Ihr seid meine Freundinnen und Freunde – 6. Sonntag der Osterzeit B

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 15
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern:
9 Wie mich Gott geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe.
10 Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich die Gebote Gottes gehalten habe und in ihrer Liebe bleibe.
11 Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch sei und eure Freude vollkommen werde.
12 Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe.
13 Es gibt keine größere Liebe, als das eigene Leben für die Freundinnen und Freunde hinzugeben.
14 Ihr seid meine Freundinnen und Freunde, wenn ihr handelt, wie ich euch gebiete.
15 Ich nenne euch nicht mehr Sklavinnen und Sklaven, denn eine Sklavin weiß nicht, wie ihre Gebieterin handelt und ein Sklave kennt das Vorhaben seines Herrn nicht. Euch aber habe ich Freundinnen und Freunde genannt, denn ich habe euch alles, was ich von Gott, meinem Ursprung, gehört habe, mitgeteilt.
16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht tragt und eure Frucht bleibt, so dass euch gegeben wird, um was ihr Gott in meinem Namen bitten werdet.
17 Ich gebiete euch, dass ihr euch gegenseitig liebt!

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Autorin:
Sigrid Haas, Diplomtheologin, Mannheim

 
Die Predigt:
Ihr seid meine Freundinnen und Freunde

Liebe Leserin, lieber Leser,

Jesus, unser Freund
gibt es in Ihrem Leben einen Menschen, mit dem Sie ganz tief verbunden sind, dem Sie vollkommen vertrauen, Ihre Probleme und Träume erzählen, der Sie wirklich liebt und immer für Sie da ist, den Sie als besten Freund/beste Freundin erwählt haben? Wenn ja, dann haben Sie ein sehr kostbares Geschenk empfangen. Doch viele Menschen haben niemanden, obwohl sie sich so sehr danach sehnen. Zu ihnen sagt Jesus ganz besonders: „Ich bin dein Freund, du kannst mir alles sagen und ich bin immer für dich da.“ Diese Freundschaft mit Jesus ist nicht einseitig, denn er sagt zu uns: Ich nenne euch nicht mehr Sklavinnen und Sklaven. Ihr seid meine Freundinnen und Freunde.

Freundschaft – das bedeutet: Antwort geben auf die Liebe, die uns geschenkt wird, sich gegenseitig erwählen, auf Augenhöhe begegnen, tiefe Verbundenheit, Vertrauen, zueinander stehen, miteinander alles teilen, füreinander da sein, einander verzeihen, gemeinsam durch Höhen und Tiefen gehen. Jesus teilte mit seinen Jüngern und Jüngerinnen nicht nur alles, was er von Gott empfangen hatte, sondern auch seine schwersten Stunden am Ende seines Lebens. Er vertraute denen, die er als seine Freundinnen und Freunde erwählt hatte und zeigte sich verletzlich, wenngleich nur die Frauen und sein Lieblingsjünger sich seiner Freundschaft würdig erwiesen und bei ihm blieben, doch so teilte Jesus auch den Schmerz des Verrates mit uns.

Jesus, der uns nahe sein will

Vielleicht denken Sie jetzt: Jesus ist Gottes Sohn, er ist der Herr, ich kann mich doch mit ihm nicht auf eine Stufe stellen! Aber das Un-glaubliche am Christentum ist doch gerade: Gott ist nicht fern und unnahbar im Himmel, nicht der mächtige Herrscher auf dem Thron. Durch die Menschwerdung in Jesus hat Gott die Trennung aufgehoben. Jesus ist unser Bruder und Freund, er will uns ganz nahe sein – als hilfloses Baby, als Diener in der Fußwaschung, als vor Angst Zitternder im Angesicht des Todes, als unschuldig Verurteilter, als entstellter Leidender am Kreuz.

Jesus, der uns die Liebe vorgelebt hat

Gott will, dass wir glücklich sind und das Leben in all seiner Schönheit genießen und nicht, dass wir uns klein und machtlos fühlen und leiden. Denn wir wurden als einzigartige, gute Menschen, als wundervolle Ebenbilder Gottes erschaffen. Dadurch haben wir auch Anteil an der göttlichen Schöpfungsmacht. Wir dürfen und sollen diese Fähigkeit nutzen und uns ein Leben in Freude und Fülle erschaffen, das ist weder egoistisch noch hochmütig. Allerdings lässt Gott uns auch die Freiheit das zu tun, was uns unglücklich macht und leiden lässt – es ist ganz allein unsere Wahl.

Damit wir uns richtig entscheiden, zeigt uns Jesus den Weg: Bleibt in meiner Liebe. Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch sei. Wenn wir in der Liebe bleiben, sind wir auch in der Freude. Mit den Geboten ist vor allem das größte Gebot gemeint – das dreifache Liebesgebot: Gott lieben, sich selbst lieben, die anderen lieben.

Jesus hat alle Menschen geliebt, doch konnte er das nur, weil er nicht nur ganz tief mit Gott verbunden war, sondern auch mit sich selbst. Die unendliche Liebe Gottes annehmen und sie anderen schenken können wir nur, wenn wir uns selbst auch mit all unseren Schattenseiten lieben. Und da es durch Jesus keine Trennung mehr gibt zwischen Gott und den Menschen, so soll es auch keine Trennung mehr geben zwischen den Menschen: Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe (vgl. auch Joh 17, 21 Alle sollen eins sein). Allumfassende Liebe – das ist die Antwort, die Jesus auf die Erwählung als seine Freunde und Freundinnen von uns erwartet. Und wenn wir das wirklich leben, dann werden unsere Gemeinden Orte sein, an denen alle Menschen willkommen sind, und sie die drei Dimensionen der Liebe in sich selbst – wieder – finden können.

Freundschaftsikone
Die Freundschaftsikone

Eine sehr schöne Darstellung von Jesus als unserem treuen Freund ist die so genannte „Freundschaftsikone“, bekannt geworden durch die ökumenische Gemeinschaft von Taizé. Die koptische Ikone aus dem 6.Jahrhundert stellt den heiligen Mönch und Märtyrer Menas dar.

Jesus legt liebevoll und beschützend den Arm um Menas. Sie sehen beide nach vorne, gehen den Weg gemeinsam. Die Heiligenscheine symbolisieren das Licht, welches von den beiden ausgeht. Jesus hält ein kostbares Buch im Arm, Menas eine Schriftrolle, sie stehen für die Botschaft der Liebe, die beide verkünden. Menas hat wache Augen und deutlich sichtbare Ohren – er ist offen und aufmerksam, was Gott ihm mitteilen will.

Diese frühchristliche Ikone will uns sagen: Auch du bist von Jesus als Freund und Freundin auserwählt, wenn du in der Liebe bleibst – verbunden mit Gott, mit dir selbst und mit den Menschen. Denn nur wenn wir ganz in der Liebe bleiben, kann das göttliche Licht aus unserem Herzen und unseren Augen strahlen. Die Freundschaft Jesu ist daher sowohl Geschenk als auch Auftrag. Nehmen wir sie an und tragen diese frohe Botschaft zu den Menschen, die sich danach sehnen. Amen.

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Freundschaftsikone © by Shop made-by-Taizé
Die Ikone ist in verschiedenen Ausführungen hier erhältlich: www.made-by-taize.de

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