Was zählt? – 1. Fastensonntag C

Erste Lesung aus dem Buch Deuteronomium, Kapitel 26
Mose sagte zu ganz Israel: Höre Israel!
1 Wenn du in das Land, das der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt, hineinziehst, es in Besitz nimmst und darin wohnst,
2 dann sollst du von den ersten Erträgen aller Feldfrüchte, die du in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt, eingebracht hast, etwas nehmen und in einen Korb legen.
4 Dann soll der Priester den Korb aus deiner Hand entgegennehmen und ihn vor den Altar des Herrn, deines Gottes, stellen.
5 Du aber sollst vor dem Herrn, deinem Gott, folgendes Bekenntnis ablegen: Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk.
6 Die Ägypter behandelten uns schlecht, machten uns rechtlos und legten uns harte Fronarbeit auf.
7 Wir schrien zum Herrn, dem Gott unserer Väter, und der Herr hörte unser Schreien und sah unsere Rechtlosigkeit, unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis.
8 Der Herr führte uns mit starker Hand und hoch erhobenem Arm, unter großem Schrecken, unter Zeichen und Wundern aus Ägypten,
9 er brachte uns an diese Stätte und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließen.
10 Und siehe, nun bringe ich hier die ersten Erträge von den Früchten des Landes, das du mir gegeben hast, Herr. Wenn du den Korb vor den Herrn, deinen Gott, gestellt hast, sollst du dich vor dem Herrn, deinem Gott, niederwerfen.

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 4
1 Erfüllt vom Heiligen Geist, verließ Jesus die Jordangegend. Darauf führte ihn der Geist vierzig Tage lang in der Wüste umher,
2 und dabei wurde Jesus vom Teufel in Versuchung geführt. Die ganze Zeit über aß er nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger.
3 Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.
4 Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot.
5 Da führte ihn der Teufel auf einen Berg hinauf und zeigte ihm in einem einzigen Augenblick alle Reiche der Erde.
6 Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will.
7 Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören.
8 Jesus antwortete ihm: In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
9 Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab;
10 denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich zu behüten;
11 und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, / damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
12 Da antwortete ihm Jesus: Die Schrift sagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
13 Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel für eine gewisse Zeit von ihm ab.

Autorin:
Bild_Lerke1Maria Lerke, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Was zählt?

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Unterm Strich zähl ICH“ – wer kennt ihn nicht, diesen knackigen Spruch aus der Werbung. Eine junge Frau liegt auf einer blühenden Wiese, riecht an einer Kleeblüte, saugt den Duft dieser unscheinbaren Futterpflanze tief in sich hinein … – im Einklang mit der Natur Sein, Erfüllung, Wellness für Körper und Seele, Freizeit, Frieden, Wohlergehen – all das geht einem durch den Kopf, beim Betrachten und dann, ganz klein in der Ecke, finde ich den Hinweis auf das Geldinstitut, das für all das zuständig sein soll. Wie schön, soll ich wohl denken, diese Bank tut was für mich, für mich ganz persönlich, da zählt nicht nur die Gewinnmaximierung oder all das, was sich im Jargon der Finanzwelt so mysteriös anhört, da zählt nicht nur das Geld, das unterm Strich ja ICH einzahlen muss! – nein, da zähl ICH!

Wir stehen jetzt am Beginn der Fastenzeit. Viele wollen die Zeit nutzen für eine Fasten- oder Entschlackungskur, manche überlegen sich, wie sie diese überschaubare Zeit für eine Umorientierung nutzen, oder wie sie in den 40 Tagen vor Ostern wieder bewusster und intensiver ihren christlichen Glauben in die Tat umsetzen können.

Fastenzeit – es ist wieder Zeit, um mit mir selber und mit Gott ins Reine zu kommen.

Fastenzeit, eine Zeit in der ich Bilanz ziehe, in der ich frage: Wo steh ich gerade, was steht bei mir im Vordergrund, was steht bei mir unterm Strich, wenn ich zusammenzähle?

Fastenzeit, die Zeit in der ich frage: Wohin bin ich eigentlich unterwegs, was schleppe ich alles mit mir rum, was kann ich, was sollte ich loslassen? Wo finde ich Kraft und Schwung um dorthin zu kommen, wo Gott mir einen Platz bereitet hat? Wo finde ich Raum in Gottes Reich?

