Friede, Auftrag und der Heilige Geist – Hochfest von Pfingsten

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 20
19 Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
23 Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.

Autorin:
Utta Hahn (2)
Utta Hahn,
Gemeindereferentin,
Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Friede, Auftrag und der Heilige Geist

Liebe Leserin, lieber Leser,
vielleicht ist es schon eine Gewohnheit geworden, dass sie diese Seite anklicken und nachlesen, welche Gedanken und Inspirationen Sie hier finden.
Vielleicht ist es das erste Mal, dass sie uns „zuhören“.
Herzlich Willkommen jedenfalls heute zum Pfingstfest auf unserer Verkündigungsseite.

Seit einem Jahr sind wir nun dabei, probieren aus, vertiefen, spüren nach, reden, verkünden, lesen, interpretieren, fragen an, beten, hören hin und sind unterwegs auf einem Weg, mit der Hoffnung, dadurch an einer lebendigeren, gerechteren, friedvolleren Welt und Kirche mitzutun.

Mit den Schrifttexten der Sonn- und Feiertage unterwegs zu sein, das ist wie ein Tanz durch das Leben, den jede und jeder mittanzen kann, wenn sie und er nur sich in Bewegung setzen mag, die Schritte wagt, sich mit einschwingt in einen Rhythmus des Lebens, einen Takt des Zutrauens, einen kraftvollen Schwung und Schritt, der uns lebendig und glücklich machen kann.

Heute an Pfingsten sieht die Liturgie neben der Apostelgeschichte einen Text aus dem Johannesevangelium vor –jene erste Begegnung des Auferstandenen mit den Jüngerinnen und Jüngern, die hinter verschlossenen Türen versammelt waren.

Diese Begegnung begeistert mich immer wieder.
Ihr ging die Begegnung des Auferstandenen mit Maria Magdalena voraus. Eine Begegnung, die von den anderen gehört aber noch nicht in der Erfahrung nachvollzogen werden konnte. Aber vielleicht waren es ihre Worte, die die Freundinnen und Freunde bewog, sich an diesem Abend zu versammeln, die Ungewissheit und Unsicherheit gemeinsam auszuhalten und auch gemeinsam auf das warten, was kommen könnte.
Mit „Furcht vor den Juden“ könnte Johannes die bedrückende Situation seiner Zuhörergemeinde mit herein nehmen in das Geschehen, denn diese lebte in einer Gesellschaft, in der ihr Glaube, ihre Gemeinschaft alles andere als geschützt war.

Und dann geht alles ganz schnell. Johannes, der sonst gerne auch mal weit ausholt mit seinen Erzählungen und Ausführungen, packt die wichtigste und wesentlichste Erfahrung unseres Glaubens in ein paar prägnante kurze Sätze.
Die Begegnung ist die Initialzündung des Glaubens für die Jüngerinnen und Jünger damals in Jerusalem genauso wie für die Gemeinde des Johannes etwa 70 Jahre später, und genauso kann sie es auch für uns heute werden.

Jesus tritt in ihre Mitte – er ist mitten unter ihnen und damit auch unter uns, wenn wir uns in seinem Namen versammeln

Er schenkt ihnen den Frieden – den Frieden des Herzens, die Versöhnung, die wir brauchen, um offen für die Welt zu werden, den Frieden, der uns frei macht für den Nächsten.

Er gibt ihnen den Auftrag, das zu tun, was er getan hat – damals den Männern und Frauen, die mit ihm schon lange unterwegs waren, seinen Freunden und Freundinnen. Und damals den jungen Gemeinden, die in Bedrängnis sicher oft nicht wussten, was diesen Glauben denn ausmacht, und vielleicht auch verzagt waren, angesichts einer anders ausgerichteten Gesellschaft, die nicht sehen konnte oder wollte, welcher Schatz in der Botschaft Jesu lag.
Und diesen Auftrag gibt er uns auch heute – in jede Gemeinschaft von Glaubenden hinein, die sich versammelt in seinem Namen, in jede Gemeinschaft hinein, die wie die Jüngerinnen und Jünger in Jerusalem ALLE miteinschließt und niemand ausschließt.
Wir sind gesandt, so wie Jesus von Gott gesandt ist!

