Leben, das den Glauben sichtbar macht – 2. Weihnachtstag / Heiliger Stephanus

Lesung aus der Apostelgeschichte, Kapitel 6
In jenen Tagen
8 tat Stephanus, voll Gnade und Kraft, Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
9 Doch einige von der so genannten Synagoge der Libertiner und Zyrenäer und Alexandriner und Leute aus Zilizien und der Provinz Asien erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten;
10 aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen.
54 Als sie seine Rede hörten, waren sie in ihren Herzen aufs Äußerste über ihn empört und knirschten mit den Zähnen gegen ihn.
55 Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
56 und rief: Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.
57 Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten einmütig auf ihn los,
58 trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.
59 So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
60 Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 10
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern – und Jüngerinnen:
17 Nehmt euch vor den Menschen in Acht! Denn sie werden euch an die Gerichte ausliefern und in ihren Synagogen auspeitschen.
18 Ihr werdet um meinetwillen vor Statthalter und Könige geführt werden, ihnen und den Heiden zum Zeugnis.
19 Wenn sie euch aber ausliefern, macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt.
20 Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden.
21 Der Bruder wird den Bruder dem Tod ausliefern und der Vater das Kind und Kinder werden sich gegen die Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken.
22 Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Leben, das den Glauben sichtbar macht

Liebe Leserin, lieber Leser,
am zweiten Weihnachtstag hören wir von Stephanus, einem jener aktiven Männer der frühen Gemeinde, die in der Apostelgeschichte Diakone genannt werden. Einer jener Menschen, die sich in Wort und Tat – sicherlich sogar mehr in Tat – für mehr Gerechtigkeit innerhalb der Gemeinde, aber auch darüber hinaus eingesetzt hatte. Er sorgte sich um die Benachteiligten, um die Witwen und Waisen, die keine Rechtssicherheit und kein Auskommen hatten. Er und seine Gefährten machten durch ihr Tun diese Ungerechtigkeit in der Gesellschaft und in der Gemeinde öffentlich. Und wir hören von ihm traditionell als dem ersten Märtyrer, der für den Glauben an Jesus, den Christus, getötet wurde.

Märtyrer und Märtyrerinnen sind jene, so unser landläufiges Verständnis, die um ihres Glaubens willen getötet wurden. Und das stimmt ja auch. Aber was heißt in diesem Satz „Glauben“? Sicher mehr oder vielleicht sogar etwas anderes als ein Dogma, ein Lehrgebäude, ein Wort, sondern ein Leben, das den Glauben sichtbar macht – ein Leben, das Nachfolge Jesu für alle anderen erlebbar macht.

Und ich möchte Ihnen heute gerne von einem Märtyrer unserer Tage erzählen, der von Papst Franziskus am 18. Oktober 2018, 38 Jahre nach seiner Ermordung, heilig gesprochen wurde, und der vielleicht ganz ähnlich wie der Heilige Stephanus ermordet wurde, weil er das tat, was er als Nachfolge Jesu verstanden hatte.

Er machte die Unterdrückung, die Ungerechtigkeit in seiner Gesellschaft und in der Kirche öffentlich und setzte sich ein für die Benachteiligten, für die unter Gewalt und Willkür leidende arme Bevölkerung seines Landes El Salvador.

Papst Franziskus holte nach, was seine Vorgänger aus sicher vielen Gründen nicht getan hatten, doch heilig war Oscar Romero für viele Menschen schon lange. 2011 wurde ein ökumenischer Aufruf veröffentlicht, von Hunderten von Menschen, Theologinnen und Theologen, Nicht-Theologinnen und Nicht-Theologen, Institutionen, Initiativen und Kirchen unterzeichnet, die dies zum Ausdruck bringt. Titel des Aufrufs: „Gedenkt der Heiligsprechung des Märtyrers San Oscar Romero de América durch die Armen dieser Erde:“ Hier ein Auszug:

Wir bitten euch, Schwestern und Brüder in der Ökumene, der Heiligsprechung des Märtyrers San Oscar Romero durch die Armen Lateinamerikas und durch Freundinnen und Freunde Jesu auf dem ganzen Erdkreis zu gedenken. Dieses Gedenken soll uns Ermutigung auf dem Weg des Evangeliums sein und zugleich als Umkehrruf in den Kirchen der Reichen gehört werden.
Schon bald nach seiner Ernennung zum Erzbischof von San Salvador wurde der konservative Seelsorger Oscar Arnulfo Romero 1977 mit der blutigen Christenverfolgung in El Salvador konfrontiert. Die Tränen an den Särgen von ermordeten Katechetinnen, Messdienern und Priestern ließen ihn zum unerschrockenen Bischof an der Seite der Kleinen, Geschundenen und Verfolgten werden. Seit dieser Zeit hatte er das Regime seines Landes, den Sicherheitsberater des US-Präsidenten und mächtige Kardinäle der römischen Kurie gegen sich.
[…]
Im Wissen um die eigene Gefährdung hat San Romero de América seine Stimme gegen das Unrecht erhoben, Politiker des Regimes exkommuniziert und den Widerstand an die Gewaltlosigkeit Jesu von Nazareth erinnert. Nach einem der zahllosen Morde an Christen predigte er: „Fern sei uns Rache, lasst uns beten mit Jesus: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“
Da jeder Mensch ein Kind und lebendiges Gleichnis Gottes ist, war für San Oscar Romero Gottesdienst untrennbar verknüpft mit der unerschrockenen Verteidigung der menschlichen Würde. […]
Die Kugel eines Auftragsmörders traf ihn während der Feier der Danksagung am Altar am 24. März 1980.
Die von unten erfolgte Heiligsprechung von San Oscar Romero ist keine Anmaßung. Wir wissen, dass nur Gott in das Herz eines Menschen schauen kann und es uns nur bruchstückhaft möglich ist, mit Gottes Augen sehen zu lernen. Doch diese „Beatifikation“ ohne ein teures Verfahren von Kirchenbehörden verbreitet eine frohe Kunde unter dem Wehen des Gottesgeistes. „Das Beispiel unseres Bruders San Oscar Romero zeigt uns, wie schön und mutig wir Menschen werden können, wenn wir beginnen, der Botschaft Jesu zuzuhören.“

