Adventliche Sehnsucht nach Frieden in Gerechtigkeit – 2. Adventssonntag C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 3
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
1 Im 15. Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war und Herodes Fürst von Galiläa, sein Bruder Philippus aber Fürst der Landschaft Ituräa und Trachonitis und Lysianas Fürst von Abilene,
2 unter den Hohenpriestern Hannas und Kajaphas, da erging das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias und der Elisabet, in der Wildnis.
3 Und er ging in alle umliegenden Gebiete des Jordans und machte dort ein Tauchbad bekannt, ein Tauchbad der Umkehr, um von den Sünden loszukommen.
4 Wie im Buch der Sprüche des Propheten Jesaja geschrieben steht:
„Eine Stimme ruft in der Wildnis: Bereitet den Weg der Lebendigen, machet ihre Pfade gerade!
5 Jede Schlucht wird aufgefüllt, jeder Berg und Hügel wird niedrig, krumme Wege werden begradigt und holprige Wege werden geebnet werden! Und alle werden das Rettende Gottes sehen!“

Autorin:
scale-210-210-12_25508028_2Maria Sinz, Gemeindereferentin in Aalen, Referentin bei der KAB (Kath. Arbeitnehmerbewegung)

 
Die Predigt:
Adventliche Sehnsucht nach Frieden in Gerechtigkeit

Liebe Leserin, Lieber Leser,
Krumm und holprig
Lukas zitiert ein Prophetenwort das Jahrhunderte zuvor niedergeschrieben wurde.
In allen vier Evangelien wird dieses Wort vorangestellt. Biblische Texte beziehen sich durch die Geschichte hindurch aufeinander. Sie stehen nie im luftleeren Raum. Lukas stellt das Zitat in seine Zeit. Die Machtverhältnisse werden beschrieben: Kaiser, Statthalter, Fürsten, Hohepriester. Biblische Worte werden in eine konkrete Zeit hinein zitiert, verlebendigt. Aus dem zitierten Wort spricht die Sehnsucht, Krummes und Holpriges möge endlich begradigt werden. Johannes bietet in seiner Zeit dafür symbolisch ein Tauchbad an. Ein Tauchbad, das von Niederdrückendem und Belastendem befreit.

Alltagswelt
In unsere soziale und politische Gegenwart hinein zitieren wir heute das Jesajawort.
Das Wort will mitten im Leben Bedeutung entfalten. Wie geht das nun, habe ich mich gefragt, zum Beispiel anlässlich einer Geburtstagsfeier kurz vor dem Advent. Acht Frauen kommen zusammen, die meisten kennen sich über Jahrzehnte. Beate ist seit einem Monat in Rente. Alle sind gespannt wie es ihr geht. Sie war mit Leib und Seele berufstätig, hatte wenig Zeit für soziale Kontakte. Ihre Tätigkeit als Assistentin der Geschäftsführung war anspruchsvoll. Sie hat sich gefreut, dass viele Kollegen zu ihrem Abschied kamen, erzählt, wie bewegt sie gewesen sei und dann: „Aber im Grunde sind die froh, dass sie mich los sind, wir Alten sind einfach zu teuer. Mein Nachfolger hat trotz Studium deutlich weniger Gehalt als ich.“ Und plötzlich nimmt sie Fahrt auf, wird vehement: „Jetzt habe ich zwar brutto eine stattliche Rente aber die muss ich versteuern und Sozialbeiträge zahlen, was da übrigbleibt!“ Und überhaupt: 40 Jahre sei sie voll erwerbstätig gewesen, dazu Kind und Haushalt. „Warum sollen meine Einkünfte auf die Hinterbliebenenrente angerechnet werden? Wer doppelt gearbeitet hat soll doch mehr bekommen. Das finde ich ungerecht.“ Sie will Bestätigung von ihren Freundinnen. Bekommt sie nicht. Statt dessen wird ihre Entscheidung für die Berufstätigkeit lebhaft diskutiert. Die Freundinnen, als Ehefrauen von übertariflich bezahlten leitenden Angestellten, wiederum finden ungerecht, dass deren Rente nur vom Tarifentgelt aus berechnet wird.