Und er stattet sie mit der nötigen Ausrüstung aus, er hauchte sie an und sagt: Empfangt den Heiligen Geist. Gibt es einen besseren Freund oder weitsichtigeren Auftraggeber als IHN?
Der Lebensatem des Auferstandenen wird der Lebensatem derer, die mit ihm auferstehen, die das Neue Leben JETZT leben und verwirklichen, die aus der Todesstarre von Angst und Furcht aufwachen und neu mit Mut und Hoffnung in die Welt hineingehen. Mit der Zuversicht, das die Welt sich verändern lässt, dass Menschen umkehren können, dass eine andere Welt möglich ist.

Es ist wie am Anfang, als Gott Adam erschuf und ihm den Lebensatem in die Nase blies oder wie in der Vision des Ezechiel, als Gott den Propheten beauftragt, den Geist zu rufen, der die Erschlagenen anhaucht, damit wieder Leben in sie kommt.

Das neue Leben gründet tiefer, hat mehr Hoffnung, zeigt sich in der Kraft, für Veränderung, für Befreiung, für Gerechtigkeit und Frieden einzustehen. So kann ich Auferstehung verstehen. So kann ich mir die Gemeinde vorstellen, für die Johannes sein Evangelium schrieb.

In all der Verzagtheit schaut her – Jesus ist in unserer Mitte, spüren wir ihn? Geben wir ihm Raum in unserer Mitte?
Schaut her – er sendet uns und schenkt uns Lebenskraft im Heiligen Geist.
Schaut her – er will lebendig werden in unserer Gemeinschaft.

Und sollten doch einige den Auferstandenen noch fragend und staunend angeschaut haben, so erklärt er ihnen, was die Gabe dieser Geistkraft wirkt.
Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.

Allen Versammelten gilt der Sendungsauftrag, und allen gilt auch die Gabe des Geistes, und allen gilt diese Vollmacht. Wir können die Welt verändern, und dass Veränderung viel mit Versöhnung zu tun hat, das wissen wir in unserem tiefsten Herzen sehr wohl.
Roger Schütz, der Gründer der Gemeinschaft von Taizé erklärte für sich und seine Gemeinschaft die Versöhnungsarbeit zu wichtigsten Aufgabe und so entstand in den siebziger Jahren der Pilgerweg des Vertrauens, der die Bereitschaft zur Versöhnung jedes Einzelnen und dann auch der Völker und auch der Religionen untereinander fördern und verbreiten will.
Und wer dieser Botschaft einmal zugehört hat, der hat vielleicht gespürt, wie der Friede im Herzen, die leidenschaftliche Kraft des Heiligen Geistes und die Praxis der Versöhnung Hand in Hand gehen können.

Der zweite Teil des Satzes hat etwas Bedrohliches, doch wenn ich ihm nachspüre tritt mehr die Verantwortung und die Chance in den Vordergrund, allen Menschen Zugang zu Gottes Liebe zu eröffnen, und nicht so sehr die Macht, den einen oder die andere „draußen zu lassen“.
Natürlich muss diese Sichtweise der Realität heute in der Kirche standhalten und da hat uns die Tradition und die Theologie in manche Einbahnstrasse, ja sogar Sackgasse geführt und es fällt manchem schwer, wirklich umzukehren; aber Jesus hat uns allen die Fähigkeit zur Versöhnung, den Auftrag der Sendung und den Frieden in unser Herz geschenkt.

Ich bin froh, dass wir an Pfingsten diese Evangelium aus dem Johannesevangelium hören. Nur der Geist macht uns fähig, die Auferstehung in unser Leben einzulassen um dann die Türen aufzutun, den Frieden zu leben und die Versöhnung in die Welt zu tragen.

Es ist der Heilige Geist und wir wissen doch, dass es nicht DER ist, dass damit auch die Kraft, die Bewegung, die Lebendigkeit, das Feuer, die Hoffnung, die Verbindung, die Liebe, die Gemeinschaft, die Beziehung, die Fähigkeit zur Versöhnung, das Vertrauen, die Stille, die Ruhe, die Quelle, die Weiblichkeit und die Männlichkeit gemeint ist.

