Was würde Jesus jetzt tun? – Heiliger Martinus / 11. November 2012

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 25
31 Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen.
32 Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet.
33 Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken.
34 Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist.
35 Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen;
36 ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.
37 Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben?
38 Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben?
39 Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

Autorin:
Bild_Lerke1Maria Lerke,
Pastoralreferentin,
Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Was würde Jesus jetzt tun?

Liebe Leserin, lieber Leser,
der November mit seinen grauen, dunklen und nebligen Tagen schlägt vielen Menschen auf das Gemüt. Nicht nur in der Natur stehen alle Zeichen auf Abschied – auch die vielen Totengedenktage wollen uns mahnen und daran erinnern, dass auch unserem ganz persönlichen Leben, so wie allem Irdischen einmal ein Ende gesetzt werden wird.
Und was kommt dann? – Die wohl brennendste Frage aller Zeiten.
Im Evangelium haben wir gerade eben eine Antwort erhalten:
Am Ende der Tage wird der Menschensohn als König, Hirt und Richter erscheinen und die Völker der Erde versammeln. Das Gericht wird die Guten ebenso überraschen wie die Bösen. Quer durch alle Völker und Gruppierungen hindurch wird gerichtet, die Guten werden von den Bösen geschieden. Dieses Bild vom Gericht macht auf den ersten Blick schon Angst. Mir fallen da auch sofort Bilder vom „jüngsten Tag“ ein, oftmals in Wallfahrtskirchen eindrucksvoll an die Decke gemalt: oben werden die Guten von Engeln ins Paradies geleitet und unten ziehen und zerren Figuren mit teuflischen Fratzen die Bösen in den dunklen Untergrund.
In der Rede vom Weltgericht bei Matthäus ist aber Gott-sei-Dank auch von einer großen Hoffnung die Rede:
Das Ende unserer Zeit liegt nicht im Ungewissen – am Ende der Zeit ist Begegnung – wir werden Christus begegnen, er wird wiederkommen.

Nicht irgendwelche dunklen Mächte oder Gewalten oder Katastrophen, sondern Jesus Christus steht im Mittelpunkt am Ende der Zeit. Unsere Zeit, damit auch unsere Zukunft steht ganz und gar in Gottes Händen. So sind die Christlichen Gerichtsbilder immer auch Hoffnungsbilder, und zwar nicht nur für die Zukunft, sondern auch für das Heute.

Im Evangelium vom Welt-Gericht wird nicht nach dem Glauben, auch nicht nach der Zugehörigkeit zu einer Kirche gefragt. Das entscheidende Kriterium wird sein, wie sehr ein Mensch einen Nachbarn und seinen Nächsten in Not erkannt hat, ihm beisteht, ihm hilft und ihm seine barmherzige Liebe schenkt.
Anders als an anderen Stellen des Evangeliums spielt das ausdrückliche Bekenntnis zu Jesus Christus, oder eine bewusste Nachfolge in diesem Abschnitt keine Rolle.
Die Gerechten sagen ausdrücklich, dass sie in den Armen und Kranken Jesus nicht erkannt haben.
Erstaunt, ja regelrecht verblüfft fragen sie:
Herr, wann haben wir dich hungrig, durstig, krank oder nackt gesehen und hätten dir geholfen?“ Und doch sagt ihnen der Herr. „ … das habt ihr mir getan“, und er stellt sie zum Lohn auf die rechte Seite.
Er belohnt den Dienst derer, die nicht um des Lohnes willen gedient haben und die gerade mit ihrer Ahnungslosigkeit beweisen, aus welch reinen und uneigennützigen Motiven heraus sie gehandelt haben.
Im Gericht wird nicht nach einer geglaubten Lehre gefragt, sondern nach dem Handeln, nach dem gelebten Ja zum Nächsten in Not und Bedrängnis.

