Unterwegs in einer Weg-Gemeinschaft – 30. Sonntag im Jahreskreis B und Weltmissionssonntag

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 10
In jener Zeit
46 als Jesus mit seinen Jüngern – ,Jüngerinnen – und einer großen Menschenmenge Jericho wieder verließ, saß am Weg ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus.
47 Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!
48 Viele befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!
49 Jesus blieb stehen und sagte: Ruft ihn her! Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich.
50 Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu.
51 Und Jesus fragte ihn: Was willst du, dass ich dir tue? Der Blinde antwortete: Rabbuni, ich möchte sehen können.
52 Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dich gerettet. Im gleichen Augenblick konnte er sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Unterwegs in einer Weg-Gemeinschaft

Liebe Leserin, lieber Leser,
der Weltmissionssonntag ist immer eine Einladung, sich neu auf Begegnung einzulassen.

Ein Blinder, der im Mantel und mit der Bettelschale und dem Stab neben sich am Stadttor sitzt und um das Licht, um die Lebens-Möglichkeiten der anderen Menschen weiß, aber keinen Zugang dazu hat.
Ein Mensch, der sich danach sehnt, zu sehen und zu erkennen.
Gegen Widerstände spricht er seine Hoffnung aus – ja schreit er sie hinaus.
Die Hoffnung, dass diese Begegnung mit Jesus etwas verändern kann.
Und diese Hoffnung erfüllt sich – alles wird anders in seinem Leben.

Können wir uns in der Geschichte wiederfinden?

Markus hat sein Evangelium etwa 70-75n.Chr. für die jungen und suchenden Christengemeinden geschrieben. Da war im römisch besetzten Land gerade ein Jahre dauernder, blutiger Krieg zu Ende gegangen, der mit der Zerstörung Jerusalems seinen Gipfelpunkt erreicht hatte. Diese Gemeinden suchten nach Lebens- und Hoffnungsmöglichkeiten. Wie konnten sie angesichts der hoffnungslosen Situation an Jesus als den Messias glauben und sich als Christengemeinden formieren?

Markus sammelte die Erzählungen und schrieb die Erfahrungen mit Jesus in seinem Evangelium auf. Zwei Grundanliegen waren ihm sehr wichtig und ziehen sich durch das ganze Evangelium.

Da sind Menschen, die auf Jesus zugehen mit Vertrauen und Hoffnung, mit Mut und trotz widriger Umstände, gar gegen Widerstände. Und in vielen Begegnungen bekommen sie von Jesus das geschenkt, was sie suchen. Sie werden HEIL, finden Mut, Lebensperspektive und Hoffnung für sich und für ihre Welt.

Und da sind Jünger, die mit Jesus unterwegs sind, die oft dabeistehen, alles miterleben und doch nicht kapieren, was da gerade vor ihren Augen geschieht. Sie sehen und sind doch blind. Es braucht das Weitergehen, das Unterwegsbleiben.

Glaube ist ein Übungs-WEG, den man gehen muss.
Können wir ihn je „haben“?

Es ist nicht einfach, nicht logisch und nicht selbstverständlich, dass wir verstehen, was in der Welt geschieht und dass wir wissen, was wir tun sollen.

Das zweite Vatikanische Konzil beginnt ein Dokument (Gaudium es Spes) mit dem Satz:
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“

Es ist das Dokument, das im Weiteren das Selbstverständnis der Kirche formuliert und dies unter anderem in der Vorstellung, dass die Kirche das Pilgernde Volk Gottes ist. Ein Volk, das zusammengehört, weil es gemeinsam unterwegs ist.

Da spür ich die Sehnsucht in mir, dass wir das miteinander auch leben können.
Wir sind Teil einer Weg-Gemeinschaft, einer Weg-Gemeinschaft die viel grösser ist, als unsere Teil-Kirche.

Gerade dieses Jahr kann dieser Aspekt ein Türöffner am Weltmissionssonntag sein.

Äthiopien steht im Mittelpunkt der diesjährigen Aktion. In Äthiopien ist nur etwa 1% der Bevölkerung römisch-katholisch, aber über 40% gehören der äthiopisch-orthodoxen Kirche an. Einer Kirche mit einer viel älteren Tradition als die römische, einer Kirche, die sich über Jahrhunderte gegenüber der römischen als eigenständig behauptet hat. Das Königreich Aksum, das ein Teil des heutigen Äthiopiens umfasste, hatte schon sehr früh das Christentum anerkannt, angenommen, inkulturiert und zur Staatsreligion gemacht. Ihre Ursprünge sehen die Christen in der Apostelgeschichte, als der Äthiopier sich von Philippus taufen lässt.

Auch andere Regionen des Ostens haben eine Glaubenstradition, die älter ist als „unsere“ römische. Armenien und Georgien zum Beispiel mit ihren je eigenen christlichen Kirchen und liturgischen Riten und der Heiligen Nino, Missionarin des 4.Jh, die in der Ostkirche „apostelgleich“ verehrt wird – also Apostelin Nino.

Die Begegnung mit Menschen dieser Kulturen und ihrem christlichen Glauben lädt uns ein, ein Stück Weg mitzugehen. Miteinander unterwegs zu sein lässt uns lernen und neu erkennen. Lässt uns vielleicht manches Fremde eher mit Neugier als mit Angst betrachten.

Wenn missio sich nun ganz besonders auch in Äthiopien engagiert und kirchliche Projekte unterstützt, dann eben, weil Mission heute bedeutet, sich für die Menschen überall auf der Welt stark zu machen. Das Ziel heisst: Mithelfen und unterstützen, damit Menschen überall auf der Welt in Würde, Gerechtigkeit und Frieden leben und sich entfalten können. Unterstützung von Bildung, Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Mediation und Zeit und Raum des Zuhörens sind die Art, wie wir das heute zeigen können.

Wir sind Weg-Gemeinschaft im Glauben und im Leben.
Als Kirche sind wir Pilgerndes Volk Gottes.

Und mir gefällt der Gedanke:
Wir sind zu Fuss unterwegs.
… mit vielen – und im je eigenen Rhythmus des Gehens.
… mit Begegnungen unterschiedlichster Art – an Rastplätzen oder bei einem gemeinsamen Weg-Abschnitt.
… ohne „Platzkarten“, denn es gibt keine Fahrzeuge und viele Wege sind begehbar.
… mit alten und doch auch ganz aktuellen Wegweisern – zum Beispiel die Evangelien.

Heute sind wir also an diesem Schild des Markus vorbeigekommen:

Gemeinde ist aufgefordert, immer wieder neu in der Erwartung der Begegnung mit Jesus zu leben, immer wieder neu die Sehnsucht nach Erkennen und Sehen zu formulieren und zu leben. Alle, als Einzelne und als Gemeinschaft sollen immer wieder von Neuem:
Aufstehen
Den Mantel und den Bettelstab liegen lassen
Auf das noch nicht Sichtbare – das Reich Gottes – zugehen
Nachfolgen.

Die Welt mit neuen Augen sehen.

Mit den Augen Jesu.
Barmherzig
Liebevoll
Ermutigend
Hörend und
Sehend
Zu-Mutend

Amen.

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