In den biblischen Texten des heutigen ersten Fastensonntags finden wir Impulse für eine solche Überprüfung, für einen solchen Lebens-Check.

Im Buch Deuteronomium haben wir in Kurzform das Glaubensbekenntnis des Volkes Israel gehört. Sie bringen darin auf den Punkt, was für sie unterm Strich rausgekommen ist, als sie sich auf diesen Gott eingelassen haben. Sie, die als heimatlose Aramäer unterwegs waren, wurden von Gott gerettet, befreit und durch die Wüste in das Land geführt, in dem Milch und Honig fließen. Diesem Gott bringen sie ihre Erstlingsfrüchte, vor diesem Gott werfen sie sich nieder und bekennen damit, dass sie ihre Existenz ganz und gar IHM verdanken.

Im heutigen Evangelium ging es auch um so eine Art „Lebens-Check“. Jesus war nach der Taufe durch Johannes am Jordan vom Heiligen Geist in die Wüste geführt worden. 40 Tage lang ist er der Natur sich selbst und Gott ausgesetzt. Keine Ablenkung, nur die Frage, wie es nun weitergehen soll; er sucht nach Klarheit, ringt mit sich und den teuflischen Versuchungen, vor denen nicht einmal er verschont blieb. Auch hier ist Jesus ganz Mensch.

Und wie „menschlich“ diese Versuchungen waren, das können wir sehr gut nachempfinden.
Als erstes will der Versucher Jesus mit einem Kompliment um den Finger wickeln: „Wenn Du Gottes Sohn bist…“ – wie ehrenvoll, wie schmeichelhaft, der weiß, wen er vor sich hat. Dann versucht der Versucher Jesus auch noch bei seiner Ehre zu packen: „Du brauchst doch nicht zu hungern, das kann doch für dich als Gottes Sohn kein Problem sein! Du könntest Dich sogar von der höchsten Tempelzinne in die Tiefe stürzen, ohne dass dir was passiert. Gott wird seine schützende Hand über dich halten – so steht es in der Heiligen Schrift! Das wäre sensationell, die Leute würden Dir zujubeln und scharenweise folgen! Nach so einem Wunder würden sie an deiner Echtheit sicher nicht mehr zweifeln.“

Echtheitsbeweise – auch wir fordern sie immer wieder. Das fängt bei den Hausaufgaben an, und geht bis hin zur Doktorarbeit, immer wieder können da Zweifel über die wahren Verfasser auftreten. Auch in der Lebensmittelbranche müssen wir immer wieder überprüfen, ob auch das drin ist, was oben drauf steht. Schwierig wird es, wenn wir Freundschaften oder Beziehungen auf ihre Echtheit hin überprüfen, oder wenn wir meinen unsere Liebe beweisen zu müssen. Wo bleibt da das Vertrauen?

Auch von Gott fordern wir immer wieder Echtheitsbeweise: Wenn Gott allmächtig und gütig ist, warum gibt es dann all das Leid? Warum immer noch diese Katastrophen? Wenn es einen Gott gibt, dann könnte er doch … Ach wenn doch ein Wunder genauso geschehen würde, wie wir uns das wünschen, dann würde uns der Glaube an Gott sicher leichter fallen!

Gott auf die Probe stellen, sich über Gott stellen – unter Gottes Wirken einen Strich ziehen – Versuchungen, die auch wir kennen.

Sicher ist es wichtig, dass wir unsere Wünsche und Bitten formulieren. Der Wunsch nach Mehr, nach mehr Lebensqualität, nach mehr Gesundheit, nach mehr Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden – all diese Lebenswünsche treiben uns an und machen uns Mut, etwas zu schaffen und auf die Beine zu stellen. Beliebt sein und bewundert werden – wer will das nicht – wer braucht das nicht, um sich in seiner Haut wohl zu fühlen, um zu spüren, dass sie, dass er wertvoll ist?

Jesus widersteht diesen Versuchungen – Gott muss ihm seine Liebe nicht erst durch ein Brotwunder beweisen. Er vertraut ganz und gar dem Versprechen, dass er ihn als Sohn liebt, so wie die Stimme aus der Wolke es bei seiner Taufe am Jordan vor aller Welt bekannt hat. Jesus braucht den Jubel der Menschen nicht für sich; er will sie nicht für sich, sondern für das Reich Gottes gewinnen.

