Zwischen „schon“ und „noch nicht“ – zwischen „Angst“ und „Furcht“ – 7. Sonntag der Osterzeit B

Erste Lesung aus der Apostelgeschichte, Kap 1
15 In diesen Tagen erhob sich Petrus im Kreis der Schwestern und Brüder – etwa hundertzwanzig waren zusammengekommen – und sagte:
16 Brüder! Es musste sich das Schriftwort erfüllen, das der Heilige Geist durch den Mund Davids im voraus über Judas gesprochen hat. Judas wurde zum Anführer derer, die Jesus gefangen nahmen.
17 Er wurde zu uns gezählt und hatte Anteil am gleichen Dienst.
20 Denn es steht im Buch der Psalmen: Sein Amt soll ein anderer erhalten!21 Einer von den Männern, die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging,
22 angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und in den Himmel aufgenommen wurde, – einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein.
23 Und sie stellten zwei Männer auf: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias.
24 Dann beteten sie: Herr, du kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast,
25 diesen Dienst und dieses Apostelamt zu übernehmen. Denn Judas hat es verlassen und ist an den Ort gegangen, der ihm bestimmt war.
26 Dann gaben sie ihnen Lose; das Los fiel auf Matthias und er wurde den elf Aposteln zugerechnet.

Autorin:
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Christina Bettin, Gemeindereferentin in der Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach-Süd im Bistum Aachen

 
Die Predigt:
Zwischen „schon“ und „noch nicht“ – zwischen „Angst“ und „Furcht“

Liebe Leserin, lieber Leser,
Dieser Sonntag zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten ist irgendwie ein „komischer“. Er pendelt für mich zwischen „schon“ und „noch nicht“. Jesus ist schon in den Himmel aufgefahren, doch den angekündigten Beistand, den heiligen Geist, haben seine Freundinnen und Freunde noch nicht empfangen.

Jesu ist in dieser Zeit ihren Blicken entzogen, nicht mehr greifbar und abwesend in seiner jungen Kirche. Rückt das diesen 7. Sonntag der Osterzeit in die Nähe zum Karsamstag? Denn abwesend war Jesus auch am Tag der Grabesruhe. Diese Abwesenheit im Grab, in der Tiefe hielt die Jüngerinnen und Jünger in lähmender Traurigkeit und Angst. Für sie schien alles zu Ende; Hoffnungslosigkeit machte sich breit. Als nächstes hätten sie sich vielleicht bemüht in ihrem früheren Alltagsleben wieder Tritt zu fassen. Alles andere, was sie mit Jesus erlebt hatten, als schönen Traum abzutun und zu vergessen.

Diese neuerliche Abwesenheit Jesu scheint mir allerdings eine ganz andere zu sein. Zwar ist Jesus wieder ihren Blicken entzogen und sie haben nicht wirklich alles verstanden, was er ihnen gesagt hat, doch sie haben die überwältigenden Osterereignisse noch sehr deutlich präsent. Sie spüren bei allem Alleinsein jetzt doch überzeugter, gläubig die Zusage Jesu: Ich gehe zum Vater, doch ich schicke euch einen anderen Beistand, den Heiligen Geist. Das heißt für mich, die Jüngerinnen und Jünger sind zwar verwirrt, aber eben doch hoffnungsvoll. Das macht einerseits wieder unsicher, und sie bleiben deshalb hinter verschlossenen Türen, sie fürchten sich auch und doch vertrauen sie; sie lesen in der Heiligen Schrift und es herrscht erwartungsvolle Spannung, gleichsam die Ruhe vor dem Sturm.

„Angst“ und „Furcht“ haben dabei verschiedene Intensität und Qualität. Früher, in der Schule im Deutschunterricht, habe ich das nicht verstanden oder auseinanderhalten können: objektunbestimmt bzw. objektbezogen. Was soll das bedeuten? Doch bei dieser Geschichte scheint mir der Unterschied deutlich zu werden: Die „Angst“ der Jünger bei der Grabesruhe ist ein unbestimmtes, diffuses Gefühl. Das ist ungerichtet und betrifft die Gesamtheit der Welterschließung der Jünger. – Die „Furcht“ in der Erwartung des Heiligen Geistes ist hingegen ein objektbezogenes Gefühl, es richtet sich konkret auf diesen Beistand, der ihnen noch nicht vertraut ist und sie deshalb verunsichert.

