Wenn der Himmel sich öffnet – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

Lesung aus der Apostelgeschichte, Kapitel 6 und 7
8 In jenen Tagen tat Stephanus, voll Gnade und Kraft, Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
9 Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner und Zyrenäer und Alexandriner und Leute aus Zilizien und der Provinz Asien erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten;
aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen. Als sie seine Rede hörten, waren sie aufs Äußerste über ihn empört und knirschten mit den Zähnen.
55 Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
56 und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.
57 Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los,
58 trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.
59 So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
60 Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.

Autorin:
M. Rings-KleerMarita Rings–Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken, Bistum Trier

 
Die Predigt:
Wenn der Himmel sich öffnet

Liebe Leserin, lieber Leser.
die Frau war in diesem Jahr schon drei Mal im Krankenhaus. Die beiden ersten Male im Sommer zu Voruntersuchungen und dann Anfang November zur Operation. Sechs Wochen musste sie nach dem Eingriff im Bett liegen, sechs Wochen in denen sie tagtäglich auf den kleinen Ausschnitt Himmel vor ihrem Fenster sah.

Und das tat sie mit wachsendem Interesse. Mit jedem Tag, ja eigentlich mit jeder Stunde, entdeckte sie neue Varianten in „ihrem“ Stück Himmel: die verschiedenen Farben und Lichtverhältnisse, von kräftigem Blau und hellblau über grau bis zu unterschiedlichen Dunkeltönen in der Dämmerung. Die verschiedenen Wolkenformationen von luftig leicht über bedrohlich bis geschlossen und schwer, Grau-in-Grau. Sie sah die vielen Facetten des Sonnenlichts vom fahlen milchigen Licht am Morgen bis hin zum pastellfarbenen Orange beim abendlichen Sonnenuntergang. Die Sonne selbst war außerhalb ihres Blickfeldes. Sie wusste schon bald, um wieviel Uhr sich der Himmel in der Frühe enttarnte und wann er abends in die Nacht glitt. Das Stück Himmel wurde ihre Konstante, während sich in ihrem Zimmer zahlreiche Wechsel vollzogen. Als es einmal zu einer Komplikation kam und sie nachoperiert werden musste, da sagte sie beim Wegdämmern zur OP-Schwester: Hoffentlich sehe ich meinen Himmel wieder. Und wenn die unterschiedlichsten Therapeuten sie mit ihren Übungen quälten, dann ließ der Blick auf ihren Himmel sie alles aushalten. Dann, nach sechs Wochen die Entlassung und als sie vor der Tür stand und endlich den Blick in die Weite schweifen lassen konnte, da war er weg, „ihr“ Himmel.

Wir trafen uns kurze Zeit später und sie fragte im Gespräch: „Wo ist er hin, mein Himmel?“ Diese Frage erwischte mich auf dem falschen Fuß. Ich spürte, solche Sprüche wie „Der Himmel ist in dir“ oder „Der Himmel ist der Wohnort Gottes“ oder gar das weihnachtliche „ihr Himmel alle, singt mit Schalle“, waren nicht die Antwort auf die Frage der Frau. Nach einem Moment der Überlegung habe ich ihr dann gesagt, dass der Himmel, den sie vor ihrem Krankenhaus gesehen hat, für sie ein Zeichen dafür war. Ein Zeichen dafür, dass Gott ihr nahe war, dass er ihr in all ihrer Not beistand.
Und als ihr Leid zu Ende war, verschwand eben der Himmel, weil sie ihn nicht mehr so sehr brauchte. Die Frau war mit dieser Antwort zufrieden. Ich aber nicht so recht! Also begleitete mich ihre Frage durch den späten Advent und beim Lesen des Textes aus der Apostelgeschichte sprang mir die Antwort regelrecht ins Gesicht.

Da ist von Stephanus die Rede. Er war ein kluger, rhetorisch begabter junger Mann und ein glühend überzeugter Anhänger Jesu. Nach dessen Tod und Auferstehung konnte Stephanus nicht anders, als die Botschaft von der Auferstehung als neues Glaubensbekenntnis zu verkünden. Sehr zum Missfallen der herrschenden jüdischen Schicht. Und es kam, wie es kommen musste: Stephanus muss aus dem Weg, egal, wie gut und beherzt er sich in seiner großen Rede vor den Anklägern verteidigen kann. Er wird zum Tode verurteilt und soll gesteinigt werden. Stephanus ist bereit, für seine Überzeugung auch in den Tod zu gehen und setzt damit gleich drei Zeichen, die bis heute Menschen beeindrucken und auch leiten:
zum einen ist er bereit, sein Leben für seinen Glauben zu geben, so wie Jesus sein Leben für die Menschheit gegeben hat;
zum Zweiten: noch im Sterben vergibt er seinen Mördern. Es ist ihm wichtig, die Vergebung als markantes Kennzeichen des neuen Glaubens für sich durchzuhalten und es auch der Nachwelt deutlich zu machen.
Und zum Dritten: im Augenblick der tiefsten Not, im Augenblick von Schmerz und Sterben, da sieht Stephanus den Himmel offen.
Genau wie die Frau im Krankenhaus, die in den Stunden von Leid und Krankheit im Himmel vor ihrem Fenster Trost und Kraft erfuhr.

Für so manchen Zeitgenossen, gerade in diesen weihnachtlichen Tagen, sicher eine ziemliche Herausforderung, sich einen Himmel vorzustellen, der eben nicht lieblich klingt. Umgedreht ist es einfacher: in guten und frohen Zeiten einen blauen Himmel über sich zu haben ist einfach, zu einfach. In schweren Zeiten aber den Blick zum Himmel zu erheben, scheint zu schwer. Was kann von da schon kommen? Ein paar Engel vielleicht, wie in der Heiligen Nacht. Doch Stephanus zeigt uns, dass es geht. Im Angesicht höchster Not kann ich Hilfe vom Himmel oder besser aus dem Himmel erwarten. Denn wenn nicht von Gott, von dem wir ja annehmen, dass er im Himmel ist, von wem sollte uns sonst Hilfe zufließen.

Der Himmel ist der Ort Gottes, von dort kommt uns Hilfe aller Art zu und das ist auch der Ort, an dem wir nach unserem irdischen Dasein weiterleben werden. Stephanus ist nicht der Erste, der erfährt, dass von Gott Hilfe kommt, aber er ist der Erste, der Jesus in die Auferstehung folgt und im Himmel weiterlebt. Das hat er geglaubt und das lässt er geschehen und gibt uns allen damit ein Beispiel. Er spürt: wenn der Himmel sich öffnet, ist alle Angst vorbei, ist der Schmerz vorbei. Dann kann er dem Tod mit einer inneren Stärke entgegensehen und entgegengehen, einer Stärke, die wir uns kaum vorstellen können.

Und das hat auch die kranke Frau erfahren und konnte so die schweren Tage in der Klinik durchstehen und gesund werden. Und das können auch wir: in jeder Not können wir zum Himmel schauen, er wird sich öffnen und es wird uns Hilfe zuteil. Deshalb wünsche ich uns allen, wie es in einem Lied heißt, dass der Himmel über uns allen aufgeht und dass er auf uns alle übergeht.

Frohe, gesegnete und himmlische Weihnachten!

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Eine Antwort auf Wenn der Himmel sich öffnet – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

  1. Lydia sagt:

    Besten Dank für diese den Himmel erschließende Predigt zum 2. Weihnachtstag. Hilft mir, den Tag und das Evangelium für dieses Datum besser zu verstehen.

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