Gott hat keine Freude am Untergang der Lebenden – 13. Sonntag im Jahreskreis B

Erste Lesung aus dem Buch der Weisheit, Kapitel 1
13 Gott hat den Tod nicht gemacht /
und hat keine Freude am Untergang der Lebenden.
14 Zum Dasein hat er alles geschaffen /
und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. / Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, / das Reich des Todes hat keine Macht auf der Erde; /
15 denn die Gerechtigkeit ist unsterblich.
23 Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen /
und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht.
24 Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt /
und ihn erfahren alle, die ihm angehören.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 5
21 Jesus fuhr im Boot wieder ans andere Ufer hinüber und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war,
22 kam ein Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen
23 und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt.
24 Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn.
25 Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt.
26 Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden.
27 Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand.
28 Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt.
29 Sofort hörte die Blutung auf und sie spürte deutlich, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.
30 Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt?
31 Seine Jünger – und Jüngerinnen – sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt?
32 Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte.
33 Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit.
34 Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.
35 Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten zu Jaïrus: Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger?
36 Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Sei ohne Furcht; glaube nur!
37 Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus.
38 Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers. Als Jesus den Lärm bemerkte und hörte, wie die Leute laut weinten und jammerten,
39 trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.
40 Da lachten sie ihn aus. Er aber schickte alle hinaus und nahm außer seinen Begleitern nur die Eltern mit in den Raum, in dem das Kind lag.
41 Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!
42 Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt. Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen.
43 Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Gott hat keine Freude am Untergang der Lebenden

Liebe Leserin, lieber Leser,
die Zeilen aus dem Buch der Weisheit haben mich direkt angesprochen. Es hat mich sehr begeistert, wie diese Verse Gott und den Menschen und das Leben und die Idee der Schöpfung darstellen.

Diese Zusage: Gott hat keine Freude am Untergang der Lebenden.
Und: heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. / Kein Gift des Verderbens ist in ihnen.

Das ist doch ein gewaltiges Kapital, wenn wir auf unser eigenes und das Leben aller Menschen und aller Mitgeschöpfe schauen.

Dass die Wirklichkeit anders erlebt wird – in unserem Leben und um uns herum; in der Gesellschaft und auch in der Kirche, die ja nicht abgesondert gesehen werden kann, sondern Teil der Gesellschaft und mit ihr verflochten und verwoben ist, das bringt mich auf die Spur zu fragen, woher diese Zuversicht kommt – diese Überzeugung, dass der Ursprung eben Gottes Zugewandtheit zum Leben ist.

Und da ist ein wichtiger Punkt: Diese Verse stehen im Weisheitsbuch. Das Buch der Weisheit ist das jüngste der Bücher des Ersten Testaments – es ist wahrscheinlich im letzten Drittel des ersten Jahrhunderts vor der Zeitenwende in Alexandrien entstanden.

In Alexandrien lebte eine recht große jüdische Gemeinde, das kulturelle und religiöse Leben war geprägt von griechischen philosophischen Schulen und intellektuellem Austausch. Griechisch war die Sprache dieser Zeit. Weisheitsliteratur war dabei sehr beliebt und daher auch ein Zugang, um den griechisch sprechenden Juden Alexandriens und interessierten Nicht-Juden in der multikulturellen Stadt und Gesellschaft vom jüdischen Glauben zu erzählen und diesen verstehbar zu machen. Vorstellungen von Gott, vom Menschen, vom Zusammenleben und von Sinn und Ziel des Lebens sind Thema des Buches. Die eigene Glaubenstradition und der eigene Glaube wird Thema im Dialog und Zusammenleben mit Menschen anderer philosophischer Strömungen, mit Menschen anderer Kultur, anderer Sprache, anderer Lebensgewohnheiten.

Liegt das nicht sehr nahe an unserer heutigen Lebensrealität? Und das Faszinierende an dem Buch der Weisheit ist der Einladungscharakter.

Nicht Ausgrenzung ist der Stil – nicht der Verweis auf all die in der Glaubenstradition gelehrten und auch erfahrenen Geschichten und Weisungen sind Mittel der Darstellung, sondern die Idee, dass Einsicht und Offenheit zu der Bereitschaft des Glaubens führen.
Genau dies war der Weg, wie die Menschen damals diskutierten, die Philosophenschulen lehrten das Argumentieren und Debattieren – das Zuhören und Nachdenken – das Schlussfolgern und Anerkennen.

