Die Macht ist mit ihm – Christkönigssonntag / 34. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 18
33b In jener Zeit fragte Pilatus Jesus: Bist du der König der Juden?
34 Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt?
35 Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein eigenes Volk und die Hohenpriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan?
36 Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.
37 Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.

Autorin:
M. Rings-Kleer
Marita Rings – Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken – Malstatt, Bistum Trier

 
Die Predigt:
Die Macht ist mit ihm

Liebe Leserin, lieber Leser,
vor wenigen Wochen habe ich zufällig den Anfang eines Films gesehen. Und gleich im ersten Satz hieß es: „Präsident Pieter Botha hat in den letzten Jahren die größte Armee Südafrikas aufgebaut und schickt sich nun an, mit dieser militärischen Übermacht die Nachbarländer zu erobern“:
Das war 1978.

Zur gleichen Zeit sitzt auf der Gefängnisinsel Robben Island ein politischer Häftling schon 14 Jahre in Haft und wird allmählich von der Weltöffentlichkeit vergessen. Zwei Männer stehen sich im Südafrika der siebziger Jahre gegenüber: der moderne König Botha, übermächtig mit all seinen Waffen und ein Häftling, Nelson Mandela, ohnmächtig, gefangen und hilflos.

Ich selbst kann mich noch sehr gut an diese Zeit erinnern und es schien ganz sicher, wer diesen Machtkampf gewinnen würde. Doch dann stolperte der mächtige Mann über ein Kind: Bei einem Protestmarsch von schwarzen Schülern in Soweto, in einem schwarzen Ghetto, einem sogenannten Homeland, erschossen Sicherheitskräfte einen Schüler. In einer Diktatur kaum der Rede wert und von dem damals mächtigsten Mann Afrikas wohl auch unterschätzt, löste der Tod dieses Kindes eine weltweite Protestwelle aus. Mit einem Schlag hatte sich alles geändert.

Es dauerte zwar noch weitere 12 Jahre bis 1990 eine Politik der Gerechtigkeit, der Gleichbehandlung der Schwarzen und der Versöhnung in Gang kam, aber Präsident Botha hatte bis dahin längst seinen Hut nehmen müssen und der ohnmächtige Häftling war längst zum charismatischen Führer einer neuen gewaltfreien Politik geworden und später sogar Präsident des Landes.
Doch in dem Augenblick, in dem sich Pieter Botha und Nelson Mandela gegenüber waren, konnte niemand ahnen, wie sich alles entwickeln würde.

Auch als Jesus und Pilatus sich gegenüberstanden: der mächtigste Mann Palästinas und der ohnmächtige Gefangene aus Nazareth, konnte niemand wirklich sagen, wie dieses Treffen enden würde.
Das, was wir tagtäglich erleben, ist, dass die Macht der Mächtigen in der Regel eine Macht ist, die durch Gewalt, sprich Waffen und durch Geld, sprich Korruption und Vorteilsnahme, erreicht und stabilisiert wird.

Die Mächtigen aller Zeiten kennen keine Skrupel oder Rücksichten, nur die eigenen Interessen zählen.
Mit Gewalt an die Macht zu kommen und mit brutaler Gewalt an der Macht zu bleiben, war und ist immer noch der gängigste Weg, „König“ zu werden.
Demgegenüber steht Jesus und in den beiden Jahrtausenden nach ihm eben Menschen wie Nelson Mandela oder auch Mahatma Ghandi oder Dietrich Bonhoeffer und viele andere.
Ihre Macht kommt nicht von Waffen und Gewalt, von Armeen oder Geheimdiensten, im Gegenteil: sie lehnen all das ab, weil dieser Weg immer nur Opfer fordert, egal von wem er beschritten wird und auch dann, wenn er einem „guten“ Zweck dienen soll.

Und trotzdem geht von ihnen Macht aus, trotzdem sind die scheinbar Ohnmächtigen mächtig. An Jesus wird dies sogar sehr deutlich: Von ihm geht eine solche Macht aus, die sogar Pilatus spürt und derentwegen er Jesus lieber freilassen möchte als töten.

Auch von Nelson Mandela ging eine solche Macht aus, dass die weißen Machthaber ihn 26 Jahre lang auf einer Insel wegsperrten, damit niemand sich an ihn erinnern sollte. Von vielen Widerstandskämpfern im 3. Reich ging ebenfalls eine Kraft aus, die scheinbar nur durch deren Tod zu bändigen war.

