Was bringt Versuchung? – 1. Fastensonntag B

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 1
In jener Zeit
12 trieb der Geist Jesus in die Wüste.
13 Dort blieb Jesus vierzig Tage lang und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm.
14 Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes
15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

Autorin:
PassbildSabine Mader, Pastoralreferentin, Klinikseelsorgerin im Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart

 
Die Predigt:
Was bringt Versuchung?

Liebe Leserin, lieber Leser,
… die süßeste Versuchung seit es Schokolade gibt. Dieser Werbejingle war das erste, was sich mir zum Wort Versuchung aufgedrängt hat. Was bringt uns heute in Versuchung? Meist wohl eher – besonders jetzt in der Fastenzeit – etwas besonders Leckeres, das unserer Figur oder unserer Gesundheit nicht allzu gut tut. Oder manchmal habe ich das Gefühl, die katholische Kirche – vielleicht auch die evangelische – hatte das Wort Versuchung gepachtet für all das, was mit Sexualität und ihren Trieben zu tun hat. Sehr abwertend und tabuisierend, oft sogar ganz der Frau zugeordnet, die personifizierte Versuchung des Mannes, frei nach dem Buch Genesis. An was haben wir also zu denken, wenn Markus so gewohnt knapp schreibt: Jesus wurde vom Satan in der Wüste in Versuchung geführt?

Von den anderen Evangelisten wissen wir ja, dass es weder Schokolade noch eine Frau war, die der Versucher in der Wüste aufgefahren hat. Jesus hat 40 Tage in der Wüste verbracht, um im Gebet seinem Vater nahe zu sein, sich auf das Bevorstehende vorzubereiten, Klarheit in sein Denken und Handeln zu bringen. So tritt der Satan als der auf, der ihn verwirren, der seine Zweifel an seiner Aufgabe groß werden lassen möchte. Er nistet sich in den Gedanken Jesu ein, besetzt sie und lässt ihn nur mehr das Negative sehen. „Kann ich den Wunsch meines Vaters erfüllen? Bin ich stark, klug genug, um diesen Weg zu gehen? Wäre ein anderer Weg nicht einfacher?“

Ich glaube, diese Art der Versuchung kennen wir alle und als Krankenhausseelsorgerin erlebe ich, wie hilflos ihr viele Patientinnen und Patienten ausgeliefert sind. Manchmal sind da nur mehr Zweifel: werde ich wieder gesund? Ist unser Leben unter diesen Bedingungen am Ende? Angst wird groß: wie soll es weiter gehen? Ist so mein Leben noch lebenswert? Manchmal kommt es einem vor, als wäre alles ein Traum, der keinen Bezug zur Realität hat. Manchmal ist die Welt, so wie sie ist, nicht mehr auszuhalten. Wüste, Leere, überall um uns her.

Einen Schritt weiter bringt mich, den ersten Satz dieses Evangeliums genau zu bedenken: In jener Zeit trieb der Geist Jesus in die Wüste. Jesus ist nicht zufällig dort gelandet sondern da war Geist – Vorsehung im Spiel. Und wenn der Geist zu etwas treibt, dann können wir doch eigentlich davon ausgehen, dass es zum Besten des Getriebenen ist. Dieser Geist möchte also, dass Jesus an seine Grenzen geht, er möchte, dass er sich auseinander setzt mit seinem Leben und seiner Botschaft, seinen Beziehungen. Nicht oberflächlich einfach tun, was dran ist, sondern in die Tiefe gehen. Es ist so viel leichter, die Zweifel zu verdrängen, sich den Herausforderungen nicht zu stellen, dass die Versuchung des Satans, alles auf den ersten Blick einfach aussehen zu lassen, natürlich eine wirkliche Versuchung ist. Warum leiden? Warum an Menschen verzweifeln? Es ist doch einfacher, sich zu distanzieren, sich in sich zurückzuziehen, als sich Verletzungen auszusetzen.

Wenn uns der Geist treibt, dann meist nicht auf den einfachen und steinlosen Weg. Es braucht Kraft und Mut, sich manchen Herausforderungen zu stellen. Aber gleichzeitig gilt die Verheißung, dass das Ziel, das winkt, dafür umso beglückender ausfällt. Wer sich seinem Leben stellt mit allen Tiefen, der wird reich beschenkt mit Erfahrungen, die nur in der Tiefe und nicht an der Oberfläche zu machen sind. Wirkliche Freude kennt nur der, der weiß, wie es ist, traurig zu sein. Wirklich lieben kann nur der, der Menschen nahe an sich heran lässt und dabei auch das eine oder andere Mal verletzt wird.

Und bei einem geben Sie mir vielleicht auch noch Recht: es macht stark, der Versuchung, den einfachen Weg zu gehen, widerstanden zu haben. Es macht stark zu wissen, was man alles aushalten und sich dann doch wieder freuen kann an den geschenkten Dingen im Leben. Von Jesus hören wir, dass er weitergeht, Jünger beruft, Menschen heilt und zuletzt am Kreuz uns alle erlöst. Und ich behaupte, all das war möglich, nicht ohne die Versuchungen, zu kneifen, sondern weil in manchen leidvollen Stunden sein Blick geschärft wurde für das Wesentliche auf seinem Weg. Nur wer selbst verletzt wird, kann heilen.

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Eine Antwort auf Was bringt Versuchung? – 1. Fastensonntag B

  1. M. sagt:

    Es hat sich gelohnt diese Predigt zu lesen. Danke für das genaue hinschsshauen/hinhorchen. Den Auftakt des Textes bewusst wahrnehmen. Perspektive ändern.

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