Wenn Gott sich ändert – 3. Sonntag im Jahreskreis B

Erste Lesung aus dem Buch Jona, Kapitel 3
1 Das Wort des Herrn erging zum zweiten Mal an Jona:
2 Mach dich auf den Weg und geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr all das an, was ich dir sagen werde.
3 Jona machte sich auf den Weg und ging nach Ninive, wie der Herr es ihm befohlen hatte. Ninive war eine große Stadt vor Gott; man brauchte drei Tage, um sie zu durchqueren.
4 Jona begann, in die Stadt hineinzugehen; er ging einen Tag lang und rief: Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört!
5 Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus und alle, Groß und Klein, zogen Bußgewänder an.
10 Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn,
Gemeindereferentin,
Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Wenn Gott sich ändert

Liebe Leserin, lieber Leser,
Wenn ich vom Propheten Jona höre, habe ich direkt die Geschichte vor Augen, seine Weigerungshaltung auf Gottes Ruf hin, seine Flucht auf das Meer und wie er im Walfischbauch landet… und kaum ist er dem Tod entkommen und kommt am Strand wieder zu sich, wiederholt Gott fast unerbittlich den Auftrag, nach Ninive zu gehen.
An dieser Stelle nun, finden wir die Zeilen der heutigen Lesung.

In knappen Sätzen und recht schnörkellos kommt sie daher und ist doch aufgeladen mit unglaublicher Energie und Botschaft für unseren Glauben.

Der Prophet selbst spielt in den Zeilen der Lesung gar nicht so die entscheidende Rolle. Vielmehr ist er hier wirklich der Bote, der das Wort Gottes bringt, eher die Randfigur, und die eigentliche Beziehung geht zwischen den Menschen von Ninive und Gott hin und her.

Ninive ist der Name einer Stadt, die eine Zeit lang die Hauptstadt des assyrischen Reiches war. Ninive in der Erzählung eine große Stadt, steht für alles, was GROß ist und an die Grenzen des Menschenmöglichen rührt. Eine Stadt, die sich selbst zum Maßstab macht und stets nach noch Größerem strebt. Sie steht für ein Übermaß, ein Unmaß an Selbstgefälligkeit, Selbstgerechtigkeit, Gewalt und Machtanspruch, Unabhängigkeit.
Sie war eine große Stadt vor Gott, so der Text, eine Stadt, die den Gott Israels nicht kannte und ihm doch nicht egal war.
Und den Menschen dieser Stadt widerfuhr Erstaunliches.

Jona geht mitten hinein. Er begibt sich in das Gewühl und Gewirr groß – städtischen Lebens und verkündet die kurze und knappe Botschaft seines Gottes:
Noch vierzig Tage, und Ninive ist zerstört!

Wie kommt es, dass er wahrgenommen wird?
Wie kommt es, dass ein Fremder ernstgenommen wird?
Wie kommt es, dass einem bislang unbekannten Gott Ehre erwiesen wird?

Den Menschen von Ninive wird mit der Frist von 40 Tagen eine Zeitansage gemacht.
Alles Unrecht, alle Gewalt hat nur eine bestimmte Zeit.
Alles Leben, sei es nun gerecht oder ungerecht hat nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung und dann ist Ende. Es geht nicht endlos weiter.
Ninive ist angezählt.

Vielleicht hat es den fremden Propheten gebraucht, um dies zu erkennen und wie in einem Spiegel zu sehen, wohin das eigene Leben und die Gesellschaft laufen, wenn sie immer weiter machen wie bisher.
Vielleicht schlummert aber auch in jedem Menschen die Erkenntnis, was Leben und Glaube bedeutet – auch oder gerade in jenen, die aus der Sicht der Frommen mit Religion nichts am Hut haben.
Alle Menschen, so unser Glaube sind nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und tragen das Geheimnis in sich, sich selbst und Gott wiederzufinden. Auch jenseits des Paradieses.

Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus, und alle, Groß und Klein, zogen Bußgewänder an.

Ninive staunt und glaubt.
Ninive staunt über den fremden Mann, staunt über die Worte und vor allem:
Ninive staunt über den Gott, den der Prophet verkündet.
Ninive staunt, glaubt, handelt und hofft.

Eigentlich war in der Verkündigung von Jona kein Spielraum für Verhandlungen mehr und doch fangen die Menschen an, sich zu ändern.
Gross und Klein, ALLE sind mit einbezogen, ALLE machen mit. ALLE sind wichtig.
Alle haben Anteil an der Hoffnung, dass vielleicht doch noch ein anderer Ausweg als das Ende gefunden wird, wohl wissend, dass sie keinen Anspruch darauf haben.

Das ist Glaube, Glaube jenseits von einem verstandesgeleiteten Wissen.
Glaube, der aus der echten Umkehr kommt.
Glaube, der sieht, dass ein Endpunkt erreicht wird und der nichts weiß, außer dass Gott groß und allmächtig ist.
Glaube, der groß von Gott denkt, so groß, dass auch die Möglichkeit gedacht wird, dass Gott sich gereut und seine Meinung ändert.

Und was passiert?
Gott ändert seine Haltung und seine Entscheidung und die Stadt wird nicht zerstört.
Gott ändert sich.

Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten.

Gott sieht genau hin.
Er sieht das Herz der Menschen, er sieht ihre Umkehr und sieht ab von seinem Entschluss. Er gibt der Stadt eine neue Chance.

Ist das nun inkonsequent? pädagogisch falsch?
Wird Gott „schwach“?
Im Gegenteil – nirgends wird deutlicher, was diesen Gott so kennzeichnet und ausmacht. Ein Gott, der sich nicht mit „entweder – oder“ zufrieden gibt, der größer ist als unser dualistisch geprägtes Denken.