Als das Gespräch hitzig zu werden droht, lenkt Doris ab und fragt mich, die Neue in der Runde, was ich beruflich mache. Ich erzähle vom Treffpunkt „Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der Pflege“ und mache den Brückenschlag zum vorangegangenen Thema: Eine Kollegin hat sich mit einer Bekannten jetzt in einer Zweck-WG eingerichtet, weil sie sich ihre Wohnung in der Rente nicht mehr leisten können wird.

Mit wenigen Sätzen war klar, dass ich von einer völlig anderen sozialen Realität spreche. Für die Mehrheit der Menschen und für die Mehrheit der Frauen ist Berufstätigkeit keine freie Entscheidung, sondern Notwendigkeit. Für die Mehrheit der Menschen geht es nicht um Gerechtigkeitsunterschiede oberhalb der medianen Werte von Renten, die bei Männern bei ca 1200 € liegen und bei Frauen unter 800 €. Kritiker sagen, die gesetzliche Rentenversicherung sei bewusst kaputt gemacht worden, um die Menschen in die privatisierte Alterssicherung zu zwingen. In der gesetzlichen Rentenversicherung werden im Unterschied zur privatisierten keine Gewinne erzielt.

Das Jesajawort in unserer Realität hören, heißt zunächst feststellen wie unterschiedlich diese ist. Tiefer eintauchen hieße von der eigenen Situation Abstand zu nehmen, um die Anderen zu sehen und dann eine Verständigung suchen, worüber die Rede ist. Beate wäre das vielleicht geglückt, wenn im Gespräch ein Moment Verständnis für sie erfahrbar gewesen wäre.

Orientierung
Auch wenn wir im Advent unsere Aufmerksamkeit nach innen lenken, bleiben wir auf unsere soziale Wirklichkeit bezogen. „Bereitet den Weg der Lebendigen, machet ihre Pfade gerade! Jede Schlucht wird aufgefüllt…“ Diese Worte können, je nach sozialer Situation, ganz Unterschiedliches hervorrufen. In einer öffentlichen Diskussion zur Rentenpolitik, vergangene Woche, macht ein Mediengestalter auf die Lücken in der Künstlerpensionskasse aufmerksam, die Familienfrau beklagt, dass die Beiträge zu ihrer privaten Rentenversicherung mangels eigenem Einkommen zur Zeit von ihrem Mann bezahlt werden und die Alleinerziehende sieht überhaupt keine Perspektive, wie sie mit Teilzeitbeschäftigung Vorsorge treffen soll. Diese Diskussion ist, mitten im Advent, gut platziert.

Im Advent geht es um die Sehnsucht nach Frieden in Gerechtigkeit. Über Jahrhunderte hindurch sind die Bibelworte uns ins Herz gelegt. Wir tun gut daran, zu meditieren, was wir in unserer Zeit als gerecht ersehnen. Vielleicht ist es schon sehr viel, überhaupt den Versuch zu unternehmen, sich darüber zu verständigen, wer was als gerecht empfindet und sich konfrontieren zu lassen mit den unterschiedlichen Realitäten. Adventliche Besinnung, ist keine Flucht vor der rauen Welt, ist nicht losgelöst vom wirklichen Leben. Adventliche Besinnung kann auch im Zuhören und im Ringen um Antworten geschehen. Die Sehnsucht, dass ich nach einem arbeitsreichen Leben im Alter gesichert sein möchte, ist nachvollziehbar. Ebenfalls verständlich ist, dass dies für alle gelten soll in den unterschiedlichen sozialen Wirklichkeiten. Dass dies in Solidarität geschieht, das muss je neu errungen werden.

Dieser Weg ist mühsam und holprig. Doch es lohnt sich für sozialen Frieden zu streiten. Um durchzuhalten braucht es Vorstellungen davon, wie das Alter solidarisch gesichert werden kann und es braucht die Entscheidung, dass es solidarisch geschehen soll und eben nicht zum privaten Problem der Einzelnen gemacht wird.