Den Blicken entzogen ist Jesus auch bis heute hin. Heißt das, dass er in unserer Kirche abwesend ist? Manchmal könnte man genau auf diese Idee kommen, wenn man die beklagenswerten Zustände in unserer ach so menschlichen, sündigen katholischen Kirche sieht. Missbrauchsfälle, Doppelmoral, Vertuschung seien nur einige Stichworte… Das macht mir Angst! Und ich denke, ich bin damit nicht allein – Und das ist ganz klar ein anderes Gefühl als Furcht. Denn bei dieser Angst bin ich in meiner gesamten Welterschließung erschüttert durch eine diffuse „Bedrohung“.

Wie aber diese Angst ablegen? Vielleicht auch dazu noch einmal ein Blick in die damalige Zeit. Die Freundinnen und Freunde Jesu bleiben in der Erwartung des zugesagten Beistandes beieinander, sie verharrten im Gebet und im Lesen der Heiligen Schrift. Das bildet meiner Meinung nach das Fundament, prägt ihre Haltung und öffnet sie für das Wirken des Heiligen Geistes.

Ich brauche Männer und Frauen in der Nachfolge, die mit dem Geist ausgestattet die befreiende Botschaft verkünden. Ich möchte selbst eine solche Verkünderin sein. Mag vielleicht etwas unmodern klingen, doch ich übe mich dazu im Gebet, ich lese in der Heiligen Schrift und ich tue es nicht allein, sondern finde mich mit anderen Sucherinnen und Suchern in einer Gruppe, aktuell in einer Exerzitien Gruppe meiner Gemeinde. Wir können alle etwas dazu beitragen, dass unsere Kirche keine beängstigende, angsteinflößende mehr ist.

Wie geht es Ihnen selbst mit solchen Erfahrungen von „schon“ und „noch nicht“? Welche Gefühle machen sich dann in Ihnen breit? Ist es Lähmung, Lethargie, Vorfreude, Erwartung, Zweifel, Unsicherheit?

Die Apostel als Frauen und Männer in der Nachfolge, sie finden sich immer wieder in diesem „schon und noch nicht“. Auch in der Lesung des heutigen Sonntags, in der Apostelgeschichte fehlt etwas, jemand; einer ist abwesend. Mit Blick auf die 12 – Zahl sind die Jünger nach dem Verrat des Judas nicht mehr komplett, nicht mehr vollzählig. Mit diesem Zustand von „da fehlt einer“ können sie nicht gut weitermachen. Sie wollen sich dadurch aber nicht ängstigen lassen. Sie versammeln sich vielmehr und beten einmütig, vertrauensvoll zu Gott: „Herr, du kennst die Herzen aller.“ Welch tiefe Spiritualität, welche Offenheit spricht daraus. Mit Losverfahren füllen sie den vakanten Platz auf. Die Apostel bringen damit zum Ausdruck, dass sie nicht eigenmächtig einen zum Nachfolger bestimmen, sondern dass sie es Gott überlassen, sich seiner Führung anvertrauen.
Wie gut, wenn wir vertrauensvoll Gott bitten und zu ihm beten können.

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Eine Antwort auf Zwischen „schon“ und „noch nicht“ – zwischen „Angst“ und „Furcht“ – 7. Sonntag der Osterzeit B

  1. W sagt:

    Diese Lesung macht mich immer wieder etwas traurig. Da wird eine Situation beschrieben, die wir nur zu gut kennen. Einer gewinnt und ein anderer verliert.
    Dieser Josef, genannt Barsabas mit dem Beinamen Justus, das heißt „der Gerechte“ verliert und man hört nichts mehr von ihm. Wie mag es ihm damit ergangen sein? Konnte er sich gut damit abfinden, dass Gott ihn für dieses Amt nicht erwählt hatte?
    Aus der Sicht der Apostel ist das ein gerechtes Verfahren. Aus der Sicht des Josefs auch?

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