Die Spur Jesu weitergehen – Christi Himmelfahrt

Aus dem Evangelium nach Markus, Kp 16
15 Jesus sagte zu seinen Jüngerinnen und Jüngern: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!
16 Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.
17 Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden;
18 wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden.
19 Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes.
20 Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ.

Autorin:
Susanne-Walter
Susanne Walter
Gemeindereferentin in Filderstadt
verheiratet, vier Kinder

 
Die Predigt:
Die Spur Jesu weitergehen

Liebe Leserin, lieber Leser,
In Jerusalem gibt es die sogenannte Himmelfahrtmoschee.
Die Ursprünge der Moschee gehen auf das vierte Jahrhundert zurück, und sie wird bis heute als christliche Kapelle genutzt.
In ihr ist in einer Einfassung der letzte Fußabdruck Jesu vor seiner Himmelfahrt zu sehen.
Ist das ein Beweis für die Himmelfahrt Jesu? Wohl kaum.
Und doch kann dieser Fußabdruck ein Hinweis sein.

Jesus hat eine sichtbare Spur hinterlassen, die hier endet. Was machen wir damit?

Vielleicht kann uns da ein afrikanischer Waldläufer weiterhelfen.
Er sagt, es gibt für ihn zwei Möglichkeiten, wenn er am Ende einer Spur ankommen ist:
Entweder er kümmert sich nicht mehr darum und verlässt die Spur. Er sucht einen eigenen Weg und geht damit auch das Risiko ein,umkehren zu müssen, weil er das gesuchte Wesen nicht findet.

Die zweite Möglichkeit ist für ihn, anhand der Spur sich in den Spurenleger hineindenken, sich sein Wesen, seine Gangart, seinen Charakter vorstellen, dann entsteht ein lebendiges Bild von dem, der die Spur gelegt hat, dann kann er von der Stelle, an der die Spur aufgehört hat, weitergehen und selber eine Spur legen.

Gehen wir zurück, zum Fußabdruck in Jerusalem.
Die Spur Jesu ist abgebrochen. Jesus ist nicht mehr da.
Dazu passen für mich Gedanken und Beobachtungen wie die folgenden:
Ist doch alles Quatsch mit dem Glauben, sicher wissen tut man nichts.
Ob Jesus überhaupt gelebt hat, wissen wir nicht.
Die Kirche ist nur mit sich selbst beschäftigt, sie ist ein riesiger Machtapparat, das ein veraltetes System stützt. Das ist doch nur etwas für alte Menschen. Die Kirche ist altmodisch, out, nichts, für das man sich heute engagieren könnte.
Die Zahl der Kirchenbesucher, der Kirchenzugehörigen geht rapide zurück.
Wer verspricht uns heute Heil und Erfüllung?
Doch nicht Jesus, oder?

Und wie sieht es mit der zweiten Möglichkeit aus?
Der Waldläufer sagt, wir müssen uns in den Spurenleger hinein versetzen, seinen Charakter studieren, und dann selber den Weg gehen.
Könnte das nicht eine Botschaft jener Fußabdrücke in Jerusalem sein?
Als Christinnen und Christen solche Spurensucher werden wie dieser afrikanische Jäger. Den Weg Jesu sozusagen dort weitergehen, wo sich seine greifbaren Spuren in dieser Welt verlieren.
Diese Aufgabe ist sicherlich nicht leicht – denn Spurenlesen will gelernt sein. So gehört dazu etwa, dass wir als Christen hinsehen, hinhören und nachspüren, welche Spuren Jesus in den Erzählungen der Bibel uns hinterlassen hat.
Dort können wir viele Fußspuren Jesu entdecken. Wir können sozusagen seinen „Charakter“ studieren.
In einem weiteren Schritt gilt es, aufmerksam all das im eigenen Leben zu erkennen, was die Botschaft und Person Jesu in meinem eigenen Leben bewirkt hat und was mir geschenkt wurde an Erfahrung von Heil und Angenommen sein, an gelingenden Beziehungen, an innerer Freiheit und Kraft auch in dunklen Stunden – Spuren Jesu in meinem Leben!
Wenn so die Gestalt Jesu in mir lebendig wird, und ich seinen Weg weitergehe, im Kleinen, in meinem Leben, dann kann ich die Spur Jesu weitergehen.

