Vom Mut sich selber treu zu bleiben – 14. Sonntag im Jahreskreis B

Erste Lesung aus dem Buch Ezechiel, Kapitel 1 – 2
28 In jenen Tagen, als ich die Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn sah, fiel ich nieder auf mein Gesicht. Und ich hörte, wie jemand redete.
1 Er sagte zu mir: Stell dich auf deine Füße, Menschensohn; ich will mit dir reden.
2 Als er das zu mir sagte, kam der Geist in mich und stellte mich auf die Füße. Und ich hörte den, der mit mir redete.
3 Er sagte zu mir: Menschensohn, ich sende dich zu den abtrünnigen Söhnen – und Töchtern – Israels, die sich gegen mich aufgelehnt haben. Sie und ihre Väter – und Mütter – sind immer wieder von mir abgefallen, bis zum heutigen Tag.
4 Es sind Söhne – und Töchter – mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen. Zu ihnen sende ich dich. Du sollst zu ihnen sagen: So spricht Gott, der Herr.
5 Ob sie dann hören oder nicht – denn sie sind ein widerspenstiges Volk -, sie werden erkennen müssen, dass mitten unter ihnen ein Prophet war.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 6
1 In jener Zeit kam Jesus in seine Heimatstadt; seine Jünger – und Jüngerinnen – begleiteten ihn.
2 Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen!
3 Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab.
4 Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie.
5 Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie.
6 aUnd er wunderte sich über ihren Unglauben. Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte.

Autorin:
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Jutta Schnitzler – Forster, verheiratet, zwei Söhne, Gemeindereferentin in Ulm,
Bildungsreferentin und Organisationsberaterin

 
Die Predigt:
Vom Mut sich selber treu zu bleiben

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Ach die!“ oder „der schon wieder…“ mit diesen wenigen Worten kann viel gesagt werden. In einer Gruppe von Menschen, die mehr miteinander zu tun haben, entstehen Bilder übereinander. Es sind die Eigenheiten und oft die Schwächen, die bekannt sind. Alle wissen bei bestimmten Andeutungen, was gemeint ist.
So ähnlich muss es auch Jesus ergangen sein, als er zurückkehrte in seine Heimatstadt. Man kennt ihn dort und hat ein bestimmtes Bild von ihm. Gespannt und neugierig gehen die Menschen aus Nazareth in die Synagoge und wollen ihn wieder erleben. Er überrascht und irritiert sie.

Das heutige Evangelium schenkt uns einen ungewohnten Blick auf Jesus. Menschen, die mit ihm aufgewachsen sind, halten es für unmöglich, dass Jesus etwas Besonderes, gar ein Prophet sein kann.
Das passt nicht in ihr Bild!

Dass er fort war und sich verändert haben könnte, ziehen sie nicht in Betracht. Sie wissen zwar, er hat sich einen Namen gemacht. Er ist bekannt geworden. Ein Prophet, einer, der auf ein Podest gestellt und von vielen verehrt wird.
Doch in seinem Heimatort zählt das nicht. Seine Herkunft zählt.
Sein früherer Beruf wird erwähnt, seine Mutter, seine Geschwister.
Und darauf wird er festgelegt.
Sie nehmen Anstoß an ihm. Sie tratschen und machen Stimmung.
Jesus, andernorts bekannt und bejubelt, findet in seinem Heimatort keine Anerkennung.

Diese menschliche Grunderfahrung mag uns trösten. Auch Jesus erfuhr offensichtlich Ablehnung, gerade von denen, die ihn immer schon kannten.
Jesus nimmt das wahr und reagiert darauf mit Gelassenheit. Das finde ich großartig! Er muss sich nicht beweisen, macht niemandem Vorwürfe und reagiert nicht beleidigt.
Er weiß, wer er ist. Niemand hier muss ihn toll finden. Er ist da. Er weiß wozu er berufen ist. Die geistliche Kraft, die in ihm herangewachsen ist, macht ihn stark. Er tut, was sein Auftrag ist und legt die Hände auf. Er macht seine Sache, auch unter nicht optimalen Bedingungen. Einerseits kann er keine Wunder tun und doch heißt es dann im gleichen Satz: nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Die Ablehnung behindert ihn nicht wirklich.
Er bleibt sich treu und handelt, auch wenn er durch die fehlende Anerkennung in seinen Möglichkeiten eingeschränkt bleibt.

Jesus bleibt seiner Berufung treu. Mir fallen dazu die vielen Frauen ein, die sich in der katholischen Kirche berufen fühlen, den priesterlichen Dienst auszuüben. In diesen Frauen ist eine geistliche Kraft herangereift, die sie einbringen wollen. Unsere Kirche verhält sich jedoch wie die Menschen in Nazareth: sie bleibt beim alten Bild, bei ihrem Urteil, das sie mit den immer gleichen Argumenten verteidigt. In der Frauenfrage der Kirche erleben wir: Viele Frauen, die langjährig in der Kirche aktiv waren, ziehen sich frustriert zurück. Was könnte die jungen Frauen ermutigen und ihnen zeigen, dass ihre Berufung genau so bedeutsam ist, wie die der männlichen Priester? Sieht die Kirche, auf welch großes Potential sie verzichtet durch den Ausschluss der Frauen aus dem Amt?
Seit 50 Jahren ist dies eine wichtige Frage der Kirche. Wenn wir auf Jesus schauen, bleibt dann als Lösung nur das „Weggehen aus Nazareth“?

