Durch Ängste zu neuem Vertrauen – 33. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 13
In jener Zeit antwortete Jesus seinen Jüngern Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas:
24 In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen;
25 die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
26 Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen.
27 Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.
28 Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.
29 Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr all das geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht.
30 Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft.
31 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
32 Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
33 Seht euch also vor und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.

Autorin:
Foto_Jutta_Schnitzler-Forster-225x300Jutta Schnitzler – Forster, verheiratet, zwei Söhne, Gemeindereferentin in Ulm,
Bildungsreferentin und Organisationsberaterin

 
Die Predigt:
Durch Ängste zu neuem Vertrauen

Liebe Leserin, lieber Leser,
2012 – in diesem Jahr höre ich das Evangelium vom Ende der Zeit mit neuer Aufmerksamkeit. Vor allem Jugendliche kennen den gleichnamigen Film. Weltuntergang, als inszenierte Katastrophe, ist für die Filmindustrie ein reizvolles Motiv, mit dem man viel Geld verdienen kann.
Was ist daran so faszinierend? Plötzlich passiert das Unvorstellbare: Die Welt, alles was wir kennen und lieben, es bricht weg, fällt zusammen, birst, platzt, zersplittert. Das Ende ist gekommen und zeigt sich mit voller Macht.
Die Bilder des Films sind gigantisch: Die Erde hebt sich, riesige Gräben brechen auf und verschlingen alles, Magma tritt aus und lässt die Erdkruste schmelzen. Das erleben die Protagonisten beim Einkaufen, auf der Autobahn, bei ganz alltäglichen Dingen. Das völlig Unwirkliche bricht schockartig über alle herein. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Die tollen Spezialeffekte nehmen die Zuschauer mit hinein in den Untergang. Man ist mittendrin, geschockt, stellenweise erleichtert. Auf jeden Fall wird Adrenalin ausgeschüttet, das ist Spannung pur.
Die Filmemacher kennen wohl die biblische Vorlage. Auch im Film geht es angesichts des Endes um gut und böse. Einige werden gerettet und bekommen eine Chance zum Weiterleben. Der Untergang der Erde ist nicht das Ende für alle. Das schenkt – ganz biblisch – Hoffnung!

Der Gedanke an das Ende unserer Zeit elektrisiert auch heute viele Menschen. Fast scheint es, als gäbe es den Wunsch, dass nicht nur für jeden persönlich, sondern auch für die Menschheit etwas Neues anbrechen möge. Die Sehnsucht nach etwas Neuem und Besserem, sie ist ein starkes, fast schon religiöses Gefühl.
Für die Menschheit ist die Hoffnung unauslöschbar, dass es immer irgendwie weiter gehen wird, dass es immer eine Zukunft gibt.
Aber die Zeit für uns persönlich und auch für unsere Erde ist, nach allem, was wir wissen und erleben, endlich. Das Ende wird kommen – das unserer Erde, vielleicht erst in vielen Millionen von Jahren. Unser persönliches Ende wird sehr viel früher sein und den Gedanken daran verdrängen wir oft.

Für uns Menschen ist es eine große Chance, die Fragen nach dem Ende stellen zu können und dadurch auch unseren Ängsten zu begegnen. Sie sind es, die diese Gedanken so unerträglich machen. Die Angst vor dem Unbekannten, die Angst vor Schmerzen und Leiden, die Angst, ob und wie es weiter geht nach dem Tod und nicht zuletzt die Frage, ob es eine Rolle spielt, wie jemand gelebt hat, ob er „gut“ oder „böse“ war.
Aber nicht nur am Ende des Lebens erleben wir Ängste. Schon Kinder haben viele Ängste und je älter wir werden, je mehr werden uns die Gefahren und Bedrohungen des Lebens bewusst. Die Ängste werden im Laufe des Lebens konkreter und benennbarer, aber leider nicht automatisch weniger.
Eine häufige Angst, die viele erleben, ist die, dem Alltag nicht mehr gewachsen zu sein, oder plötzlich schwer krank zu werden, einen schrecklichen Unfall zu haben. Auch die Angst einen geliebten Menschen oder gar das eigene Kind zu verlieren, ist groß.
Ein Leben ohne Angst gibt es nicht. Daher ist es gut, die Angst als Begleiterin zu akzeptieren, obwohl sie alles andere als angenehm ist. Angst macht klein. Angst lähmt. Angst lässt verharren.

