Ich kenne sie und sie folgen mir – 4. Sonntag der Osterzeit C

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 10
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
In jener Zeit sprach Jesus:
27 Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir
28 und ich gebe ihnen ewiges Leben und sie werden bis in Ewigkeit nicht verloren gehen und niemand wird sie aus meiner Hand rauben.
29 Gott hat sie mir gegeben und ist größer als alle und niemand kann sie aus der Hand Gottes rauben.
30 Ich und Gott sind eins.

Autorin:
Passfoto A.R.Angela Repka, Offenbach, Literaturübersetzerin, verheiratet, zwei Söhne, drei Enkelkinder, Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische Tätigkeit in der Pfarrgemeinde

 
Die Predigt:
Ich kenne sie und sie folgen mir

Liebe Leserin, lieber Leser,
an Jesus scheiden sich die Geister. Damals wie heute. In seiner mitfühlenden Menschlichkeit und innigen Gottverbundenheit ist er wie ein Lackmuspapier, das den Grad des wahren Lebens in uns und in der uns umgebenden Wirklichkeit anzeigt. Das wahre Leben, wie Jesus es gelebt und bezeugt hat, ist das Leben aus der Liebe, die den Tod überwindet und bleibt. Ewiges lebendiges Leben, das im Heute beginnt – kein angstvolles, allen möglichen äußeren wie inneren Zwängen hilflos ausgeliefertes, würdeloses Dahinvegetieren. Ein Leben in Liebe und Hingabe, das Gott auf die Erde zieht, jenes Reich Gottes, von dem Jesus verkündet, es sei schon jetzt nahe und ganz konkret erfahrbar, als „Wohl-schaffendes Gutsein Gottes“ (Schüssler-Fiorenza). Und viele Menschen um ihn herum konnten dieses Gutsein erfahren: all die Lahmen und Blinden, die Verkrümmten und Ausgebluteten, die Ausgebeuteten, Ausgegrenzten und von undurchschaubaren, schädlichen Kräften Besessenen.

Vor allem zu diesen Armen fühlte sich Jesus von Gott, den er zärtlich Abba nannte, gesandt. Papa, Mama, so reden wir unsere engsten Verwandten an, von denen wir abstammen, die sich um uns kümmern und uns kennen, die wir kennen und an die wir uns, wenn das Verhältnis gut ist, jederzeit vertrauensvoll wenden können. Jesus kennt seinen Ursprung. Er ist mit Gott vertraut, intim und weiß, dass er sich auf diese in ihm selbst sprudelnde Quelle des Lebens und der Liebe stets verlassen kann. Dies will und kann er nicht für sich allein behalten. Er teilt es mit allen, die bereit sind, ihr Herz zu öffnen für diese tiefste und zugleich höchste Wirklichkeit, in die er sie einführen will. Dies gilt noch einmal in besonderer Weise für die Männer und Frauen, seine Schülerinnen und Schüler, die das ihm von Gott aufgetragene Werk in seinem Namen weiterführen sollen, damit alle das Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10b).

Jesus verwendet im 10. Kapitel des Johannesevangeliums, dem der heutige Evangelientext entnommen ist, das Bild vom guten Hirten und den Schafen, die ihm folgen, weil sie ihm vertrauen. Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich (Joh 10,14b), heißt es dort. Es ist also kein blindes, sondern ein begründetes gegenseitiges Vertrauen, das in einer tiefen Begegnung und im Umgang miteinander entstanden ist. Die sich Jesus anvertraut hatten, konnten spüren und sehen, wie ihr Hirte sie liebte, wie er sich für sie einsetzte und dass es keine leeren Worte waren, wenn er sagte, er sei bereit, sein Leben für sie hinzugeben. In Jesu unbedingter Liebe erfuhren sie den Anruf Gottes, der wiederum sie dazu trieb, mit ihrer Liebe, ihrem Leben zu antworten und sich in Dienst nehmen zu lassen – mit großer Freude, aber auch mit allen Risiken.

Am heutigen Sonntag beten wir als Kirche wieder wie jedes Jahr inständig darum, dass gläubige Menschen zu ihrer geistlichen Berufung und dem Dienst finden mögen, der den ihnen von Gott verliehenen Charismen entspricht. An einem solchen Tag wird uns erneut schmerzlich bewusst, dass unsere Kirche noch immer Berufungen zurückweist, die nach ihrer Tradition nicht vorgesehen sind, was insbesondere Frauen betrifft. Nicht mehr vorgesehen, müsste es genauer heißen, denn das Bild der Jesusbewegung und der frühen Kirche bietet sich inzwischen differenzierter dar. So könnte beispielsweise das Amt der Diakonin zeitgemäß neu belebt werden – eine wegweisende Tat, die sehr gut in das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit passen würde. Es gibt ja schon Frauen, die sich zu ihrer Berufung bekennen und die bereits für den diakonischen Dienst ausgebildet sind. Derweilen wird der unbestellte Acker von Tag zu Tag größer, während die Zahl der Arbeiter in vielen Ländern erschreckend abnimmt. Doch Gott, dessen heilige Geistkraft wirkt, wo sie will, lässt uns nicht im Stich. Wir müssen nur die Zeichen der Zeit wahr-nehmen und die ausgestreckte Hand ergreifen.

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Eine Antwort auf Ich kenne sie und sie folgen mir – 4. Sonntag der Osterzeit C

  1. Walter sagt:

    „goldener Käfig“…

    vielleicht ist die die Tür für „die Frauen“ – wie vor 2000 Jahren ja geöffnet: sie trauen sich nicht, wie damals „die Männer“ …
    Dabei hat sich unter der „Käseglocke “ einer Kirche, der die Herde davonläuft viel geändert,- angefangen vom Bild des „Stellvertreters“ bis zum Bild der Kirche als „Sozialkonzern“ mit geweihten Prokuristen…

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