Bedenke, dass du leben darfst – 3. Fastensonntag C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 13
1 Zu jener Zeit kamen einige Leute und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte.
2 Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist?
3 Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.
4 Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem?
5 Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
6 Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine.
7 Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
8 Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.
9 Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!

Autorin:
Dr. Ulrike AltlherrDr. theol. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in Herrenberg

 
Die Predigt:
Bedenke, dass du leben darfst

Liebe Leserin, lieber Leser,
wer die Zeitung aufschlägt oder Nachrichten hört oder sieht, wird zuerst etwas von schlimmen Unglücksfällen oder Krieg erfahren. Wir sind dann kurz erschüttert, aber auch froh, dass es andere getroffen hat und nicht uns. Es trifft, so die verbreitete Vorstellung, sowieso immer die anderen. „Alle denken, dass ausgerechnet sie nicht sterben müssten“, sagte mir ein Patient auf der Palliativstation. Der Tod ist weit weg, jetzt aber durch den Krieg in der Ukraine näher gerückt. Es scheint einen Unterschied zu machen, ob in Mariopul oder Kiew oder in Äthiopien oder Afghanistan Menschen bei kriegerischen Auseinandersetzungen umkommen.

Der erste Teil des heutigen Evangeliums erzählt von Menschen aus Galiläa, die Pilatus beim Opfern im Tempel hatte abschlachten lassen und von Leuten, die beim Einsturz eines Turms am Schiloach in Jerusalem erschlagen wurden, mithin von Mord- und Unfallopfern. Bei Zeitgenossen Jesu war die Meinung vorherrschend, dass jemand, der so ums Leben kam, irgendeine Schuld auf sich geladen haben musste. Tun-Ergehens-Zusammenhang nannte man das in der damaligen Theologie.

Nein sagt Jesus, das stimmt so nicht. Ihr anderen braucht euch nicht so sicher zu fühlen. Ihr werdet ebenso umkommen, wenn Ihr nicht umkehrt. Ganz ohne Schuld ist kein Mensch. Es ist dringend, dass ihr umkehrt und euer Leben ändert.

Vermutlich sagt er mir damit: Es ist nicht egal, wie du lebst, wie du dich entscheidest. Die Hinwendung zu Gott ist das Wichtigste und das duldet keinen Aufschub. Es kann schnell zu spät sein.

Vor allem in der Barockzeit waren Darstellungen, die an den Tod erinnerten, allgegenwärtig: Uhren mit Totenköpfen, Skelette auf bildlichen Darstellungen. „Memento mori“, „Bedenke, dass du sterben wirst“, heißt dieses seit der Antike bekannte Motiv. Es sollte die Menschen jederzeit daran erinnern, dass sie sterben könnten ohne darauf vorbereitet zu sein. Das hat ganz schön Angst gemacht, Angst nicht gut genug gelebt zu haben und deswegen in die Hölle zu kommen.

Trotzdem kann so ein „memento mori“ sinnvoll sein, nämlich in dem Sinn, dass ich so lebe, dass ich auch gut von dieser Welt gehen kann. Wenn ich mir bei allem, was mir so wichtig erscheint, die Frage stelle, „Wäre es mir auch noch wichtig, wenn ich heute sterben müsste?“, wäre vielleicht manches nicht mehr so wichtig, würde ich mich über manches nicht mehr so sehr aufregen. Vielleicht ist es gerade jetzt in der Fastenzeit dran, mich zu fragen „Lebe ich so, wie Gott es von mir will? Habe ich mich wirklich für Gott und sein Reich entschieden? Was will er, dass ich mit meinem Leben anfange?….“

Das führt dann zu der Frage: Was könnten „gute Früchte“ in meinem Leben sein, von denen im zweiten Teil des Evangeliums im Gleichnis vom Feigenbaum die Rede ist. D.h. im Gleichnis ist vielmehr vom Fehlen, vom Ausbleiben der erwarteten Früchte die Rede. Und was tut üblicherweise ein Besitzer eines Feigenbaums, oder in unseren Breiten eines Apfel-, Birn- oder Kirschbaums, der nur Blätter hat? Man rodet ihn. Das war damals nicht anders.

Doch im Gleichnis Jesu läuft es anders. Der Feigenbaum hat einen Fürsprecher: der Winzer bittet um ein Jahr Aufschub. Und er hat vor, dem mickernden Feigenbaum aufwändige Pflege angedeihen zu lassen, nämlich den Boden um ihn herum aufzugraben und ihn zu düngen. Das tat damals und tut vermutlich auch heute kein „normaler“ Winzer oder Baumbesitzer. Dem Winzer muss der Baum sehr am Herzen gelegen haben, so dass er eine Gnadenfrist für ihn aushandelt.

Wer ist nun der Feigenbaum? Das ist im Gleichnis nicht eindeutig erkennbar. Damit kann das Volk Israel gemeint sein oder auch jeder einzelne Mensch. Vielleicht ist der Winzer Jesus und der Besitzer des Feigenbaums Gott. Was eindeutig ist, der Winzer setzt sich ein für den Feigenbaum, in Wort und Tat, und will ihm so doch noch zu guten Früchten verhelfen. Der Baum bekommt eine unverdiente Gnadenfrist, d.h. Israel oder jede und jeder einzelne, bekommt noch eine Chance. Jesus schreibt niemanden ab.

Nicht die Drohung steht am Ende, sondern die Einladung, gute Früchte zu bringen. Wenn wir uns in die Situation des Feigenbaums versetzen, dürfen wir uns freuen über neue, bessere Erde, in der wir besseren Halt für unsere Wurzeln haben und auf Dünger, der uns neue Kraft gibt und es ermöglicht erst zu blühen – beim Feigenbaum ist da nur ein verdicktes Stilende zu sehen, – und dann dicke, süße Früchte zu bringen, Früchte voller Leben.

Das memento mori , das „Bedenke, dass du sterben wirst“ hat seine Berechtigung als Mahnung, aber gleichzeitig auch das „Bedenke, dass du leben darfst“. Ganz viel von diesem Leben, das den Tod nicht fürchten muss, wünsche ich uns allen. Amen!

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