Der Weg zu Gott führt über den Menschen neben mir. So wird der Notleidende zum Sakrament Gottes, in dem ich Jesus Christus am Dichtesten erfahre.
Und genau das ist die Haltung, die im Leben des Heiligen Martin deutlich wird: Als junger Mann teilt er am Stadttor von Amiens seinen Mantel mit einem Bettler. Eine Geste, schlicht und klar. Unüberlegt, ohne Berechnung teilt er, gibt er der Liebe Raum. Im Grunde genommen ist es nichts Spektakuläres, eine Tat, wie sie jeder von uns nachahmen kann! Das ist keine Überforderung. Martin hat sich nicht selbstlos aufgeopfert; er hat „nur“ geteilt. Er hat zwar eine Mantelhälfte abgegeben, die andere hat er aber selbst behalten. Sonst wäre er womöglich selbst erfroren. Beiden, dem Bettler und ihm war geholfen! Martin hat ganz aus seinem Herzen heraus gehandelt. Interessant ist, dass er sich erst jetzt taufen ließ, nach dieser Tat und nachdem ihm Christus im Traum erschienen war. Erst der Liebesdienst und dann das Bekenntnis!
Genau hier offenbart sich eine Wahrheit unseres christlichen Glaubens: Es gibt keine Gottesbeziehung, die am Nächsten vorübergehen kann. Es gibt keine Christus-Bindung, ohne dass mich die Not des anderen Menschen bewegt und anrührt.
Ein Bekenntnis, das sich nur um das Heil der eigenen Seele sorgt, das sich vom Glauben nur etwas für sich selbst erhofft, greift zu kurz.

Die christliche Kunst hat Martin als Soldaten mit dem Schwert dargestellt. Tatsächlich war er beständig im Kampf. Eigentlich wäre er gerne Einsiedler oder Mönch geworden. Die Legende sagt, dass er sich versteckt habe, als er zum Bischof berufen werden sollte, aber schnatternde Gänse hätten ihn verraten. Er ist dann seiner Berufung gefolgt und musste gegen viele heidnischen Bräuche und abergläubische Missbräuche ankämpfen. Doch das Schwert steht hier nicht für die Art, wie er kämpfte. Er benutzte das Schwert lediglich am Beginn seines Glaubensweges zur Teilung des Mantels. Von da an benutzte er es nicht mehr. Seine Waffen waren Güte, Barmherzigkeit, Gespräche und Besuche.
Eine Kraftquelle für ihn war sicherlich das Gebet. Sulpicius Severus, der über das Leben des Heiligen Martins schrieb, berichtet:
„Auch wenn er las oder sonst mit einer Arbeit beschäftigt war, ließ sein Geist doch nie vom Gebet ab. Wie ein Schmied bei seiner Arbeit immer wieder den Hammer auf den Amboss fallen lässt, so betete Martin ohne Unterbrechung, auch wenn er anscheinend etwas anderes tat … In seinem Mund war nichts anderes als Christus, in seinem Herzen wohnten nur Güte, nur Friede, nur Erbarmen.“
Martin starb am 8. November 397 auf einer Reise, die er bereits krank unternommen hatte, um unter streitenden Klerikern Frieden zu stiften. Drei Tage später wurde er in Tours begraben. Ein Biograph hat über ihn folgendes gesagt: „Du wahrhaft seliger Mann, in dir war keine Hinterlist, niemanden hast du gerichtet, niemanden verdammt, keinem Böses mit Bösem vergolten!“