Die Erfahrungen dieses Evangeliums können uns auch auf der persönlichen Ebene ansprechen:
Wie Jesus wird jede und jeder von uns immer wieder festgelegt und erlebt Ablehnung. Wer aus dem Rahmen fällt, hat es schwer und wer sich zeigt, setzt sich aus und riskiert Ablehnung. Das gilt besonders für Menschen, die Neues hervorbringen.

Gleichzeitig sind wir auch diejenigen, die andere festlegen und ablehnen. Das geschieht meist nicht bewusst. Denn innerlich sind wir eben oft nicht offen und frei. Aus unseren Erfahrungen basteln wir ein Weltbild zusammen, das für scheinbare Ordnung und Sicherheit sorgt. Was hier nicht hineinpasst, wird gemieden, abgewertet und mit allem, was wir an Informationen haben, bekämpft. Manchmal handeln wir wie die Menschen in Nazareth.

Jesus ermutigt uns, immer wieder neu zu fragen, wer wir sind und wer wir sein wollen. Von ihm her gibt es keine Grenzen. Der Geist stellt uns auf die Füße und lässt uns reden, wie wir es heute in der ersten Lesung gehört haben. Damit verbunden ist auch die Ermutigung, sich selber treu zu bleiben.
Ablehnung muss keine Katastrophe sein. Sie zeigt uns auch, woran wir sind und hilft uns, uns neu auszurichten. Auch Jesus handelte klug, in dem er weiter zog und sich einen anderen Ort suchte, an dem er wertgeschätzt wurde.

Im Umgang mit neuen Menschen und Ideen sollten wir uns fragen:
Was hindert uns Neues aufzunehmen, ihm einen Platz zu geben und dazu zu lernen? Erleben wir, dass uns Neues in Frage stellt und verunsichert?
Es erfordert Mut, sich diesen Fragen zu stellen, doch sie schaffen Raum. Raum, in dem andere ankommen können. Auch Jesus, „der Andere“ könnte sich durch unsere Wertschätzung in seiner ganzen Größe zeigen.
Amen!

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3 Antworten auf Vom Mut sich selber treu zu bleiben – 14. Sonntag im Jahreskreis B

  1. clara a sancta abraham sagt:

    „Stell dich auf deine Füße, Menschensohn, ich will mit dir reden – der Geist stellte mich auf die Füße und ich hörte den, der mit mir redete “ – verkürzt.
    Vor Gott steh ich da und höre ihn, es schmerzt, nicht entsprechen zu können – und dennoch, wir Frauen tun so viel, sind an so vielen Stellen, die uns allzu selbstverständlich sind – und dennoch unserem An – ruf von Gott gerecht werden. Manchmal überfordern wir unser Umfeld damit…..Wenn mir das klar ist, dann bin ich sogar ein wenig dankbar für Ablehnung, dann bin ich mir treu – und kann dann mit den mir gesetzten Grenzen umgehen. Kann auch andere besser sehen. Danke Ihnen, Frau Schnitzler!
    „Auch du bist Prophetin, in dir tanzt das Licht und machvoll erklingt uns dein Lied aus dir. Singt der Traum vom Sturz aller Täler, vom Aufstand der Opfer zu Freundschaft und Lebenslust.
    Auch du bist Prophetin, ausgespannt zwischen Himmel und Erde; in deinen Händen liegt Licht und Wahrheit, und du erzählst von Unrecht und Schmerz und vom kommenden Leben, das leise und unaufhaltsam unter uns Gestalt annimmt“ (Quelle war nicht ersichtlich)

  2. W sagt:

    „Ablehnung muss keine Katastrophe sein. Sie zeigt uns auch, woran wir sind und hilft uns, uns neu auszurichten.“ Ja, genau. Sie kann uns auch bestärken in unserer Wegrichtung. So muss ich mich auf Grund von Ablehnung auch nicht immer neu ausrichten?
    Als ausgebildete aber nicht geweihte Diakonin habe ich mich seit 50 Jahren immer wieder gefragt, ob es nicht besser wäre, diese Kirche zu verlassen.
    Die vielen Verletzungen, die ich im Laufe meines Lebens hinnehmen musste, hinterließen deshalb nur wenige Narben, weil Jesus in seinem Leben immer wieder darauf hingewiesen hat, dass die Nachfolge kein „Zuckerschlecken“ sein würde.
    Er ging seinen Weg unbeirrt weiter, obwohl er gerade zum Ende seines Lebens immer mehr Ablehnung erfahren musste.
    Danke für die Predigt!

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