Das Programm Jesu: Alles wird gut! – 3. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 1 und 4
1,1 Schon viele haben es unternommen, eine Erzählung über die Ereignisse abzufassen, die sich unter uns erfüllt haben.
2 Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren.
3 Nun habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allem von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin, es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben.
4 So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.
In jener Zeit
4, 14 kehrte Jesus, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend.
15 Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen.
16 So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um vorzulesen,
17 reichte man ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er öffnete sie und fand die Stelle, wo geschrieben steht:
18 Der Geist des Herrn ruht auf mir; /
denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, /
damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde /
und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
19 und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
20 Dann schloss er die Buchrolle, gab sie dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.
21 Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

Autorin:
Dr. Ulrike Altlherr Dr. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in Herrenberg

 
Die Predigt:
Das Programm Jesu: Alles wird gut!

Liebe Leserin, lieber Leser,
wer ein neues Amt antritt, sagt oft in einer programmatischen Rede, was er oder sie vorhat, auf welcher Grundlage das neue Amt ausgeübt, die neue Stelle ausgefüllt werden soll. So hat zum Beispiel Donald Trump als sein Motto verkündet: „Amerika first“, Amerika zuerst. Am Anfang wird gesagt, was gelten soll. Im Lukasevangelium geht es um zweierlei Anfänge, die uns unsere Leseordnung zusammengefügt hat: zunächst um den Anfang des Lukasevangeliums, wo der Autor noch einmal sorgfältig allem von Beginn an nachgehen will, damit sich der Adressat, der hochverehrte Theophilus, und damit auch die späteren Hörerinnen und Leser von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen können. Was Lukas dann rund um die Geburt Jesu und von Johannes dem Täufer, von der Taufe und der Versuchung Jesu erzählt, wird hier weggelassen, weil es im 4. Kapitel um einen zweiten Anfang geht: den des öffentlichen Wirkens Jesu.

Zuerst stellt das Evangelium Jesus summarisch als einen vor, der erfüllt von der Kraft des Geistes zurück nach Galiläa kam. Sein Ruf eilte ihm voraus. Und er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen. Das sieht nach Erfolg auf der ganzen Linie aus. Dann wird eine Episode aus der Heimat Jesu aus Nazaret erzählt, die Jesus als frommen Juden kennzeichnet. Wie gewohnt ging er dort in den Synagogengottesdienst. Er stand auf, um vorzulesen. Dazu reichte man ihm die Buchrolle des Propheten Jesaia. Er fand die Stelle oder sie fand ihn, die programmatisch das aussagte, wofür Jesu Dienst stehen sollte. Und er las die uralten Worte vor.

Das, was Jesaia in schwerer Zeit als Trost- und Hoffnungsworte über den ersehnten Messias, den Retter, den Gesalbten ausgesagt hatte, bezog Jesus auf sich. Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe (Lk 4,18f) Und dann legte er ihnen dar: Heute hat sich das Schriftwort erfüllt. In ihm ist wahr geworden, was seit Jesaia über viele Jahrhunderte Menschen in Israel erwartet und erhofft haben.

Das was Jesaia über den Messias sagt, ist Programm Jesu. Und mit dem, was bei Jesaia steht, sind auch seine „Zielgruppen“ benannt: die Armen, die Gefangenen, die Blinden, die Zerschlagenen. Also für Jesus heißt es: Arme, Gefangene, Blinde, Zerschlagene first,/ Arme, Gefangene, Blinde , Zerschlage zuerst. Das waren zur Zeit des Jesaia und auch zur Zeit Jesus die Menschen, die keine Chancen und keine Lobby hatten. Wer arm war, blieb es so gut wie immer. Es gab keine sozialen Sicherungssysteme außerhalb von Familie und Verwandtschaft. Und es gab für sie kaum Möglichkeiten, sich selbst zu helfen. Genau für solche Menschen ist die frohe Botschaft und Evangelium ist das griechische Wort, das nichts anderes als „Frohe Botschaft“ bedeutet.

Die zweite Gruppe von Menschen die Jesus an die erste Stelle setzt, sind die Gefangenen, Menschen, die aus vielerlei Gründen ihre Freiheit verloren hatten, sei es, dass sie im Gefängnis waren, sei es, dass sie als Sklaven arbeiten mussten, sei es, dass sie als Kriegsgefangene verschleppt waren… Ihnen wird das Ersehnteste verkündet: ihre Entlassung. Und den vielen Blinden, die es damals gab und die als Bettler ein elendes Leben fristen mussten, sollen das erhalten, was ihnen am meisten fehlt: das Augenlicht. Die Zerschlagenen sollen in Freiheit gesetzt werden. Zerschlagene sind Menschen, die gescheitert waren, die nichts mehr aus eigener Kraft tun konnten, die sich in Abhängigkeiten unheilbar verstrickt hatten.

