Ein nächtliches Gespräch – 23. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 14
In jener Zeit
25 begleiteten viele Menschen Jesus; da wandte er sich an sie und sagte:
26 Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger – und meine Jüngerin – sein.
27 Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein.
28 Denn wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?
29 Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertig stellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten
30 und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.
31 Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt?
32 Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.
33 Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.

Autorin:
Margret Schäfer-Krebs
Margret Schäfer–Krebs, Pastoralreferentin, Referentin im Bischöflichen Ordinariat Rottenburg für Liturgie und Ökumene

 
Die Predigt:
Ein nächtliches Gespräch

Liebe Leserin, lieber Leser,
am Abend, meist zu später Stunde – ich gehöre zu den Nachteulen, lasse ich gerne den Tag nochmals Revue passieren. Dazu bereite ich auch gerne Kassenzettel, Terminkalender, etwas, das ich mir gegönnt habe, und auch Steine für Ärgerliches oder für Aufreger vor mir aus, schaue sie nochmals an und überlege, was am Ende des Tages davon noch da ist. Dann mache ich mir noch Gedanken, woran ich anderntags weiterstricken muss, ob ich etwas vergessen habe, das nachgeholt werden muss; ob ich noch jemandem einen Gruß oder Dank als WhatsApp schicken soll. Und was kann ich getrost abhaken und loslassen.

Ich möchte aber am Ende des Tages nicht nur Bilanz für mich ziehen, mit mir und anderen „abrechnen“. Ich rede auch mit Jesus: „Was hat dir gefallen? Bin ich dir begegnet in einem Gedanken, in einem Menschen, in einem Schmerz? Was von all dem, was seit heute Morgen war, ist tauglich im Sinne von Nachfolge? Was habe ich heute alles ver-folgt und war das auch in deinem Geist? An einem der letzten Abende nahm ich mir noch diesen Text aus dem Lukas-Evangelium vor und war mal wieder mehr irritiert als ermutigt. Und es gab dann ein längeres Gespräch im Sinne der heiligen Theresia von Avila, dass Beten wie das „Verweilen bei einem Freund“ ist. An meinen Gedanken in diesem Gespräch möchte ich Sie nun einfach teilhaben lassen:

„In diesem 14. Kapitel bei Lukas bist du direkt und konfrontativ. Es heißt, viele Menschen haben dich begleitet, sie sind also nicht nur kurz aufgetaucht, weil sie vielleicht irgendetwas von dir wollten, sondern sie haben viel Zeit mit dir verbracht; und dann diese knallharten Worte. Du sagst klipp und klar, was dazugehört, wenn man dein Jünger, deine Jüngerin sein will. Die Leute waren sicher so betroffen wie ich, wenn ich lese: Wer nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. Wolltest du sie, willst du mich loshaben? Im krassen Gegensatz dazu ist das nächste Kapitel, Lukas 15, voller Gleichnisse, wie du den Verlorenen nachläufst, sie suchst und auf sie wartest.

Was heißt das, sich und seine Familie geringachten und auf Besitz verzichten für meinen Alltag? Was heißt das für die vielen kleinen Schritte und Entscheidungen jeden Tag? Mir klingen diese Forderungen zu großspurig und zu exklusiv. Wer kann sich das schon leisten, auf alles zu verzichten? Ich kann auch nicht alles stehen und liegen lassen oder ins Kloster gehen. Und wer Eltern zu versorgen und zu pflegen hat, würde diese Pflicht vielleicht gerne einmal geringachten. Das geht aber nicht. So wie der Kriterienkatalog zum Jünger-Sein hier beschrieben ist, muss ich eher sagen: „Danke, das ist nichts für mich – nicht, weil ich nicht Jüngerin sein will, sondern weil ich so nicht leben kann.“

Es wird bei Lukas nicht gesagt, aber vielleicht hat sich manche und mancher deiner vielen Begleiter auch vor den Kopf gestoßen und überfordert gefühlt und hat sich anschließend zurückgezogen. Und was ist mit Leuten wie mir, die Christen sind und sein wollen, die sich auch für den Glauben an dich irgendwann nach der Taufe entschieden haben, sich aber angesichts solcher Worte kümmerlich und ungenügend vorkommen. Gewiss, das letzte Hemd hat keine Taschen, aber jetzt brauche ich einen gewissen Lebensstandard und bin auch um meine Familie froh. Was bedeuten deine Ansprüche, wer mein Jünger sein will…, für so ein alltägliches Christen- und Jüngerinnenleben mit all seinen Aufgaben und Verpflichtungen?

In der ersten Lesung aus dem Buch der Weisheit (Kapitel 9) heißt es: Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen und wer begreift, was der Herr will? Unsicher sind die Überlegungen der Sterblichen und einfältig unsere Gedanken.
Wie wahr!
Weiter heißt es: Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast?
Die Worte dieses alttestamentlichen Weisheitslehrers kommen mir entgegen.
Am Ende heißt es dort: die Menschen lernten, was dir gefällt; durch die Weisheit wurden sie gerettet.“

Jesus, auf deine Worte übertragen, verstehe und hoffe ich: Es gibt die Zeit und die Möglichkeit zu lernen, was dir gefällt. Die Weisheit rettet und ich brauche sie auch in meiner Begrenztheit. Sie soll mir zeigen, was an diesem Tag, in dieser Situation das ist, was dir gefällt, was Priorität hat und auf was ich verzichten kann. Und da meine ich, geht es nicht nur um materiellen Besitz, sondern auch um Dinge und Leute, die einen besetzen können. Mir geht es nicht um dauernde Selbstoptimierung und um das ‚simplify your life‘. Es geht mir bei allem was mich umtreibt, was tue oder lasse auch darum, dies als deine Jüngerin zu tun, mit dem was ich habe und kann.

Was ist taugt in deiner Nachfolge und was taugt für das Reich Gottes? Ich spüre, das braucht innere Freiheit; wenn ich voll bin mit festgezurrten Plänen, Erwartungen und Besorgungen, habe ich zu wenig Raum und Spielraum ehrlich nach dir zu fragen. Mehr noch, dann dreht sich etwas um: Du wirst zu meinem Erfüllungsgehilfen degradiert und der Geist zum Schmieröl in meinem Räderwerk. Ich kann nicht planlos in den Tag hineinleben, aber ich kann offen sein für dein Wort und deinen Geist und ich weiß, das ist weise.

Das wiederum habe ich schon oft erfahren, dass der Tag am Ende anders gefüllt war als ich ihn morgens geplant habe, nicht nur weil ständig irgendetwas dazwischenkam, sondern weil darin auch du dazwischen kamst, jedenfalls in meiner Deutung und Wahrnehmung. Wer und was dann an solchen Tagen an Wichtigkeit verloren hat, war entweder dann oder überhaupt nicht mehr wichtig oder zwischenzeitlich bei dir gut aufgehoben.

Besitz darf nicht besetzen und sein Leben gering achten sagt mir: ich soll mein Leben achten, aber nicht so, dass ich der Maßstab bin, sondern du. Und ich glaube jetzt, dass nicht nur ich nachdenken muss, wie das mit meinem Weg Jüngerinnenschaft aussieht, vielleicht hast auch du bei meiner Berufung mit bedacht, was ich auf diesem Weg brauche und wie er zum Ziel führt. Und da werde ich wiederum zuversichtlich, dass du dich nicht verrechnet hast, dass du mich nicht auf- und verloren gibst, wie es dann ein paar Zeilen weiter in deinem Evangelium heißt.“

Am Ende dieses Gesprächs hoffe ich auch, dass es keine ganz einsamen Gedanken waren oder bleiben.

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