Komm und sieh! – 5. Fastensonntag A

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 11
In jener Zeit
1 war ein Mann krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf der Maria und ihrer Schwester Marta.
2 Maria war jene, die den Herrn mit Öl gesalbt und seine Füße mit ihren Haaren abgetrocknet hatte; deren Bruder Lazarus war krank.
3 Daher sandten die Schwestern Jesus die Nachricht: Herr sieh: der, den du liebst, ist krank.
4 Als Jesus das hörte, sagte er: Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes. Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.
5 Jesus liebte aber Marta, ihre Schwester und Lazarus.
6 Als er hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt.
7 Danach sagte er zu den Jüngern – und Jüngerinnen: Lasst uns wieder nach Judäa gehen.
8 Die Jünger entgegneten ihm: Rabbi, eben noch suchten dich die Juden zu steinigen und du gehst wieder dorthin?
9 Jesus antwortete: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand am Tag umhergeht, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht;
10 wenn aber jemand in der Nacht umhergeht, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist.
11 So sprach er. Dann sagte er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken.
12 Da sagten die Jünger – und Jüngerinnen – zu ihm: Herr, wenn er schläft, dann wird er gesund werden.
13 Jesus hatte aber von seinem Tod gesprochen, während sie meinten, er spreche von dem gewöhnlichen Schlaf.
14 Darauf sagte ihnen Jesus unverhüllt: Lazarus ist gestorben.
15 Und ich freue mich für euch, dass ich nicht dort war; denn ich will, dass ihr glaubt. Doch wir wollen zu ihm gehen.
16 Da sagte Thomas, genannt Didymus – Zwilling -, zu den anderen Jüngern – und Jüngerinnen: Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben!
17 Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen.
18 Betanien war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien entfernt.
19 Viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten.
20 Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus sitzen.
21 Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
22 Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.
23 Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen.
24 Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag.
25 Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt,
26 und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?
27 Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.
28 Nach diesen Worten ging sie weg, rief heimlich ihre Schwester Maria und sagte zu ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen.
29 Als Maria das hörte, stand sie sofort auf und ging zu ihm.
30 Denn Jesus war noch nicht in das Dorf gekommen; er war noch dort, wo ihn Marta getroffen hatte.
31 Die Juden, die bei Maria im Haus waren und sie trösteten, sahen, dass sie plötzlich aufstand und hinausging. Da folgten sie ihr, weil sie meinten, sie gehe zum Grab, um dort zu weinen.
32 Als Maria dorthin kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
33 Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert.
34 Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie sagten zu ihm: Herr, komm und sieh!
35 Da weinte Jesus.
36 Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte!
37 Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb?
38 Da wurde Jesus wiederum innerlich erregt und er ging zum Grab. Es war eine Höhle, die mit einem Stein verschlossen war.
39 Jesus sagte: Nehmt den Stein weg! Marta, die Schwester des Verstorbenen, sagte zu ihm: Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag.
40 Jesus sagte zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?
41 Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast.
42 Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herum steht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.
43 Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!
44 Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!
45 Viele der Juden, die zu Maria gekommen waren und gesehen hatten, was Jesus getan hatte, kamen zum Glauben an ihn.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindepastoral, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen, jetzt Pfarrgemeinderätin in St. Bruno, Würzburg

 
Die Predigt:
Komm und sieh!

Liebe Leserin, lieber Leser,
spät bin ich heute dran mit meinem Text. Aber nein, ich habe nicht Corona, jedenfalls gehe ich davon aus. Kann man es wissen? Ein Kratzen im Hals, zwischendurch Husten, der gestern noch nicht da war, ein bisschen Schnupfen – ist es die normale Frühblüherallergie? – Oder doch …? Beklemmung geht um, das ist nicht zu leugnen.

Mir wirft man immer wieder vor, dass ich mir die Dinge schön rede. Ich sehe es – wen wundert´s – anders. Ich bin einfach, ohne dass ich etwas dazu kann, grundsätzlich optimistisch – bis zum Erweis des Gegenteils. Zur Zeit fühle ich, wie die Bedrohung auch mich ergreift. Die Welt ist krank, bis in die entlegensten Gebiete infiziert von einem winzig kleinen Virus. Und alles kommt ins Rutschen. Niemand weiß, wie es weiter gehen wird.

Viele Ratschläge gibt es zur Zeit, viele Versuche zu trösten und aufzumuntern. Danke dafür an alle! Und vielleicht gibt es ja in dieser Krise den „schöpferischen Sprung“ (Verena Kast), dass die Menschheit aufwacht aus dem Kreislauf des Noch-Schneller, Noch-Besser, Noch-Reicher, Noch- mehr-Abgelenkt, Noch-Schriller. Vielleicht.

Vielleicht wache i c h auf und mache ernst mit dem Umkehren aus Zwängen, die mir selber schon lange bewusst sind, aber mich immer wieder zurückfallen lassen. Ich hoffe es.

Auf diesem Hintergrund lese ich das Evangelium von der Auferweckung des Lazarus.