Dazu gehört aber auch, zu sehen, welche Spuren Jesu im Leben vieler Menschen bis heute aufleuchten.
Wenn ich zurück oder um mich schaue, dann sehe ich in unseren Familien die Eltern, oder Großeltern, oder andere Menschen, die mir ein Stück Vorbild, Vorgeher geworden sind.
Ich sehe in den Gemeinden Menschen, die vor uns gegangen sind, die die Gemeinden gegründet und geprägt haben und die Menschen, die heute miteinander Gemeinde sind und die Fußspur Jesu weitergehen.

Dann kann das geschehen, was wir vorhin vielleicht als unerfüllbaren Auftrag und Anspruch Jesu an seine Jünger im Evangelium gehört haben, wenn es da heißt: „Durch die, die den Weg Jesu nachgehen, können und werden folgende Zeichen geschehen:

Dämonen werden ausgetrieben“, all das, was das Herz „besessen“ macht: Angst, Arbeit, Geld, Macht, … Auf den Spuren Jesu weitergehen heißt, dass wir heute mithelfen, dass Menschen von Unfreiheit zu mehr Vertrauen und Lebensfreude befreit werden.

„Sie werden in neuen Sprachen reden“: Nicht, irgendwelche Fremdsprachen plötzlich sprechen zu können, vielmehr miteinander ins Gespräch zu kommen und im Gespräch zu bleiben über all das, was unser Leben ausmacht und prägt.

– „Sie werden Schlangen anfassen und tödliches Gift trinken“, was nichts anderes meint, als auch unliebsame Dinge zuversichtlich anzupacken und nicht giftig auf unsere Mitmenschen zu reagieren, durch Spott, durch Nachrede, durch Ablehnung.

– „Sie werden Kranke heilen“ indem wir einander immer wieder neu heilende Nähe schenken, durch ein gutes Wort, durch eine zärtliche Berührung, durch unser Gebet, durch unser Dasein und Zuhören.

In diesen Tagen findet der Katholikentag in Mannheim statt. Er hat als Motto: „Einen neuen Aufbruch wagen!“
Menschen machen miteinander die Erfahrung: Glauben lohnt sich. Sie haben eine Spur Jesu in ihrem Leben entdeckt.
Auf der anderen Seite spüren viele Menschen, dass es mit der Kirche so nicht weitergehen kann.
In unzähligen Foren, Gesprächsrunden, Bibelarbeiten und Gottesdiensten tauschen sich die Menschen aus, wie ein solcher neuer Aufbruch aussehen kann.
In den deutschen Diözesen werden Pastoralpläne erarbeitet, Gemeindestrukturen verändert, die deutschen Bischöfe haben – ebenfalls in Mannheim – einen Dialogprozess gestartet.
Es sind alles Versuche, in den Spuren Jesu weiter zu gehen.
Und die Wünsche und Vorstellungen wie das gelingen soll, gehen oft weit auseinander.
Themen wie Missbrauch durch Geistliche, Zölibat, Stellung und Priestertum der Frau in der katholischen Kirche, gemeinsames Abendmahl, Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen sind Themen, die auf den Nägeln brennen. Von Seiten der Kirchenleitungen gibt es viel Nein und wenig Öffnung und Spurensuche, wie es sich viele von uns wünschen.

Ich wünsche uns, am Katholikentag und anderswo, dass wir uns immer wieder neu in unseren Spurenleger hinein versetzen und seinen vorgegebenen Weg weitergehen, dass wir wirklich einen neuen Aufbruch wagen. Wir haben immer wieder die Chance, den eingeschlagenen Weg zu korrigieren und neue Wege auszuprobieren. Und wenn wir dies mit Entschlossenheit und Mut tun, dürfen wir dann nicht mit Recht dem vertrauen, was das Evangelium uns verspricht, nämlich Jesus selbst auf diesem Weg zu begegnen – so, wie dieser Waldläufer damit rechnen kann, irgendwann das von ihm gesuchte Wesen zu finden?

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Eine Antwort auf Die Spur Jesu weitergehen – Christi Himmelfahrt

  1. Sabine Vogler sagt:

    Danke für diese Predigt!
    Sie schwebt nicht in „himmlischen Sphären“, ist auch keine wie so oft gehörte Nacherzählung des Bibeltextes, sondern eine wirklich gute „Übersetzung“ ins praktische Leben. Ihre Worte sind für mich Motivation, auf eine spannende Spurensuche im eigenen Leben zu gehen und führt mir klar vor Augen, wo ich etwas tun kann. Also, für mich sind das wertvolle Hinweise, und ich finde ihre Worte sehr ermutigend. Danke!

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