Wie sind denn unsere Denkmuster heute? Welche Wege müssten wir gehen, um Menschen unserer Zeit von unserem Glauben zu erzählen? Welche Sprache, welche Zugänge, welche Einsichten braucht es?

Gott hat keine Freude am Untergang der Lebenden… heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. / Kein Gift des Verderbens ist in ihnen.

Ist das eine Wurzel meines Glaubens und Lebens?

Wenn wir den Abschnitt aus dem Markusevangelium lesen, dann legt sich ein direkter Bezug nahe – Jesus lebte und glaubte genau dies.

Wie eine Brücke scheint dieses Bild die jüdische Glaubenstradition mit der Botschaft Jesu zu verbinden, können wir doch darin genau diese bedingungslose Annahme jedes Menschen sehen, die Jesus den Menschen entgegenbrachte und die ein wesentlicher Kern seiner Frohen Botschaft – des Evangeliums ist. Jesus hat jedem Menschen in jeder Begegnung zugetraut, HEIL zu werden und Kind Gottes zu sein. Und immer hat er den Menschen zugesagt: Dein Glaube hat dir geholfen. Er hat die Menschen in ihrer ursprünglichen Ganzheit und Un-Zerbrochenheit gesehen und ihnen ihre eigene Zukunft zugetraut und auch zugemutet.

Das Evangelium des heutigen Tages zeigt uns genau dies in zwei ineinander verschachtelten Heilungserzählungen. Zwei Frauen, die eine erwachsen, seit Jahren krank, ausgeschlossen, verzweifelt, stumm; die andere jung, fast noch ein Kind, krank, lebens-un-fähig? stumm/verstummt,…

Hier eine Frau, die sich einen Weg bahnt, sich aufmacht, mutig ihre Hoffnung lebt, und dort ein Vater, angesehen in der jüdischen Gemeinde, ein Synagogenvorsteher, der die Glaubenstradition sicher kennt und vermutlich auch in der Familie Wert auf deren Beachtung legt und der angesichts der todkranken Tochter an seine Grenzen kommt, da er diesen Weg mit aller bekannten und gelebten Frömmigkeit nicht aufhalten kann.

Jesus wendet sich dann drei Personen zu.
– Dem Mann, der um Hilfe für seine Tochter bittet – denn er geht mit ihm.
– Der kranken Frau, die ihn berührt, denn er spürt ihre Sehnsucht und sein „InAnspruchGenommenSein“- und er lässt sich aufhalten, er unterbricht seinen Weg. Er verkündet darin den Gott, der das Leben liebt.
– Dem Mädchen, zu dem die Hausgemeinschaft ihn gar nicht mehr durchlassen will, weil offensichtlich nichts mehr zu machen ist.
Dem Mädchen gibt er eine Perspektive – holt sie ins Leben hinein. Und dem Vater schenkt er eine neue Glaubensperspektive: Zum Dasein hat Gott alles erschaffen.

Das Weisheitsbuch verschließt nicht die Augen vor der Wirklichkeit und sieht sehr wohl, dass es viel Ungerechtigkeit, Gewalt und Not in der Welt gibt… In einigen Kapiteln geht es ganz explizit um Gerechtigkeit und das gerechte Handeln; und der letzte Vers deutet schon an, dass auch zerstörerische Kräfte in der Welt sind – das ist nicht zu leugnen, doch will ich hier dem anderen Gedanken nachgehen.

Aus dem Glauben, dass Gott die Welt zum Guten geschaffen, wächst eine Aufgabe und Sendung für uns Glaubende.
Jesus sagt: Geht in alle Welt und verkündet das Reich Gottes.
Zeigt den Menschen in Wort und Tat, was Leben HEIL macht, überall dort wo es
unterdrückt, krank, gequält und verletzt ist und wird.
Lebt so, dass alle, die euch begegnen, Leben und Heil und Gerechtigkeit für ihr je eigenes Leben entdecken.

So wünsche ich uns, dass wir unsere heutigen „Weisheitsschulen“ suchen und besuchen, kreativ und zeitgemäß verkünden, was wir vom Evangelium verstanden haben, damit in unserem Leben durchscheinen kann, was uns HEIL macht und was den Gott des Lebens feiert. Amen.

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