Herr sieh, den du liebst, er ist krank.
So lautet die Nachricht der Schwestern Marta und Maria an Jesus. Ich finde nichts von Wunsch oder Bitte, nicht: tu das! oder mach, dass …! Sondern einfach nur „sieh“!
Sieh Herr, unsere Welt, die du liebst, ist krank! Ein Virus hat sie aus den Angeln gehoben. Überall Angst und Unsicherheit.

Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes.
Woher kann Jesus das wissen? Er bleibt gelassen, lässt sich nicht drängen und strahlt damit ohne Worte aus: keine Angst, keine Panik! – Der Tod, vor dem man sich wirklich fürchten muss, ist etwas ganz Anderes. – Gottes Herrlichkeit ist so unendlich viel mächtiger.

Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken.
Der leibliche Tod ist in den Augen Gottes wie Schlafen. So wie die Eltern morgens in normalen Zeiten die Kinder wecken, so wird auch Gott seine Menschen aufwecken. Das klingt so sanft und tröstlich. Ich möchte es glauben. Auch in der Geschichte von der Tochter des Jairus sagt Jesus: Das Kind ist nicht tot, es schläft nur. Da verlachten sie ihn. (Markusev., 5. Kapitel)

In dieser Woche ist eine liebe Verwandte unerwartet schnell an ihrer Leukämie gestorben. Wir können uns nicht mal von ihr verabschieden. Herr sieh, wecke auch sie und alle die vielen Toten dieser Wochen auf in deine göttliche Herrlichkeit.

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.
Der Bischof von Würzburg hat zur Fastenzeit ein Hirtenwort über das kontemplative Beten verfasst, das heißt, über das betrachtende Beten. Dieses Wort Jesu eignet ist ganz besonders dafür: einfach ein Wort der Bibel wirken lassen ohne darüber nachzudenken. Keine Einfälle und Gedanken, kein Für und Wider zulassen. In einer Zeit der Stille vor mich hin sprechen: Ich b i n die Auferstehung und das Leben! Und schweigen. Abwarten: Wie geht es mir damit? Nach und nach spüren, was das bedeutet: Gottes Herrlichkeit.

Da weinte Jesus.
Auch der Johannesevangelist zeigt uns Jesus als Menschen. Der Zorn packt ihn. Auch für ihn soll der Tod, der Abschied von einem für uns wichtigen Menschen, nicht sein.
Du bist die Auferstehung und hattest dennoch Angst vor den Schmerzen, vor den Qualen, vor dem Tod. Herr, komm und sieh! Du kennst unsere Tränen und unseren Kummer. Bleibe bei uns heute und alle Tage in dieser beklemmenden Zeit. Bleibe bei den alten Menschen, die keinen Besuch bekommen und in den Familien, die es nicht mehr miteinander aushalten. Bleibe bei ihnen, bitte.

Die täglichen Wunder
Vor drei Jahren schrieb ein Leser den folgenden Kommentar:

    Vielleicht kann die Kreatur diese unsägliche Unbegreiflichkeit ( gemeint ist die Wirklichkeit des Leides und gleichzeitig die Gegenwart Gottes) nur deshalb aushalten, weil ER täglich Wunder wirkt, die uns “im Glauben“ festhalten….

Eigentlich will ich keine Tipps geben aber ich kann dem nur zustimmen und möchte Sie anregen, selber auf Wundersuche oder Zeichensuche zu gehen. Es ist ein sehr persönliches Unternehmen, denn was die eine für ein Wunder hält, ein Zeichen der göttlichen Herrlichkeit, kann für den anderen eine Banalität sein: bei mir heute ein Eichelhäherpaar und ein Zeisig am Futterhaus nach sehr langer Zeit, die Stille um einen her, die Freundlichkeit vieler Menschen … Solche Erlebnisse kann man erzählen, anderes gehört einem ganz allein. Sie halten uns im Glauben fest, wie der Leser schrieb.

Alles Gute für Sie in den kommenden Wochen. Wir gehen auf Ostern zu. Amen

P.S. Bitte denken Sie auch an die Misereor-Aktion unter dem Leitwort: Gib Frieden! für die Flüchtlingsarbeit im Libanon und in Syrien.
Da die Kollekten ausfallen können Sie entweder in Ihrer Kirche spenden oder über www.misereor.de

    Ernstfall
    Gebet in Zeiten von Corona

    Ist genug im Haus und alles bedacht?
    Was wird morgen sein?
    Haben wir gut vorgesorgt für den Ernstfall?

    Gott der Güte, öffne uns die Augen für den Ernstfall:
    in Zeiten eigener Sorge,
    die Sorge um die Nächsten nicht zu vergessen!
    Hilf uns, verbunden zu bleiben:
    die Starken mit den Schwachen,
    die Jungen mit den Alten,
    die Gesunden mit den Kranken.

    Hilf uns, solidarisch zu leben,
    umsichtig zu entscheiden,
    aus der Hoffnung zu handeln
    und neue Wege zu gehen!

    Du hast uns gerufen.
    Wir können es wissen.
    Wir werden handeln.
    Du heißt uns hoffen.

Dorothee Sandherr-Klemp
Geistliche Beirätin KDFB

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