Talente und Fähigkeiten machen das Leben reich – 33. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 25
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern und Jüngerinnen das folgende Gleichnis:
14 Mit dem Himmelreich wird es sein wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an.
15 Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab. Sofort
16 begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu.
17 Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu.
18 Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn.
19 Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen.
20 Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen.
21 Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
22 Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen.
23 Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
24 Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast;
25 weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.
26 Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe.
27 Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten.
28 Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat!
29 Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.
30 Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.

Autorin:
PassbildSabine Mader, Pastoralreferentin, Klinikseelsorgerin im Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart

 
Die Predigt:
Talente und Fähigkeiten machen das Leben reich

Liebe Leserin, lieber Leser,
als ich noch im Gemeindedienst war, hatte ich als ein großes Arbeitsgebiet die Firmvorbereitung für ganz Esslingen. Ich werde es nie vergessen, dass mir einmal der Firmspender ein Erlebnis erzählte, das ihn sehr betroffen gemacht hat. Nach dem Akt der Firmung kommt er immer ein bisschen mit jeder und jedem Gefirmten ins Gespräch. Eine Frage, die er oft dabei stellt, ist nach den Talenten der jungen Menschen. – Die unterschiedlichsten Antworten bekommt er dabei, meist voll Leben, voll Lust am Engagement. Nur einmal sagte ein Jugendlicher nach längerem Nachdenken, er hätte keine Talente. Verdutzt fragte der Domkapitular den hinter dem Firmling stehenden Paten, ob er nicht seinem Patenkind sagen könnte, was dieses seiner Meinung nach besonders gut könne. Auch der Pate reagierte ratlos und verneinte, etwas zu wissen. Als er mir das erzählte, war noch die Betroffenheit über den jungen Menschen spürbar, der so wenig Gutes über sich zu berichten hatte. Natürlich müsste man jetzt tiefer in die Familiengeschichte eintauchen, um sich das zu erklären, aber die Vorstellung, dass jemand von sich denkt, kein besonderes Talent geschenkt bekommen zu haben, macht mich sehr traurig. Wie würde in unserem Gleichnis der Herr über diesen Diener urteilen? Mitleid haben? Ihn vielleicht gar nicht erst eingestellt haben?

Unsere Talente, unsere Fähigkeiten, geben uns Menschen etwas Unverwechselbares und machen unser Leben reich. Damit können wir uns einbringen in das Miteinander mit anderen Menschen – wenn ich gut singen kann, erfreue ich viele Menschen damit, wenn ich gut organisieren kann, mache ich so manches Zusammenleben einfacher, wenn ich eine freundliche Ausstrahlung habe, mache ich es den Menschen einfach, mit mir in Kontakt zu kommen und mich vielleicht um Hilfe zu bitten. Die meisten Talente sind auf die Gemeinschaft hin einzusetzen, ob es nun handwerkliche oder künstlerische, kommunikative oder charakterliche Talente sind, man kann sie für alle gewinnbringend einsetzen.

Ich stelle mir einen Menschen, der sagt, er könne nichts gut, er habe an nichts Spaß, als einen einsamen Menschen vor. Nichts verbindet doch mehr, als sein Können gemeinsam zu praktizieren: im Chor, in der Tanzgruppe, in einem Team, das zusammen arbeitet… Und nichts erfüllt mehr, als das Gefühl zu haben, für andere Menschen etwas Gutes tun zu können: von den großen Dingen bis hin zu den kleinen: manchmal reicht ein Lächeln, das ich jemandem schenke, dem es darauf gleich besser geht.

Diese Geschichte von den Talenten ist ja eine Geschichte wie es im Himmelreich sein soll. Ideal ist also, wenn jeder versucht, sich in das Ganze einzubringen, nicht über seine Möglichkeiten hinaus, sondern mit dem wenigen, was man vermag, dann bekommt man so einiges dazu geschenkt – Bestätigung und Wohlwollen der anderen, das Gefühl, nicht alleine zu sein und auch ein besonderes Verhältnis zu Gott.

So kann also immer dann etwas vom Himmelreich hier bei uns aufblitzen, wenn jemand versucht, sich zu engagieren für einen anderen Menschen, eine gute Sache, ein Talent, das anderen gut tut. Die Essenz dieses Gleichnisses ist nicht, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint, „the Winner takes it all“, die Reichen bekommen alles, die Armen gehen leer aus. Sondern: wer sich mehr einbringt, wer sich mehr traut, sich selbst zu verschenken, bekommt auch mehr an Erfüllung zurück. Sich in einer Beziehung, einer Gemeinschaft zu engagieren, kann natürlich auch sehr frustrierend sein, verletzend, manches Lernen geht an die Substanz, aber es ist trotz allem der reichere Weg. Wir haben es durch Jesus vorgelebt bekommen, er hat sich mitten in die menschlichen Beziehungen gestürzt, hat geliebt, sich auseinander gesetzt, ist anerkannt und verurteilt worden, ist gescheitert und doch wieder gerettet hervorgegangen. Ein Leben wie es reicher nicht sein könnte.

Für mich steckt im heutigen Gleichnis die Aufforderung, es immer wieder zu wagen, sich einzubringen mit all unseren Fähigkeiten und Talenten, mit allem, was uns ausmacht, sich zuzumuten, auch mit den weniger schönen Seiten. Auch über Verzweiflung und Ängste sprechen zu können, kann ein Talent sein, weil Ausgesprochenes manchmal den Schrecken verliert. Es ist für mich eine Aufforderung zu leben, in aller Fülle und trotz allem! Nicht aufzugeben sondern zu kämpfen auch nach einem Schicksalsschlag. Und manchmal kann gerade eine Krankheit eine Chance sein, sich darauf zu besinnen, was einem noch wirklich möglich ist. Nicht die ganz großen Dinge sondern die Kleinigkeiten wie ein nettes Wort oder ein dankbarer Blick sind dann die Fähigkeiten, mit denen man noch beschenken kann.

Eine Ordensschwester sagte mir mal, dass das Gefühl, leere Hände zu haben, manchmal eine wichtige Voraussetzung ist, Gott dienen zu können. Denn nur dann kann man sich von Gott beschenken lassen. Wer glaubt, alles im Griff zu haben, ist nicht so angewiesen auf Gottes Geschenk. Ich glaube fest daran, dass in der Verbindung mit Gott genau das an Talent in uns zum Vorschein kommt, das wir brauchen. Jeden Tag auf Neue.
Amen.

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