Deshalb lade ich sie nun ein, die Pfingstsequenz in der nachfolgenden Version zu beten und dem nachzuspüren, ob das etwas in Ihnen verändert.

SEQUENZ
Komm herab, o Heil‘ge Geistkraft,
die die finstre Nacht zerreißt,
strahle Licht in diese Welt.
Komm, die alle Armen liebt,
komm, die gute Gaben gibt,
komm, die jedes Herz erhellt.
Höchste Trösterin im Leid,
die uns Herz und Sinn erfreut,
köstlich Labsal in der Not.
In der Unrast schenkst du Ruh,
hauchst in Hitze Kühlung zu,
spendest Trost in Leid und Tod.
Komm, o du glückselig Licht,
fülle Herz und Angesicht,
dring bis auf der Seele Grund.
Ohne dein lebendig Wehn
kann im Menschen nichts bestehn,
kann nichts heil sein noch gesund.
Was befleckt ist, wasche rein,
Dürrem gieße Leben ein,
heile du, wo Krankheit quält.
Wärme du, was kalt und hart,
löse, was in sich erstarrt,
lenke, was den Weg verfehlt.
Gib dem Volk, das dir vertraut,
das auf deine Hilfe baut,
deine Gaben zum Geleit.
Lass es in der Zeit bestehn,
deines Heils Vollendung sehn
und der Freuden Ewigkeit
Amen Halleluja
.

Zum Weiterlesen
Elisabeth Schüssler – Fiorenza, WeisheitsWege, Einführung in feministische Bibelinterpretation, Stuttgart 2005

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3 Antworten auf Friede, Auftrag und der Heilige Geist – Hochfest von Pfingsten

  1. M. sagt:

    Liebe Frau Droesser,

    ich gehöre zu denjenigen, die hier ganz häufig lesen und froh und dankbar ist für Ihre Initiative! Immer wieder freue ich mich, die Predigt und den dazu gehörigen Text vor dem Besuch des Gottesdienstes zu lesen und ihn dann viel intensiver zu hören oder aber auch dann, wenn ein Text und/oder die Predigt für mich nicht ganz nachvollziehbar war zum bessen Verständnis. So wird zusammen eine runde Sache daraus!

    Seit dem Weltgebetstag der Frauen fällt mir immer wieder der Begriff der „Geistkraft “ auf, der auch hier und morgen benutzt wird. Woher kommt er, ich kannte bislang nur den Heiligen Geist und tue mir mit dem Begriff irgendwie schwer.

    Ihnen und dem Ganzen Team nochmals herzlichen Dank für Ihre Predigten und ein gesegnetes Pfingstfest

    M.

    • Utta Hahn sagt:

      Liebe M.
      danke für die Zeilen und das Interesse an den Predigten.
      Zu ihre Frage nach der Geistkraft möchte ich gerne meine Position darlegen.
      Traditionell sind wir gewohnt von Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zu hören. Begriffe mit männlichen Artikeln suggerieren auch das männliche Geschlecht.
      Gott ist nicht Mann und nicht Frau und der Heilige Geist ist eben eine Kraft, die sowohl mit männlichen als auch weiblichen Attributen beschrieben wird.
      Ich benutze den Begriff der Geistkraft im Bemühen sprachlich auf die weibliche Seite Gottes aufmerksam zu machen, und die Sensibilität für geschlechtergerechte Sprache zu erhöhen.
      „Geistkraft“ hat den weiblichen Artikel und steht vielleicht daher dem semitischen Ursprung, der „Ruach“ näher als „der Geist“, dem der lateinische „spiritus und das griechische „pneuma“ zugrunde liegt.
      Und ich liebe dieses Bild der Geistkraft, es steckt für mich voller Lebendigkeit, Intuition und schöpferischer Kraft.
      Mit freundlichen Grüssen
      Utta Hahn

  2. M. sagt:

    Liebe Frau Hahn,

    Danke für Ihre Antwort und Entschuldigung, dass ich mich beim Lesen der beiden Pfingstpredigten mit dem Namen vertan habe.

    So ähnlich dachte ich mir das schon. Das Wort hört sich zunächst etwas fremd an – aber die Begründung kommt meinem Verständnis vom Heiligen Geist sehr nahe!

    Herzliche Grüße
    M.

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