Und wie zur Zusammenfassung, zur Krönung des Ganzen, will er ein Gnadenjahr des Herrn ausrufen. Damit spielt er auf eine alte jüdische Vorstellung an, dass alles Land Gott gehört und dass nach 7 mal 7 Jahren alle Schulden erlassen werden und alles Land neu verteilt wird, dass sozusagen jedes 50. Jahr ein Jubeljahr wird. In der Praxis ist das in Israel selten gemacht worden, aber die Idee blieb lebendig. Niemand ist immer an Schulden gebunden. Es gibt die Möglichkeit mit allem neu anzufangen.

Für Jesus sind das alles nicht nur uralte Heilsworte, sondern das ist ganz aktuell. Heute hat sich das erfüllt. Heute ist das wahrgeworden. Alles, was schlimm und unheil ist in der Welt, all das wird in Jesus heil. Genau die Menschen, die es am Nötigsten haben, bekommen, was sie am Allerdringendsten brauchen. Alles wird gut. Heile Welt.

Wir reden manches Mal eher ironisch von der heilen Welt, weil das, was uns zum Teil als heile Welt verkauft wird, oft sehr vordergründig oder gar verlogen ist. Aber schön wäre es schon, wenn wir eine heile Welt hätten. Ich fände es genial, wenn niemand mehr arm sein müsste, wenn jeder und jede hätte, was er oder sie zum Leben braucht und noch ein wenig darüber hinaus. Es wäre toll, wenn Menschen, die gefangen sind, auch gefangen in Ängsten, Krankheiten, Zwängen, ungesunden Beziehungen… davon frei würden. Wie herrlich wäre es, wenn alle Blinden sehen könnten – auch die, die im übertragenen Sinn blind sind. Wie schön wäre es, wenn all die, die wie Zerschlagene nie aus ihrem Elend, ihrer Passivität… herauskommen, plötzlich Handlungsfreiheit hätten und etwas aus ihrem Leben machen könnten.

Leider erlebe ich es oft nicht so. Ich bekomme mit, wie viel Armut in unserem reichen Land herrscht, wie Menschen kämpfen müssen, um sich das Überleben zu ermöglichen. Dann braucht nur eine Krankheit dazuzukommen. Wenn man Medikamente oder Hilfsmittel braucht, die die Krankenkasse nicht bezahlt, fehlt das Geld zum Leben. Oder die junge alleinerziehende Mutter, die sowieso nicht viel hat, der wird der Geldbeutel gestohlen mit dem Geld für den ganzen Monat. Oder da sind die Patienten im Krankenhaus, die mehr oder wenige schwere Krankheiten haben. Manche kämpfen und kämpfen und verlieren doch gegen die Krankheit; anderen nimmt sie die Kraft und Selbständigkeit und den Lebensmut. Oder da ist die alte Frau, deren Sohn, Tochter und Mann innerhalb weniger Jahre gestorben sind, und die diese Woche noch eine Todesnachricht aus der nahen Verwandtschaft erhalten hat. Von Unfrieden und Gewalt im Kleinen und Großen will ich gar nicht anfangen.Hat Jesus den Mund da nicht gar zu voll genommen?, habe ich mir beim Lesen des Evangeliums gedacht.

Ja, Jesus hat den Mund vollgenommen. Er steht dafür, dass alles gut wird. Und es hat angefangen mit ihm. Die Evangelien erzählen von Dämonenaustreibungen, Heilungen, Neuanfängen, die Jesus Menschen ermöglicht hat. Da hat etwas von dem angefangen, was wir mit Jesus Reich Gottes nennen. Und ich denke, wir haben eine Ahnung davon, dass alles gut wird. Wer hat nicht schon zu einem ängstlichen unruhigen Kind, zu einem kranken oder sterbenden Menschen beruhigend gesagt: „Alles wird gut“. Aus tiefster Überzeugung habe ich das schon an vielen Krankenbetten gedacht oder gesagt. Ja, ich glaube, letztendlich wird alles heil und gut.

Und mit Jesus hat das angefangen. Wir haben – noch – keine heile Welt. Und ich darf Gott nicht vorschreiben, – obschon ich das gerne tun würde und wüsste, was für mich heile Welt ist, – wie Gott unsere Welt heil machen soll. Er macht es. Wir können im Rahmen unserer Möglichkeiten ein bisschen mitmachen.

Mit Jesus ist ein Anfang gemacht. Alles, was unheil ist, soll heil werden. Die Kunde davon ist da. Wir können daran mitwirken, wenn wir uns die Optionen, wie sie Jesus aufgrund der Jesaiastelle getroffen hat, zu eigen machen: also Arme, Kranke, Unfreie… alle, die Gott und die Mitmenschen besonders brauchen, first/zuerst. Zuerst kommen die, die keine Lobby haben in der Gesellschaft.

Wohin es führt, wenn man nur eine Gruppe, eine Rasse an die erste Stelle setzt und andere erst ausgrenzt und dann umbringt, daran müssen wir Deutschen uns mit Scham gerade heute am Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

Gott will, dass alles heil und gut wird. Mit diesem Programm ist Jesus angetreten. Von diesem Programm haben sich die Anhänger Jesu begeistern lassen. Und wir? Wer kommt bei mir an erster Stelle…?
Amen!

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