Der zweite Weihnachtstag führt uns direkt aus dem Feiern in die Mühen und die Not unserer Welt. Ungerechtigkeit und Gewalt hören und fühlen sich seit 2000 Jahren sehr ähnlich an. Doch gleicherweise auch die Hoffnung und die Möglichkeit, dass Widerstand nie altmodisch wird, dass diese Frohe Botschaft einer anderen Welt nach wie vor unsere Aufgabe ist, und dass das Evangelium zu leben immer da beginnt, wo wir durch unser Leben zeigen und spürbar machen, dass jeder Mensch Gleichnis und Ebenbild Gottes ist.

Das sei Leitfaden für unser Leben. Jesus, San Oscar Romero de América, der Heilige Stephanus und die vielen anderen sind an unserer Seite. Amen.

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Siehe: Christian Weisner, Friedhelm Meyer, Peter Bürger (Hg), Gedenkt der Heiligsprechung von Oscar Romero durch die Armen dieser Erde, edition pace 3, 2018, Verlag BoD- Books on Demand, Norderstedt, ISBN: 978-3-7460-7979-0

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5 Antworten auf Leben, das den Glauben sichtbar macht – 2. Weihnachtstag / Heiliger Stephanus

  1. Walburga sagt:

    Liebe Frau Hahn, vielen Dank für diese Predigt im Zusammenhang mit des Hl Stephanus. Oskar Romero ist einer meiner Lieblings Heiligen, schon vor seiner Ermordung. Er war bei seiner Ernennung zum Bischof ein Anhänger der amtierenden Regierung und der Reichen im Land. Aber es dauerte nicht lange, dass er die Front wechselte, um auf der Seite der Armen und Verfolgten in seinem Lande zu kämpfen. Dem Vatikan passte es nicht. Man hielt ihn für einen Kommunisten. Mehrmals reiste Romero nach Rom, um eine Gespräch mit dem Papst. Das hat die Kurie, vorallem der Leiter der Glaubenskongregation jedesmal verhindert .

    • Utta Hahn sagt:

      Liebe Walburga,
      den Passus, in dem der Text vom Besuch Oscar Romeros beim Papst erzählt, habe ich weggelassen – er bat um Unterstützung nach der Ermordung einiger Katecheten und Priestern und der Papst hatte vor allem Interesse daran, dass der Erzbischof im Frieden mit der Regierung bleibe… da haben Sie ganz recht, mit dem, was sie schreiben.
      Doch die Stimme der Hoffnung, die ist das, was wir weitertragen können.
      Gesegnete Weihnachten
      Utta Hahn

  2. Annemarie Gindele sagt:

    Liebe Utta Hahn, auch ich möchte mich sehr herzlich für Ihre Predigt zum Fest des Heiligen Stephanus bedanken! Ich habe im heutigen Wortgottesdienst Ihre Predigt in voller Länge verlesen und habe viel positives Echo erfahren. Wie Stephanus wusste Oscar Romero, dass es gefährlich ist, ein Christ zu sein; besonders unter Massen con Habenichtsen und einigen Landbesitzern, die als Getaufte jene Kirchenleute hetzen, verfolgen, ausweisen, foltern und ermorden, die sich für die Würde aller Menschen einsetzen. Wie Stephanus durch jüdische Priester so wurde Oscar Romero von Kirchenoberen isoliert und ermahnt, sich seinen „eigentlichen Seelsorgeaufgaben“ zu widmen. Wie Stephanus bot Romero sein Blut für die Erlösung und Auferstehung von El Salvador, in dessen Land jeder dritte Mensch an Unterernährung stirbt. Wie Stephanus flüsterte Romero nach den Todesschüssen der Militärs: „Möge Gott mit meinen Mördern Erbarmen haben!“
    Liebe Frau Hahn, Ihre Predigt hat mich angeregt, über Erzbischof Romero nachzudenken und seine Geschichte im Gottesdienst publik zu machen.
    Herzliche Grüße von Annemarie Gindele, Gemeinde St. Maria Magdalena,Tiefenbronn

  3. clara a sancta abraham sagt:

    Ich bin das erste Mal mit Oscar Romero vor gut 30 Jahren in Berührung geraten – als ich ein Buch las, in dem er vorgestellt wurde, neben Dorothee Sölle, Mutter Theresa,…
    Faszinierend, wie sich ein Mensch so von Gott berühren lässt, sich gegen das Establishment zu stellen und sogar den Tod zu riskieren.

    berührt von deinem licht wie stephanus

    verführt zu konsequentem handeln wie er

    von der größe des kindes gerührt – die hirten und könige ahnten es schon

    fasziniert von der ahnung – der eben gekommene macht unmögliches möglich im leben

    so will ich durchs leben gehen – stark gemacht durch dein gutes wort, durch gewandeltes brot

    berührt verführt zu handeln an dem platz, den du mir gibst, großer gott

    berührt verführt wie stephanus…..

    26/12/2011, 8.13 (Sonnenaufgang nach der Hl Messe)

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