Katharina und Hypatia: Selbstverleugnug und Treue – Zum Gedenktag der hl. Katharina von Alexandrien am 25.11.

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 9
In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge:
23 Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
24 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.
25 Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?
26 Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen, wenn er in seiner Herrlichkeit kommt und in der des Vaters und der heiligen Engel.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn, Gemeindereferentin, Dekanatsreferentin in Schwäbisch-Gmünd

 
Die Predigt:
Katharina und Hypatia: Selbstverleugnung und Treue

Liebe Leserin, lieber Leser,
ich möchte Sie und Euch heute einladen, eine „andere“ Entdeckungstour mitzugehen. Am 25. November ist der Gedenktag der Heiligen Katharina von Alexandrien und es lohnt sich, dass wir uns unter dieser Überschrift auf die Suche nach einer überaus interessanten Geschichte und der Frau darin machen.

Willi Fährmann hat eine Geschichte geschrieben, wie das Ei zum Osterei wurde – diese kleine Erzählung fand Eingang in ein Hörbuch zum Kirchenjahr, das unsere Kinder vor Jahren gerne und viel hörten. Katharina, respektive ihre kleine Freundin, nehmen ein Ei, aus dem gleich ein Küken schlüpfen wird, und bringen es dem Kaiser, der von ihr einen Beweis für die Auferstehung verlangte. Er wollte, dass sie einen Stein zum Leben erweckt. Sie bringt ihm also das Ei und gemeinsam schauen sie, wie das Küken sich den Weg in die Welt erarbeitet. „Scheinbar tot – entsteht neues Leben“. Das Ende: der Kaiser wurde sehr nachdenklich. Und als Folge… das Ei wurde ein Symbol für Ostern. Katharina ist in dieser Geschichte eine sehr kluge, gebildete junge Frau, Christin in Alexandrien, die dem Kaiser in langen Gesprächen Rede und Antwort über ihren Glauben steht. Ganz nebenbei ist sie auch eine Königstochter und sehr hübsch.

Soweit ein sehr eingängiger und liebevoller literarischer Zugang zu dieser Heiligen, die zu den 14 Nothelfern gezählt wird und in der volkstümlichen Tradition reich geschmückt mit Legenden und Attributen belegt wurde. Der Gedenktag war in der bäuerlichen Gesellschaft der Zahltag für Mägde und Knechte – oft verbunden mit einem fröhlichen Fest und Tanz.

Der Gedenktag wurde 1969 aus dem Römischen Kalender gestrichen, 2002 aber wiedereingeführt – es ist nun ein Fest III. Klasse – also ein liturgisch nachrangiges. Wie dies?
Wikepedia hilft weiter:

    Nach heutigem Forschungsstand handelt es sich bei Katharina mit großer Sicherheit um eine erfundene Gestalt. Die Katharina-Legende wurde vermutlich nach der Persönlichkeit und dem Schicksal der spätantiken, von Christen ermordeten Philosophin Hypatia aus Alexandria (ca. 355–415/416) konstruiert. Dabei wurden die Rollen von Christen und Heiden vertauscht.

Das ist der Punkt.
Alexandrien würde man aus heutiger Perspektive wohl als Universitätsstadt bezeichnen. Die Spätantike war eine Zeit hoher intellektueller Auseinandersetzung. Jüdische Gelehrte, Vertreter:innen verschiedener philosophischer Schulen, dann auch christliche Gelehrte waren dort vertreten. Die hebräischen Schriften wurden ins Griechische übersetzt, christliche Schriften kursierten in viel größerer Zahl, als wir heute in der Bibel kennen. Philosophische Schulen disputierten miteinander, es gab Literatur, Kunst und Naturwissenschaft.

Gesellschaftlich war diese Zeit des dritten und vierten Jahrhunderts auch eine sehr unruhige. Das Römische Reich war nicht mehr so dominant und die Ausrichtung: welche Götter?, welche Religion?, welcher Kult?, war nicht eindeutig vorgeschrieben. Es gab wohl auch sehr lebendigen schriftlichen Austausch zwischen Gelehrten rund um das Mittelmeer – von Byzanz, dem späteren Konstantinopel, nach Rom, nach Alexandrien, nach Athen und wo immer auch hin. Schiffe verkehrten viel und fast wie im Linienverkehr. Zudem war die Zeit geprägt vom Klimawandel. Nordafrika wurde immer trockener.

Und die Frage: Warum?, wie das weitergehen sollte, und was das für die Menschen bedeutete, war sicher auch damals eine vieldiskutierte.

