Nicht müde werden – 29. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 18
In jener Zeit
1 sagte Jesus seinen Jüngern – und Jüngerinnen – durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
2 In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
3 In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher
4 Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht;
5 weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
6 Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt.
7 Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?
8 Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

Autorin:
Passfoto A.R.Angela Repka, Offenbach, Literaturübersetzerin, verheiratet, zwei Söhne, vier Enkelkinder, Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische Tätigkeit in der Pfarrgemeinde

 
Die Predigt:
Nicht müde werden

Liebe Leserin, lieber Leser,
lassen Sie mich mit einer kleinen Geschichte beginnen, die kürzlich passiert ist. Sie hängt mit meiner Tätigkeit beim Lisbeth-Treff zusammen, der für Bedürftige da ist, die sich in unserer Gemeinde St. Elisabeth alle 14 Tage Lebensmittel abholen können. Im Treff gibt es nicht nur etwas zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen, sondern auch gespendete Kleidung, Wäsche und anderes mehr. Manchmal fragen uns die Leute nach Sachen, die sie dringend benötigen, so wie vor einiger Zeit der Vater einer vielköpfigen Flüchtlingsfamilie Er brauchte Schuhe, doch es fand sich nichts Passendes. Beim letzten Treff suchte er immer noch.

Die Sache ging mir nach und ich trug sie auch Gott vor, wie so manches in den über zehn Jahren, seit der Lisbeth-Treff besteht. Dann fiel mir ein: Frag doch mal beim Nachbarn nach! Als ich diesem kurz darauf begegnete, erkundigte ich mich erst nach seiner Schuhgröße und rückte dann mit meinem Anliegen heraus. Er habe neulich Schuhe weggeworfen und habe jetzt nichts, meinte er. Wir plauderten noch ein wenig, dann trennten wir uns. Kurz darauf kam mein Mann und sagte: Der Nachbar hat draußen Schuhe hingestellt. Freudig eilte ich hinaus und tatsächlich standen da zwei Paar in der gesuchten Größe – ein Paar gebrauchte Schuhe und ein Paar nagelneue Sportschuhe. Ich bedankte mich beim Nachbarn und fragte, warum er die neuen Schuhe weggebe. Die stünden schon drei Jahre bei ihm im Schrank, er trage sie nicht, erwiderte er. Nun kommen sie einem Menschen zugute, der sich keine leisten kann.

Es macht Freude, jemandem etwas geben zu können, was er oder sie gerade braucht. Es geht aber nicht nur um die gebrauchten Dinge, sondern ebenso – und manchmal sogar noch mehr – um die erfahrene Wertschätzung: Jemand denkt an mich, kümmert sich und gibt nicht auf, bis er etwas für mich erreicht hat, selbst wenn es etwas länger dauert wie im Fall der Schuhe. Nicht viel, könnte man sagen. Und doch ein kleiner Lichtpunkt vor einem vielfach dunklen Hintergrund.

Dranbleiben, nicht aufgeben – damit sind wir bei der Geschichte aus dem heutigen Evangelium, die Jesus den Seinen erzählt, damit sie erkennen, wie notwendig es ist, in der Bedrängnis unermüdlich zu beten und im Tun des Guten nicht nachzulassen. Die Witwe aus dem Gleichnis, die dem ungerechten Richter keine Ruhe lässt, bis er ihr Recht verschafft, wird ihnen mit ihrem Widerstand und ihrer Beharrlichkeit als Mut machendes Vorbild präsentiert. Eigentlich hat sie bei diesem Vertreter der damaligen Elite, der, wie es heißt, weder Gott achtet noch auf Menschen Rücksicht nimmt – also seine Macht missbraucht – keinerlei Chance. Als Witwe gehört die Frau aber, zusammen mit den Waisen, zu den besonders Schutzbedürftigen, was im Alten Testament an vielen Stellen betont wird und worauf auch Jesus mit seinem Gleichnis hinweist. Schafft Recht den Waisen und führt die Sache der Witwe!(Jes 1,17) Doch das kümmert den ungerechten Richter nicht. Im Gegenteil, in seinem Selbstgespräch unterstellt er der Frau, die nicht locker lässt und die er loswerden will, gewalttätige Absichten. Er macht sie verächtlich. Sein Eintreten für ihr Recht „entschuldigt“ er dann quasi als Akt der Notwehr, damit er nachher seinen Machtmissbrauch wie gewohnt fortsetzen kann. An Umkehr denkt er nicht.

Die Witwe aber darf darauf vertrauen, dass sie das göttliche Recht auf ihrer Seite hat. Daraus wächst ihr Mut zum Widerstand, das macht sie in ihrer Schwachheit stark. Mit Gott als Verbündetem verhilft sie dem Recht zum Durchbruch und setzt damit ein starkes Hoffnungszeichen gegen die Resignation vor ungerechten Verhältnissen und Schwierigkeiten. Die hartnäckige Witwe wird so zum Vorbild für die Nachfolgegemeinschaft Jesu – damals wie heute: Beten, bitten, handeln, damit wir den richtigen Augenblick nicht verpassen und mit leeren Händen dastehen.

Auf die hartnäckige Witwe aus dem Gleichnis Jesu berufen sich übrigens auch immer wieder Frauen, die in unserer nach wie vor von Männern dominierten Kirche für ihre Rechte eintreten und ihre Zurücksetzung nicht länger stillschweigend hinnehmen. Schon die heilige Teresa von Avila brachte es vor über 400 Jahren auf den Punkt, als sie klagte, die Kirche weise fähige Frauen zurück, nur weil sie Frauen sind. Ein gewisses Umdenken hat zwar hier und da bereits eingesetzt, aber das reicht nicht. Jüngstes Beispiel ist die zur Zeit in Rom tagende Pan Amazonien-Synode, bei der keine Frauen mit abstimmen dürfen, nicht einmal die 20 eingeladenen Ordensfrauen – wohl aber ein Ordensmann ohne Priesterweihe. Einige Bischöfe haben inzwischen ein auf Frauen erweitertes Stimmrecht beantragt. Außerdem gab es eine Petition gegen den Ausschluss.

Immer mehr Frauen und auch Männer werden heute nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Frauen ebenso wie Männer als Ebenbild Gottes geschaffen sind und dass sie als Getaufte und Gefirmte gleichwertige Mitglieder ihrer Kirche sind, was ihre Gleichstellung mit einschließen muss. Der Ausschluss der Frauen von der vollen Teilhabe verdunkelt, neben der Missbrauchsproblematik, immer rasanter und offensichtlicher das Zeugnis der Kirche als Zeichen und Werkzeug Gottes in der Nachfolge Jesu Christi und beschneidet ihre Wirksamkeit. Jeder glaubwürdige Schritt hin zu einer geschlechtergerechten, solidarischen Kirche befreit von alter, schwerer Unrechtslast und kann wertvolle Kräfte freisetzen, die im Leben von Kirche und Gesellschaft dringend gebraucht werden.

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Eine Antwort auf Nicht müde werden – 29. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Birgit Droesser sagt:

    Liebe Angela,
    „mit Gott als Verbündetem“ – ich danke dir für deine Predigt und deine Unterstützung, dran und hartnäckig zu bleiben.

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