So war und ist Martin von Tours eine große Lichtgestalt, ein großes Vorbild in unseren Tagen. Viele Bräuche erinnern heute an ihn – angefangen von der Martinsgans bis hin zu dem großen Spektakel eines Martinimarktes.
Ein besonders schöner Brauch am Martinstag ist ja das Laternelaufen.
„Ein Lichtermeer, zu Martins Ehr“, so heißt es in einem Martinslied.
Lichter anzünden inmitten einer dunklen und kalten Welt, das Licht leuchten lassen und sich mit vielen verbinden – welch symbolkräftiger und schöner Brauch!
Der Heilige Martin hat durch seine spontane Tat und durch sein Leben gezeigt, wie es nicht nur im symbolischen Sinn hell und warm werden kann, sondern sehr real mitten im Leben! Ohne Zögern und ohne Vorbehalt ist er der Stimme seines Herzens, der Stimme der Liebe gefolgt und brachte so Licht in das Leben des Bettlers und auch in sein eigenes. Er hatte eine Gotteserfahrung, wie sie intensiver wohl gar nicht sein könnte, indem er erkannte, dass ihm im Notleidenden Christus selbst, höchst persönlich! – begegnet war.

Gerade für unsere Diözese Rottenburg – Stuttgart, die ja unter den Schutz des Heiligen Martin gestellt wurde, ist die Mantelteilung nicht nur eine schöne Erinnerung sondern eine ganz besondere Herausforderung. Seit fünfundzwanzig Jahren gibt es in der Diözese eine große Spendenaktion unter dem Namen: Der geteilte Mantel, womit hauptsächlich Projekte für Arbeitslose und ihre Familien gefördert werden. Vieles ist natürlich auch da nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein!
Aber trotzdem, gerade heute, am Martinsfest werden wir wieder eingeladen, der Stimme unseres Herzens zu folgen und ihr auch zu trauen. Wenn es auch nur ein kleines Licht ist, das ich meinem Nächsten in seine Dunkelheit bringe, wenn es auch nur der „halbe Mantel“ ist – vielleicht rettet es ihm aber diese Nacht das Leben.

Der Heilige Martin ist auch Vorbild im unablässigen Gebet. Wie das bei uns modernen Menschen in unserem oft so stressigen Alltag gehen soll? Voll konzentriert müssen wir unseren Kopf doch ständig bei der Arbeit haben! – Früher haben die Menschen das Glockenläuten Morgens, Mittags und Abends als Aufforderung zum Gebet verstanden. Die Wartezeiten am Herd wurden mit festgelegten Gebeten gemessen. Sicher kann man da geteilter Meinung sein über diese Art des Betens. Mir gefällt es, wenn junge Leute heute Armbändchen tragen mit der Aufschrift: w.w.J.d.? – das bedeutet: what would Jesus do? – was würde Jesus tun?
Vielleicht kann diese Frage auch für uns so etwas wie ein ständiger Begleiter werden. Mit dieser Frage im Herzen, offenen Augen, Ohren und Händen, werden wir dann sicher wissen, was jetzt gerade dran ist.

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2 Antworten auf Was würde Jesus jetzt tun? – Heiliger Martinus / 11. November 2012

  1. W sagt:

    Liebe Frau Lerke,
    what would Jesus do? Das ist eine urchristliche Frage!
    Genauso wie der Satz in ihrer Predigt: Es gibt keine Christus-Bindung, ohne dass mich die Not des anderen Menschen bewegt und anrührt.
    Wenn wir und die Amtskirche das beherzigen würde, sähe es bei den Christen anders aus. Vielen Dank für die Predigt ! W.R.

  2. Kähny sagt:

    Liebe Frau Lerke,
    ich habe schon lange Schwierigkeiten mit dem heutigen Text (Mat.25,31):
    es ist der Text für die Macher,die Ungeduldigen,die Aktivisten. Im Weiteren- d a s Evangelium der Höllenangst…
    Christentum im Konkurrenz zum Judentum: Almosen, fotogene PolitikerInnen in Obdachlosenküchen.
    Geschätzte 91 Bio Dollar lagern in Steueroasen quer über den Globus: davon 20 % Retouren von Bestechungsgeldern an Politiker und Militärs in Entwicklungsländern. Und – bunte Prälaten auf den Empfängen der Mächtigen…

    Unsere SternsingerInnen und CaritassammlerInnen,ff. sind da nur Kanonenfutter !!!
    KH.Kähny

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