Gott lässt sich umstimmen.
Gott sieht auf das Herz des Menschen.
Gott macht keine Unterschiede – weder nach Religionszugehörigkeit noch nach Beruf oder Status innerhalb der Religion.
Er ändert seine Haltung, weil es ihn reute – frei und durch nichts zu erzwingen.

Wenn Gott sich ändert, dann gewinnt die Rede von der Umkehr eine neue Qualität.
Wenn Gott sich ändert, dann gibt es doch keine größere Einladung für uns, auch unser Leben zu ändern, neu zu ordnen, die Begrenztheit anzuerkennen und uns von der Hoffnung leiten zu lassen.
Bei Gott ist eigentlich kein Platz für religiöse Hardliner.

Wenn Gott sich ändert, ist das auch an den Propheten Jona eine Einladung, sich zu ändern und sich auf den Weg zu einem lebendigen, manchmal risikoreichen und nicht immer berechenbaren Lebens- und Glaubensweg zu machen und diesen lebendigen Gott in sein Herz einzulassen, ihm sein Herz zu öffnen.

Wenn Gott sich ändert, ist das auch eine Einladung an uns, uns immer wieder verändern zu lassen, keine „endgültigen“ Lösungen, Glaubenssätze oder Entscheidungen zu suchen und sie als vermeintliche Sicherheiten festhalten zu wollen.

Leicht könnte uns der Einwand kommen: Dann ist Religion ja beliebig, willkürlich, wankelmütig, je nach Wetterlage dreht sie sich im Wind…
Dies zu denken, hat nur Platz, wenn wir Gott unterstellen, dass er sich automatisch ändert, sobald die Menschen ihm Reue zeigen.
Und das geht genau nicht – es geht nicht um Reue zeigen,
sondern um ein Herz, das sich erweichen lässt, weil die Werte sich verschieben.
Dieser Umkehr des Herzens folgen Taten.
Wirkliche Umkehr lässt sich nicht von außen bewerten, aber Gott sieht sie.
Das ist unsere Hoffnung, unser Glaube.

Vielleicht liegt in dieser Erzählung auch eine Perspektive für Krisen, die wir erleben.
„Alternativlos“ ist ein Wort, das in den letzten Monaten oft gebraucht wurde, doch es ist eigentlich für nichts in unserem Glauben zu gebrauchen.
Der Schritt, der in die Zukunft führt, liegt jenseits des „entweder – oder“.
Der Schritt, der Gott anrührt führt über echtes Hören, echtes Staunen, in Handlungen echter Hoffnung.

So können wir uns fragen:
Findet der Prophet zu uns?
Findet der Prophet bei uns Gehör?
Hören wir Gottes Ansage: „Es ist genug?“
Bewegen wir uns?
Hoffen wir, dass wir Gott bewegen?

Vielleicht schauen wir doch noch auf Jona, den Propheten.
Jona wollte eigentlich nicht Prophet sein und er wehrt sich gegen diesen scheinbar so vereinnahmenden Gott.
Vielleicht wollte einfach ein rechtschaffener Mensch sein, der nach den Geboten und Gesetzen der Religion sein Leben gerecht vor Gott lebt und seine Ruhe haben will.
Dass Gott ihn als Prophet ruft, passt ihm gar nicht. Er sucht es nicht, das Abenteuer und die Gottesbegegnung in dieser Art wahrscheinlich auch nicht.
Erst später, nach dem Abenteuer mit der Seereise gibt er quasi nach und folgt Gottes Auftrag.
Er geht also hin, kündet den Untergang an.
Im Hebräischen sind das gerade mal fünf Wörter – sozusagen „Dienst nach Vorschrift“ und dann hören wir zunächst nichts mehr von ihm.
Später stellt sich heraus, dass er wieder nicht zufrieden ist, weil das Spektakel des Gerichts ausbleibt, was er wiederum ungerecht findet.

Jonas Gottesbild passt nicht mehr zu seinem Glauben, den er kennt, den er lebt.
Gott ist unterwegs zu ihm und mit ihm.
Gott braucht seinen Dienst, seine Hilfe.
Gott liebt ihn genauso wie er jene Heiden in Ninive liebt.
Jona begegnet einem Gott, der nie fertig ist in der Beziehung zu ihm, der ihn beharrlich fordert und liebevoll und geduldig begleitet.

Jona lernt einen Glauben, der vom Kopf ins Herz hinabsinkt und dadurch lebendig wird.
Gott verändert sich.
Gott verändert Jona.

Manchmal sind wir wie die Einwohnerinnen und Einwohner von Ninive, die aufgefordert sind, das eigene Leben genau in den Blick zu nehmen, es wertzuschätzen und auf Gott zu hoffen, angesichts der eigenen Unzulänglichkeit. Denn Gott macht uns groß durch seine Liebe.

Manchmal sind wir auch wie Jona, fest verwurzelt in der Tradition und in einem Glauben, den wir zu besitzen glauben. Und wir sind aufgefordert, uns in Bewegung zu setzen, dem ungewissen Ausgangs des Abenteuers Leben mit Gott zu trauen, weich zu bleiben und lebendig, immer das Leben in den Mittelpunkt und über die Gesetze zu stellen.

Gott ändert sich, damit auch wir uns trauen, uns zu ändern.

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Eine Antwort auf Wenn Gott sich ändert – 3. Sonntag im Jahreskreis B

  1. W. sagt:

    Diese Predigt richtet auf. „weich zu bleiben und lebendig“also für Gott formbar zu bleiben ist unsere Aufgabe. Das Leben über unsere Prinzipien zu stellen, sollte uns Frauen nicht so schwer fallen.

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