Standhaft bleiben – 33. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 21
5 Als einige darüber sprachen, dass der Tempel mit schönen Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei, sagte Jesus:
6 Es wird eine Zeit kommen, da wird von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleiben; alles wird niedergerissen werden.
7 Sie fragten ihn: Meister, wann wird das geschehen und an welchem Zeichen wird man erkennen, dass es beginnt?
8 Er antwortete: Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es!, und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach!
9 Und wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch dadurch nicht erschrecken! Denn das muss als erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort.
10 Dann sagte er zu ihnen: Ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere.
11 Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen.
12 Aber bevor das alles geschieht, wird man euch festnehmen und euch verfolgen. Man wird euch um meines Namens willen den Gerichten der Synagogen übergeben, ins Gefängnis werfen und vor Könige und Statthalter bringen.
13 Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können.
14 Nehmt euch fest vor, nicht im voraus für eure Verteidigung zu sorgen;
15 denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können.
16 Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten.
17 Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden.
18 Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden.
19 Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.

Autorin:
def9d78cf6Gabriele Greiner-Jopp, verheiratet, lebt in Wendlingen, z.Zt. als Dekanatsreferentin, Gemeindereferentin und Beraterin tätig

 
Die Predigt:
Standhaft bleiben

Liebe Leserin, lieber Leser,
er hätte es heute sagen können! Und wie damals vor ca. 2000 Jahren wird das Ende nicht sofort kommen. Höchstens für einzelne Menschen. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen. Dieser Satz gilt. Für Jesu Jünger und Jüngerinnen damals, für uns und für die Frauen, deren Geburtstag wir in der kommenden Woche feiern: Gertrud, die Große, von Helfta am 17. November und Elisabeth von Thüringen am 19. November (1207-1231). Die letztere ist berühmter, Landgräfin, mit vier Jahren von Ungarn nach Thüringen gebracht oder „verkauft“ oder benutzt?, glückliche Ehefrau, junge Witwe, Mutter von 3 Kindern, verstoßen aus der Burg – wer kennt nicht das Rosenwunder? – aufopferungsvoller Dienst an Armen und Kranken. Die Wartburg und Marburg sind ihre Wirkungsstätten. Die erstere – Gertud von Helfta (1256 – 1302), die Große, – Zisterzienserin, mystisch begabt, mit fünf Jahren ins Kloster zu Helfta gebracht – heute ein Stadtteil von Eisleben – und von da an ohne Kontakt zu ihren Eltern, findet eine besondere, innige Ausdrucksweise im Gespräch mit Gott. An einem Gründonnerstag beginnt sie aufzuschreiben was sie erlebte, eine göttliche Liebesgeschichte tief und bewegend.

Sich durch Anfeindungen, schlimme Nachrichten, Einsamkeit und Hass nicht abbringen lassen von der Nachfolge Jesu Christi, standhaft bleiben, das ist auch in unseren Tagen immer wieder gefordert und es wird gelebt. Sei es die Caritasmitarbeiterin Gertrud Luckner in Freiburg, sei es Rigoberta Menchu Tum, die Friedennobelpreisträgerin aus Guatemala, oder Dorothy Day, die Anarchistin und Christin aus den USA um nur drei zu nennen. Alle waren und sind Zeuginnen und Botinnen des Evangeliums. Sie lehren uns, dass wir einzigartig und unserer Bestimmung treu leben und glauben können, sollen, dürfen und müssen. Alle fünf Frauen sind unverständlich radikal wie Elisabeth, die in strengsten Bußübungen ihrem grausamen Beichtvater Konrad von Marburg folgt, ihre drei kleinen Kinder verlässt, und in der Krankenpflege sich so verausgabt, dass sie mit 24 Jahren stirbt.

Sie sind poetisch wie Gertrud, die Große, die in wunderschönen Bildern ihre innige Beziehung zu Christus erfährt und beschreibt, ohne sich zu sorgen, was andere denken. Beispiele ihres Denkens und Schreibens: „Gott schuf den Menschen nach Seinem Bild und Gleichnis. Nie will ich das vergessen! Er ist ein Gott und Er ist der Schöpfer allen Lebens. Er schuf den Menschen, Er schuf auch mich nach Seinem Bild und Gleichnis. Das ist des Menschen, das ist meine Würde, dass Gott, der Heilige Geist, der Geist der Liebe mit siebenfacher Gnadengabe mich gestärkt hat für den Kampf auf dem Weg meines Heils.“ oder: „Herr, wie kann es sein, dass diese Gewalt des Binden und Lösens (siehe Johannesevangelium Kapitel 20,22-23) allein den Priestern gegeben ist? Der Herr antwortete: “Wenn du die Sache eines Menschen in meinem Geist beurteilst und entscheidet, dass dieser unschuldig ist, dann wird dieser auch von mir ganz gewiss als unschuldig befunden werden; den du aber für schuldig erachten wirst, der wird auch von mir als schuldig erkannt. Ich werde durch deinen Mund reden!“ Die Benediktinerin Johanna Schwalbe sagt: „Wenn wir weitere Zitate der Hl. Gertrud von Helfta hören, wird uns deutlich, mit welcher Echtheit sie zu ihren Empfindungen als Frau in der Kirche steht. Sie entwickelt eine erstaunliche innere Freiheit und wird dadurch von Gott bestätigt. Durch ihr Gespräch mit dem Herrn, begreift sie ihr eigenes Wesen tiefer. Sie findet ihre eigene Identität und darf viel von Gott erfahren. Sie spricht mehr mit ihm als über ihn. Gertrud wirkt in ihrer Authentizität liebenswürdig und anziehend. Ist das nicht ein notwendiger Auftrag in unserer Zeit? Es gibt Menschen, die ihre eigene Identität verloren haben und nicht mehr wissen, wozu sie auf dieser Erde leben.“

