird euch alles
lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe

24 Wer mich nicht liebt, hält an meinen Worten nicht fest. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat.
25 Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin.
26 Der Beistand aber, der Heilige Geist, wird euch alles
lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe.

27 Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.
Der Beistand aber, der Heilige Geist, wird euch alles
lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe.

Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.
Der Beistand aber, der Heilige Geist, wird euch alles
lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe.

28 Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück.
Der Beistand aber, der Heilige Geist, wird euch alles
lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe.

Wenn ihr mich lieb hättet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.
29 Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.
Der Beistand aber, der Heilige Geist, wird euch alles
lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe.

Evangelium, Frohe Botschaft unseres Herrn Jesus Christus.

Autorin:
P6093807Maria Lerke,
Pastoralreferentin,
Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Das Vermächtnis Jesu

Liebe Leserin, lieber Leser,
Abschied nehmen – vielen von uns fällt das schwer. Sicher fallen da auch ihnen einige Situationen in ihrem Leben ein: Der Abschied von den Kindern vor einem Auslandsaufenthalt, der Abschied vor einer längeren Reise, der Abschied vor einem Kuraufenthalt, oder der Abschied am Sterbebett eines lieben Angehörigen. Wie in einem Sturm wirbeln Gedanken und Fragen in uns herum, wie eine hohe, unüberwindbare Mauer erscheint vor uns die Zukunft. In dieser hochsensiblen Situation saugen wir alles auf; sei es der letzte Blick, der letzte Eindruck, oder das letzte Wort, all das wird unvergessen in uns bleiben. Diese letzten Augenblicke haben eine tiefe Wirkung auf uns. Sie können sich beruhigend auf unsere Zukunft auswirken oder uns in tiefste Verzweiflung stürzen.

Nach der Fußwaschung hat Jesus seine Jüngerinnen und Jünger auf die schwere Zeit seines Leidens und auf seinen Weggang vorbereitet. Man kann in dem Text des heutigen Evangeliums noch spüren, wie verunsichert die Freunde Jesu waren, denn er spricht sehr eindringlich und beruhigend. Wie mag es den Zuhörern bei diesen Abschiedsreden gegangen sein? Auch auf sie werden Fragen und Ängste eingestürmt sein: Wie sollte es ohne ihren Herrn und Meister weitergehen? Auf ihn hatten sie all ihre Hoffnung gesetzt, mit ihm sollte das Reich Gottes endlich anbrechen, war das alles nur Geschwätz, war letztlich alles umsonst?

Noch drängender werden diese Fragen für die Christen, die nach dem Weggang Jesu verfolgt und gequält wurden. Das Johannesevangelium ist ja gerade in dieser Zeit entstanden. Was war denn da mit den Verheißungen von Frieden, Heil und Liebe? Wann sollte das Reich Gottes denn endlich zum Durchbruch kommen?

Auch heute stellen Menschen immer wieder diese Fragen – wenn junge Menschen durch die schreckliche Tat von Amokläufern oder Terroristen ihr Leben verlieren, wenn Menschen viel zu früh sterben, wenn Menschen einander quälen und foltern, wenn Naturkatastrophen oder Unglücksfälle Menschen mitten aus dem Leben herausreißen, wenn Politiker ihre Macht missbrauchen, …….

Wie kann Gott das alles zulassen? Wo ist da etwas vom Reich Gottes zu spüren? Wo ist denn dieser große, allmächtige, allgütige Gott?

Auch wir erfahren immer wieder schmerzlich, dass Gott nicht eingreift, dass Gott der Welt so fern zu sein scheint. Auch an uns sind die Abschiedsreden Jesu gerichtet: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht!“ Jesus will auch uns mit diesen Reden Zuversicht schenken.

Zunächst ermahnt er uns, dass wir in Liebe an seinem Wort festhalten sollen. Wörtlich übersetzt heißt es sogar, dass wir sein Wort „bewachen“ sollen. Seine Worte sind ja sein Vermächtnis an uns – ja mehr noch: In seinem Wort, in seiner frohen Botschaft bleibt er auch nach seinem Weggang wirksam und heilend bei uns. Die Liebe bleibt über allen Tod hinaus – wenn wir das schon bei unseren Verstorbenen so erhoffen und spüren – wie sehr gilt dieses Versprechen dann von Gott! Gott und Jesus werden bei uns wohnen – welch enge Gemeinschaft! Stellen sie sich diese Wohngemeinschaft einmal ganz bildlich vor – was für eine Zusage!
Wir werden also nicht als Waisen zurückgelassen – im Gegenteil, auf ganz andere Weise bleibt Jesus da, ist weiterhin mit auf dem Weg, begleitet und ermutigt uns Menschen, denn der Vater wird in seinem Namen den Beistand, den Heiligen Geist senden.

Im griechischen Original heißt Beistand: „parakletos“, das ist der Herbeigerufene, der hilfreiche Berater, aber auch der Händehalter. Der Paraklet ist derjenige, der neben mir, der mit mir ruft. Wenn meine Kraft nicht mehr reicht, wenn alles Vertrauen und jede Hoffnung verloren ist, wenn ich nicht mehr beten kann, dann ruft und betet er immer noch mit mir, in mir, ruft wie Christus in seiner tiefsten Verlassenheit am Ölberg: Abba, du mein Vater. Dieser Beistand richtet die Lahmen auf, gibt ihnen Mut und Kraft zum Weitergehen. Dieser Beistand begeistert und gibt den Verzweifelten neue Hoffnung. Der Beistand wird das Werk Jesu fortsetzen, er wird uns lehren und uns an der Hand nehmen.