Nun also eine Philosophin – Hypatia – eine Frau, studiert, gebildet, eine Lehrerin, die ihr Wissen an ihre Schülerinnen und Schüler weitergibt in einer Stadt, die als multikulturell und religiös tolerant bekannt war. Es spricht für dieses Alexandrien der Spätantike, dass es dort eine Hypatia gab. Wie sie zum Christentum stand? Sicher war sie keine Christin, sondern lehrte und vertrat die Philosophenschulen des alten Griechenlands. Schriften, die sie verfasst haben könnte oder verfasst hat – nicht überliefert. Sie wurde nachweislich ermordet – und zwar von Christen.

In einem Artikel im „National Geografic“ vom Nov 2021 steht – Zitat:

    Aber Hypatia war eine hochgebildete und hochintelligente Frau, die von ihren Zeitgenossen geschätzt und bewundert wurde: als Mathematikerin, Astronomin und Philosophin. Kurz um eine Universalgelehrte, deren Ausbildung der ihrer männlichen Kollegen in nichts nachstand. „Es gab in Alexandria eine Frau, […] die in Literatur und Wissenschaft so erfolgreich war, dass sie alle Philosophen ihrer Zeit übertraf“, schrieb ihr Zeitgenosse Sokrates Scholastikos und traf es damit wohl auf den Punkt. Doch mit den Jahrhunderten geriet sie fast in Vergessenheit. Nur dass sie ermordet wurde, blieb von ihrem Erbe übrig.
    Geboren wurde Hypatia von Alexandria um 370 n. Chr. als Tochter des angesehenen Mathematikers und Astronomen Theon von Alexandria und genoss als solche eine umfangreiche Ausbildung. Sie wuchs in der Schule ihres Vaters und in einem Umfeld aus Gelehrten auf, studierte am Museion – einer philosophischen Bibliothek und Schule in Alexandria – und galt schon früh als außerordentlich intelligent.
    Schnell unterrichtete sie selbst an Theons Schule, an der sie schließlich Vorsteherin wurde und sie maßgeblich weiterentwickelte. Ihr Wirken ging jedoch über die Schule hinaus. Sie hielt öffentliche Vorträge in Alexandria, zu denen Menschen, darunter vor allem auch Philosophen, die von überall kamen – nur, um sie sprechen zu hören. Unter ihren Zeitgenossen wurde Hypatia schnell als eloquente und geschickte Rednerin bekannt, die im griechisch-antiken Geist und dennoch zukunftsgewandt die Lehren der Philosophie verbreitete.
    Sie wird ermordet, und die Schilderungen gleichen denen, mit denen christliche Märtyrertode geschildert werden. Grausam und detailverliebt.

Eine wichtige, gebildete, schöne, unabhängige und von den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen verehrte Frau. Ihr Selbstverständnis, Ihr beruflicher Werdegang – das alles taugt durchaus auch als Vorbild für heutige Lebensentwürfe von Frauen. Das tun, was interessiert, und gut darin sein.

Ist es gewagt, der Heiligen Katharina zu danken, dass sie uns auf die Hypatia aufmerksam macht? Schließlich werden Katharina genau diese Attribute zugeschrieben. Gebildet, unabhängig – in der christlichen Tradition heisst das dann, sie sei Jungfrau geblieben und wollte ganz Jesus gehören – , selbstbewusst und kreativ auftretend, lehrend. Katharina ist die Patronin der Philosoph:innen und Studierenden …

Mir gefällt das Bild, dass wir Hypatia wiederfinden können durch die Geschichte eine traditionell reich ausgeschmückten Heiligenfigur der Kirche. Ich möchte Hypatia nicht christlich vereinnahmen – ich möchte Sie anerkennen in ihrer Leistung und ihrer philosophischen Denkkraft. Sie ist es wert, gekannt zu werden.

Vom christlichen Standpunkt aus – lesen Sie nochmal das Evangelium, das den christlichen Märtyrerinnen beim Gedenktag gewidmet ist. Selbstverleugnung und Treue zu den Überzeugungen. Das war sicher Teil ihrer Lebenshaltung.

Also bleib ich dabei. Ein Dank an die Figur: Katharina von Alexandrien für den Weg zu Hypatia, zu Mut, Würde und Großem Denken. Amen.
—————————————————————————————————————————————————–
Nachweis:

Willi Fährmann, „Das neue Leben“, aus: Ich bin mit dabei!, Lieder und Geschichten durch das ganze Jahr, CD-Bonifatiuswerk, Robert Haas Musikverlag, 2006

Den ganzen Artikel aus dem national geografic finden in folgendem link (18.11.2022):
https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2021/11/wer-war-hypatia-von-alexandria

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Katharina und Hypatia: Selbstverleugnug und Treue – Zum Gedenktag der hl. Katharina von Alexandrien am 25.11.

  1. Lydia sagt:

    Und vielen DANKfür diese aufschlussreiche Predigt! tut richtig gut, als Frau das zu lesen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 1 = 8

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>