Was aber ist das für eine Macht, für eine Kraft, was macht Jesus und diese Menschen zu wahren Königen?
Ich denke, ihre Macht kommt daher, dass sie ihre eigenen Interessen zurückgestellt haben, und stattdessen das Wohl ihrer Mitmenschen, das Wohl einer Gruppe oder eines Volkes im Blick hatten.
Und nicht nur das, sie sind sogar bereit, ihr Leben zu geben für das, was ihnen wichtig ist.

Viele der Menschen, die dazu bereit waren und sind, haben ihren Weg auch tatsächlich mit dem Leben bezahlt. Aber die Kraft und die Macht, die sie ausstrahlten ging dadurch nicht verloren, sondern sie wurde stärker.Sie wurde in dem Maß stärker, indem sie das Irdische verloren und so an Gottes Geist und an Gottes Kraft gewannen. Oder, wie wir modernen Menschen es ausdrücken würden: die Macht Gottes wurde stärker in ihnen.

Gott, an den wir als den All-Mächtigen glauben, er gibt den Menschen, die diesen Weg gehen, von seiner Macht ab und macht sie so zu Mächtigen, zu Königen. Nicht aus ihnen selbst heraus wächst die Macht, sie wird von Gott gegeben. Das sagt Jesus schon Pilatus zu: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht vom Vater gegeben wäre. Auch Jesu Macht kommt von Gott und an ihm können wir ablesen, wie das geschieht:
so, wie in seinem Leiden und Sterben seine irdische Kraft abnahm, wurde seine göttliche Macht stärker. Sie konnte selbst durch den Tod nicht gestoppt werden und wurde so groß, dass wir ihn bis heute als König aller Zeiten und aller Völker besingen.

Man könnte jetzt einwenden, dass es eine Menge großer Könige gibt, die wir besingen, aber ihre Macht ist fast immer eine Macht der Gewalt und das ist der Unterschied zur Macht Jesu: Sie wächst aus der Liebe heraus. So hat Jesus aus Liebe zu Menschen den Tod auf sich genommen, so ist Nelson Mandela aus Liebe zu seinen unterdrückten Landsleuten den langen Weg in die Freiheit gegangen, so haben sich die vielen Widerstandskämpfer des 3.Reiches aus Liebe zu ihren Mitmenschen und auch aus Liebe zu Gott gegen das große Unrecht aufgelehnt. Und am Ende war die Macht, die ihnen zuwuchs, stärker als Tod, Terror und Ungerechtigkeit.

Und: Gott hat bis heute nicht aufgehört, Menschen mit seiner Macht auszustatten. Immer dann, wenn sie sich selbst zurücknehmen und wenn die Liebe sie leitet, dann sind sie, dann sind wir, in dieses göttliche Geschehen mit hineingenommen. Auch in uns wächst dann sein Geist und seine Kraft, oder wie es heute heißt: dann wird seine Macht auch mit uns sein.

Sie macht uns nicht zu Königinnen und Königen, Jesus ist unser König, aber sie gibt uns die Möglichkeit, an seinem Königreich der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit mitzuarbeiten oder, wie es in Südafrika, dem Land Nelson Mandelas heißt: am Königreich des Himmels.

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2 Antworten auf Die Macht ist mit ihm – Christkönigssonntag / 34. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Hans Klein sagt:

    Die Übersetzung bzw. Interpretation von anothen/desuper in Joh 19,11 mit „Vater“ empfinde ich als irreführend. Eher sollte man da an den Kaiser Tiberius denken, von dem sich Pilatus wegen eines Komplottes in Acht nehmen mußte. Die Volksmasse setzte ihn damit unter Druck: „kein Freund des Kaisers“.

  2. Kähny sagt:

    Ist Jesus,der leidende Gott, nicht g a n z Gott,wenn Er vor Pilatus steht ?

    Uns ist Er für uns Christen nicht allein deshalb u n s e r Gott,weil Er DER-MIT-UNS-LEIDENDE- GOTT ist,der,
    ganz richtig,liebe Frau Rings-Kleer,

    die Macht ( -auch der Theokraten (!)) in ihre Schranken weisst:
    nach SEINEM Willen ?
    KH.Kähny

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