Bis jetzt sind das alles Zusagen, die helfen können, mit dem ganz persönlichen Schmerz, im ganz persönlichen Alltag besser fertig zu werden – im stillen Kämmerlein sozusagen. Doch Jesus gibt noch ein weiteres Versprechen: In jedem Gottesdienst hören wir diese Formel: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.“ Was ist damit gemeint? Schon unter den Aposteln war es immer wieder nötig, bei Konflikten nach Lösungen zu suchen – von einer beispielhaften Friedensverhandlung haben wir ja heute in der Apostelgeschichte (Apg 15, 1-2.22-29) gehört.

Auch heute setzen sich viele von uns für eine gerechtere und friedlichere Welt ein, sei es als Streitschlichter im Betrieb oder in der Familie. Immer mehr lassen sich zu Mediatoren ausbilden, um ihr Können in Schulen und Vereinen einzusetzen und gemeinsam mit den Konfliktparteien nach friedlichen Lösungen zu suchen. Da hat sich viel getan – Gott sei Dank!

Doch bei all unseren Bemühungen müssen wir immer wieder feststellen, dass unsere Welt weit entfernt ist von paradiesischen Zuständen. Wer vom Himmel auf Erden träumt, der wird immer wieder an diese Grenzen stoßen: Die Erde ist nicht der Himmel und wird es aus menschlicher Kraft wohl auch nie werden.

Doch Jesus schenkt uns auch da eine große Hoffnung, indem er uns seinen Frieden zuspricht. Dieser Friede ist mehr, als wir aus eigener Kraft erreichen können. Dieser Friede hängt untrennbar mit der Zusage der Liebe Gottes zusammen. Er ist mehr als nur ein Kompromiss, der unter Konfliktparteien ausgehandelt wurde. Wer im Innersten spürt, dass er in Gemeinschaft mit Gott lebt, dass Gott bei ihm wohnt, wovor sollte der sich noch fürchten?

Diese innige Verbundenheit mit Gott schenkt eine tiefe Zu-FRIEDEN-heit, ein Sich-rund-um-Wohlfühlen, ein Wohlsein, das von Gottes Liebe herkommt. In dieser Vereinigung brauche ich nichts mehr darüber hinaus, ich brauche nicht mehr um „Mehr“ kämpfen oder streiten, weil ich weiß, dass mein wahres Zuhause nicht hier auf Erden ist, weil ich spüre, dass alle Schätze dieser Welt verblassen müssen gegenüber diesem einen Schatz im Himmel.

Dieses „Mehr“ ist uns versprochen, dieser Friede ist nicht mehr nur vorläufig, ständig bedroht und immer wieder neu auszuhandeln. Dieser Friede von Jesus bedeutet für uns, dass das Reich Gottes, der Bereich des Friedens und der Liebe jetzt schon in unser Leben hinein strahlt. Auch wenn wir das Handeln Gottes so oft nicht verstehen, wir dürfen darauf vertrauen, dass ER wirklich das Gute für uns will. Wer sich ganz darauf einlassen kann, wer diesem gütigen Gott wirklich das eigene Schicksal in die Hand legen kann, der wird jetzt schon zu einem Handeln befreit, das nicht ängstlich auf die eigenen Vorteile schielen muss.

Jesus wertet mit diesem Versprechen unsere menschlichen Friedensbemühungen nicht ab, im Gegenteil, wir dürfen darauf hoffen, dass es mit Gott und bei Gott einen alles umfassenden und dauerhaften Frieden gibt. Dieser Friede Gottes, der uns jetzt schon geschenkt ist, diesen Frieden dürfen wir ausstrahlen, hinein in unsere Welt. Der Friede Gottes sei mit euch. AMEN

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten auf Das Vermächtnis Jesu – 6. Sonntag der Osterzeit C

  1. W sagt:

    Wie gut, dass es dieses Forum gibt. So kann ich die Predigten mit Muße lesen. Besonders bei dieser Predigt wäre mir beim bloßen Zuhören vieles entgangen.
    Dass wir die Worte Jesu „bewachen“ sollen gefällt mir sehr, auch wenn es andere Assoziationen hochkommen lässt. Ich denke da an das liebewolle Bewachen einer Mutter, wenn sie ihr Liebstes, ihr Kind, im Schlaf oder beim Spielen beobachtet.
    Die Worte Jesu sollten uns so kostbar sein, dass wir sie nie vergessen können, weil er uns liebt.
    Ähnlich geht es mir mit der Übersetzung des „Trösters“(Trösterin) als der, die uns an die Hand nimmt, wie es Liebespaare tun oder Eltern mit ihren Kindern.
    Vielen Dank!

  2. Kähny sagt:

    Die Antwort des Jesus Christus in unsere Zeit hinein :
    „… Leben heisst Lieben ohne Angst … !“
    Der Glaube an diesen Gott wird durch die faktische Geschichte einer harten Probe unterworfen.

    Dass die von allen Kirchen bis in die Neuzeit “ unterdrückten “ Frauen als d i e Wasser-Trägerinnen des Glaubens der Hoffnung auf den Christus treu bleiben, sollte den heutigen Klerikern Mut machen zur längst fälligen Veränderung – hin zu SEINER Kirche.
    Die war schon vor 2000 Jahren anders gedacht als das,an was sich die Theologen bis heute klammern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 2 = 7

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>