Mit dem Modell der solidarischen Alterssicherung haben sich die Katholischen Verbände in ihre Zeit eingemischt, in die aktuelle zentrale gesellschaftliche Diskussion. Uns trägt die Überzeugung, dass wir, biblisch gesehen, zu Solidarität gerufen sind. Wir glauben, dass biblische Utopie Wirklichkeit werden will. Frieden in Gerechtigkeit. Deshalb organisieren wir Diskussionen zu zentralen sozialen Themen.
Auch und gerade mitten im Advent.

Wir tragen Aspekte der sozialen Wirklichkeit in alle Arbeitsfelder, in denen wir beteiligt sind. Anlässlich einer Seminarvorbereitung zum Thema „Übergang in den Ruhestand“ gebe ich zu bedenken, dass die Mehrheit der Frauen eine Rente unter Grundsicherungsniveau bekommt. Eine Kollegin von der Caritas meint, das sei nicht zu ändern, sie gebe Hilfestellung, wie die Frauen besser zurecht kommen. Ich widerspreche: Natürlich sind wir gefordert das zu ändern. Adventliche Sehnsucht nach Frieden in Gerechtigkeit meint entschieden mehr, als sich in der Not einzurichten.

„Das wird schon“… ,
wenn wir was dazu tun. Wenn wir darauf drängen, dass politisch Prioritäten gesetzt werden. Mit jedem Advent bereiten wir uns auf Veränderung vor. Krumme Wege werden begradigt und holprige Wege werden geebnet werden. Von Werden ist die Rede. „Das wird schon.“ Zu der inneren Kraft, der Zuversicht in das Werdende, vorzustoßen, verlangt Ausdauer, Beharren, Sammlung, Gebet. Zuversicht ist nicht einfach so da, immer verfügbar. Adventliche Texte beschreiben Jahrhunderte. Sie beschreiben Ausharren auf das Gute, mitten in Leid. Manchmal bedeutet Zuversicht schlicht und einfach, Unrecht beim Namen nennen. Tränen der Erleichterung fließen, wenn endlich, endlich jemand sagt: was dir geschieht ist Unrecht. Gehört werden, gesehen sein, kann stärken, kann aufrichten mitten im Krummen und Holprigen.

Ich lehne es ab, adventliche Hoffnungstexte zu sehr auf den „Abschluss“ Weihnachten hin zu hören, zu lesen oder zu deuten. Damit würden sie verkürzt, um nicht zu sagen verstümmelt. Die Geburt Jesu ist kein Abschluss einer Wartezeit. Die Geburt Jesu ist die Bekräftigung der Zuversicht in neuer Qualität. Sie gibt der Hoffnung Nahrung. Der Hoffnung, dass wir miteinander zu unserem Mensch-Sein finden, wie wir von Gott gewollt sind.

Ankommen
Unser Leben hat, so wie es ist, mit Gott zu tun. Gott will ankommen, mitten im Krummen und Holprigen. Den Weg bereiten meint, Gott ankommen lassen. Hügel und Schluchten sind kein Hindernis. Gott ankommen lassen, mitten im Kampf um solidarische Wege für unsere so unterschiedlichen sozialen Wirklichkeiten.
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Solidarische Alterssicherung : www.kab-drs.de

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4 Antworten auf Adventliche Sehnsucht nach Frieden in Gerechtigkeit – 2. Adventssonntag C

  1. walter sagt:

    Frieden und Gerechtigkeit ?
    oder
    der Fisch stinkt vom Kopf her…!

    -wenn er seinen weissen Talar abgelegt hat,
    und wenn der Herr Joseph Ratzinger wieder in Marktl am Inn oder in sonst einer seiner Immobilien sitzen würde ,um seine steuersparenden Stiftungen zu verwalten,dann, ja dann…
    – wenn die Purpurträger in ihren roten Schuhen in der Nachfolge Jesu hinaus an die Ränder vorausgingen, dann, ja dann…
    – wenn die klerikalen Konkordatsbeamten die Kirchensteuer dazu verwenden würden die in ihrem Sprengel verlorenen Schafe zu suchen und deren Hunger nach Frieden und Gerechtigkeit zu stillen , dann, ja dann…

  2. M. sagt:

    Hallo Magdalena,
    Lassen wir Walter mit seiner Klerikerschelte allein vor sich hin grummeln. Schauen wir auf uns und tun was zu tun ist.

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