Auch von Jesus wird berichtet, dass er Angst hatte, gerade auch vor seinem eigenen Tod. Was kann uns wirklich helfen, so zu leben, dass unsere Ängste kleiner werden, dass unser Leben immer mehr Freiheit atmet und uns befähigt, dem Tod ohne Panik entgegenzublicken?

Martin Luther King hat ein hilfreiches Bild geprägt, um Angst zu überwinden:
„Wir müssen immerfort Deiche des Mutes gegen die Angst bauen.“
Als schwarzer Bürgerrechtler, der die Rassentrennung in den USA mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern überwinden wollte, waren die Ängste vor Misshandlungen, Gefängnis und Ermordung sehr konkret. Sie mussten lernen, trotz dieser Ängste zu handeln. Vielleicht gelang dies, weil sich die schwarze Bevölkerung und alle Rassentrennungsgegner gegenseitig immensen Rückhalt geben konnten. Sich mit anderen zusammenschließen angesichts der Angst, ist eine uralte Strategie, die wir in unserer vereinzelten Gesellschaft oft vergessen.

Wie baut man „Deiche des Mutes“?
Psychologen haben das Gefühl der Angst erforscht und nennen konkrete Möglichkeiten für den Alltag. So wird Angst beispielsweise immer dann kleiner, wenn wir uns dem Problem oder der Herausforderung stellen und die Sache aktiv angehen, mit der die Angst verbunden ist. Man sollte sich klar machen: Was genau ist die Angst? Welchen Namen will ich ihr geben oder in was möchte ich sie gedanklich verwandeln? So ist die Angst nicht länger ein Teil in mir, die mich besetzt und auffrisst, ich bekomme wieder Luft zum freieren Atmen.
Wie das Beispiel von Martin Luther King zeigt, ist es erwiesen, dass Ängste kleiner werden, wenn wir uns mit anderen Menschen verbunden wissen und Rückhalt erleben. Daher sollten wir mit einigen Menschen gut in Kontakt sein – in guten und weniger guten Zeiten.
Wirksame Maßnahmen gegen die Angst sind auch Humor und Optimismus. Selbst in extrem belasteten Situationen kann es hilfreich sein, mit Lachen und Witz Distanz zu schaffen und das Spielerische nicht ganz zu verlieren.
Um Ängste einzudämmen, ist es gut, unseren Perfektionismus aufzugeben. Ich darf so gut sein, wie ich kann, aber ich muss nicht perfekt sein! Das nimmt die Angst und macht menschlich.
Menschen, die für ihre eigenen Bedürfnisse gut sorgen und sich selber mit Achtung begegnen, sind weniger anfällig für Ängste.
In einem Gespräch über den Umgang mit Ängsten könnten sicher auch Sie, liebe Leserin und lieber Leser, noch hilfreiche Strategien nennen!

Schön ist es, wenn wir sagen können, im Laufe meines Lebens sind meine Ängste weniger geworden, dafür ist mein Vertrauen in das Leben gewachsen. Bewundernswert ist es, wenn sich jemand gehalten weiß, wenn wichtige Dinge weg brechen und ein Neuanfang für das eigene Leben gesucht werden muss.
Die eigenen Ängste los zu lassen, tief im Innern Zuversicht und Geborgenheit zu spüren, das ist für mich großer Glaube.
Vielleicht helfen die kleinen Strategien im Alltag, sich dem großen Glauben zu nähern. So entsteht Mut und Hoffnung, auch wenn sich das Ende zeigt und alles unterzugehen droht.

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Eine Antwort auf Durch Ängste zu neuem Vertrauen – 33. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Kähny sagt:

    6-8 Mio Jahre “ existenzielle Unsicherheit „,
    liebe Frau Schnitzler-Forster,
    auf 6-8 Mio Jahre datieren die Forscher die ersten menschenähnlichen „Plazenta-Tiere “ zurück:
    Zur „Wachheit“ rät unser HERR.
    Sie sagen „Achtsamkeit“:
    Mit allen Sinnen “ für das Leben und gegen die Gier „:
    “ … Angst fressen Seele auf… !“.
    Vielen Dank für Ihre Frauenpredigt.
    KH.Kähny

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