So widersteht Jesus auch der Versuchung, die Welt zu beherrschen. Er hätte seine göttlichen Begabungen sicher auch für seinen eigenen Vorteil nutzen können. Als wahrer Mensch hatte auch er die Möglichkeit der freien Entscheidung, die Qual der Wahl! Doch in diesen 40 Tagen in der Wüste, in dieser Zeit des Umherirrens, in dieser Zeit der Grenzerfahrungen ist ihm klargeworden, dass er nicht wie Gott sein wollte, sondern dass er ganz in Gott und für Gott leben wollte. Nicht er selbst wollte groß rauskommen, er wollte seine ganzen Begabungen und seine Kraft zur Ehre Gottes des Vaters einsetzen. Darin erkannte er seine Sendung. Davon ließ er sich nicht abbringen, obwohl die Angebote sicher auch für ihn verlockend waren. Selbst als für ihn unterm Strich „nur“ der Tod am Kreuz übrig blieb, fand er in dieser Liebe zum Vater seinen letzten Halt.

Was zählt für uns – was steht für uns unterm Strich?

In ganz besonderer Weise hat sich unser Papst Benedikt vergangene Woche dieser Lebensfrage stellen müssen und ich habe Hochachtung vor seine Entscheidung.

Immer wieder dürfen und müssen auch wir uns entscheiden. Immer wieder stellt uns das Leben vor die Frage, was uns wichtig ist: rausholen was geht? – alle Möglichkeiten an Genuss, Bewunderung und Macht ausschöpfen? Oder wollen wir danach fragen, wozu Gott uns dieses Leben und all unsere Begabungen geschenkt hat? Welche Aufgabe er uns zutraut, welchen Raum wir in seinem Reich jetzt schon ausfüllen können? Was für uns jetzt gerade dran ist?

Selbstverwirklichung ist für unser Leben unbedingt wichtig. Aber als Christen dürfen wir das Ziel noch viel weiter hinaus stecken. Wir können viel mehr erreichen, als uns nur innerweltlich einzurichten, auch wenn die Werbung uns vormacht, das höchste Glück sei es, wenn man seinem Klassenkameraden nach Jahren die Fotos von der Frau, vom Haus, vom Auto und der Segeljacht hinwerfen kann.

Das soll alles sein, was unterm Strich rauskommt?

Wir Christen dürfen da viel mehr erhoffen, wenn wir uns auf Gott einlassen, wenn wir uns ihm und seiner väterlichen Führung anvertrauen. „Unterm Strich zähl ich“, wir sind ihm wichtig, er lässt keine und keinen untergehen. Auch wenn wir meinen, ins Bodenlose zu fallen – seine Hand ist da, um uns aufzufangen.

Dass wir diese Zusage tief in uns einsaugen, dazu will uns die vorösterliche Bußzeit einladen.

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2 Antworten auf Was zählt? – 1. Fastensonntag C

  1. Benedikta Hellrung sagt:

    Liebe Frau Lerke,
    nach längerer Zeit habe ich mal wieder im Internet die Frauenpredigten angeklickt und war sehr erfreut, Ihre Predigt zum 1. Fastensonntag zu lesen. Bei uns wurde der
    (sehr) lange Hirtenbrief von Bischof Gebhard vorgelesen. Mir fehlte gerade nach dem Rücktrittsplan von Papst Benedikt der aktuelle Bezug.
    „Was zählt unterm Strich ? —Ich „. Herzlichen Dank für diese Stärkung unseres Selbstbewußtseins im Glauben.
    Liebe Grüße
    Benedikta Hellrung

  2. Lila sagt:

    Vielen Dank für diese aktuelle, aufbauende und erhellende Fastenpredigt. Mir ging es mit dem Fastenhirtenbrief unseres Bischofs ähnlich wie Frau Hellrung. Das Sonntags-Evangelium wurde nicht mal erwähnt, geschweige denn eingebaut. Wahrscheinlich gab es nicht mal die „Versuchung“ zu einer solchen Aktualisierung. Wie gut, dass es die Frauenpredigten gibt.

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