Diese Frauen sind eigenwillig und kraftvoll wie Rigoberta Menchu (geboren 1959), die beharrlich für Versöhnung zwischen Indios und spanisch-stämmigen Einwohnern eintritt; dafür mit 20 Jahren lesen und schreiben lernt, indianische Sprachen und Spanisch „büffelt“, auch wenn fast ihre gesamte Herkunftsfamilie ermordet wurde.

Sie sind unglaublich mutig und unbeugsam wie Gertrud Luckner (1900-1995), die als Caritasmitarbeiterin vielen jüdischen Mitbürgern das Leben erträglicher macht oder ihnen zur Flucht verhilft, bis sie selber verraten wird und ins KZ eingeliefert. Als Gerechte unter den Völkern in Israel geehrt, setzt sie sich bis zuletzt für den christlich-jüdischen Dialog ein.

Sie sind radikal wie Dorothy Day (1897-1980), die sich aller Ungerechtigkeit widersetzt und sich fragt, ob man Anarchistin und Christ zugleich sein kann. Sie geht in ihrem Glauben keine Kompromisse ein, geht für ihre pazifistischen Überzeugungen sechs Mal ins Gefängnis und bleibt bis heute umstritten in der katholischen Kirche. Ihre Zeitschrift “The catholic worker“ gibt es seit der Gründung noch immer für einen Cent zu kaufen.

Für alle genannten Frauen gilt: Auf ihre je eigene Weise haben sie Zeugnis abgelegt für diesen Christus und ihre Gegner konnten ihnen letztendlich nichts anhaben. Auch darin ist unser heutiges Evangelium aktuell.

Für uns alle gilt, was Jesus Christus zu der Hl. Gertrud von Helfta sagte:
„Fürchte dich nicht, sondern sei getröstet, stark und sicher.
Denn ich selbst, der Herr und Gott,
dein lieber Freund, habe dich aus unverdienter Liebe geschafften und erwählt, um in dir zu wohnen und mich an dir zu erfreuen.“

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Zum Weiterlesen: „Lebendiges Zeugnis, 55. Jahrgang, Heft 4, Nov. 2000 und Bernhard Grom: „Große Frauen und was sie bewegten“, topos premium, Kevelar 2016

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2 Antworten auf Standhaft bleiben – 33. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Walburga Rüttenauer-Rest sagt:

    Vielen Dank für das Zitat der Hl Gertrud aus Helfta bezüglich der Lossprechungen durch eine Frau. Über 2000Jahren lang wurden die Frauen gezwungen ihre Verfehlungen Männern vorzutragen. So wurde verhindert , dass Frauen in ihrer Not das Sakarament der Vergebung nicht empfangen konnten und auch heute noch nicht können.
    Auf Grund eines konkreten Falles habe ich vor einigen Jahren Papst Benedikt geschrieben, ob er nicht einer Ordensfrau die Vollmacht überlassen könnte, damit eine junge Frau ihre Lebensbeichte abgeben könne, was ihr Wunsch und auf Grund ihrer Lebensgschichte bei einem Mann unmöglich war. Ich erhielt keine Antwort. Vielleicht hätte Papst Benedikt sich durch die Worte Jesus aus dem Mund der Hl Gertrud einsichtiger gezeigt.

  2. Beate Limberger sagt:

    Zu diesem Thema habe ich bei Richard Rohr in seinem Buch „12 Schritte der Heilung – Gesundheit und Spiritualität“ etwas Interessantes gefunden. Ich zitiere ihn hier direkt aus seinem Buch, S. 79f: „Das Problem ist, dass wir nicht ganz ehrlich mit der Art und Weise umgegangen sind, wie Jesus die Gabe der Beichte und Verantwortungsübernahme seinen Leuten übergeben hat. Anscheinend haben wir uns auf das mangelnde Bibelwissen der meisten Katholiken verlassen. „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, und wem ihr sie nicht vergebt, dem bleiben sie unvergeben“ (Joh. 20,23). Der Satz aus dem Johannesevangelium wird normalerweise benutzt, um die Vollmacht des Priesters zu „beweisen“, Sünden zu vergeben. Tatsächlich war der Satz aber an die größere Gruppe der Jünger (Joh. 20,19-20) gerichtet, nicht nur an die kleinere Gruppe, die man als „die Zwölf“ bezeichnete. Mit anderen Worten: Jesus hat diese Gabe, diese Aufgabe, an die gesamte Gemeinde übergeben; erst später wurde sie aus Gründen der Praktikabilität einer spezifischen spirituellen Autorität übertragen.“
    Damit wird deutlich, dass die Erfahrung Gertruds sich durchaus auch biblisch begründen lässt.

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