1 Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab.
2 Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war;
3 sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht.
4 Während sie ratlos dastanden, traten zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu ihnen.
5 Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?
6 Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war:
7 Der Menschensohn muss den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen.
8 Da erinnerten sie sich an seine Worte.
9 Und sie kehrten vom Grab in die Stadt zurück und berichteten alles den Elf und den anderen Jüngern.
10 Es waren Maria Magdalene, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus; auch die übrigen Frauen, die bei ihnen waren, erzählten es den Aposteln.
11 Doch die Apostel hielten das alles für Geschwätz und glaubten ihnen nicht.
12 Petrus aber stand auf und lief zum Grab. Er beugte sich vor, sah aber nur die Leinenbinden dort liegen. Dann ging er nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.
Autorin:
Walburga Rüttenauer – Rest, Bensberg, verheiratet, drei Kinder, Grundschullehrerin, nach der Pensionierung Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische und liturgische Aufgaben in der Pfarreigemeinde
Die Predigt:
… und glaubten ihnen nicht
Christ ist erstanden,
von der Marter alle,
des solln wir alle froh sein;
Christ will unser Trost sein
Kyrieleis
Liebe Leserin, lieber Leser,
das alte Osterlied ist eine Aufforderung an uns, froh zu sein, weil der auferstandene Christus uns trösten will. Das klingt nicht nach österlicher Freude, die sich von selbst einstellt. Es bedarf unseres Glaubens an die Auferstehung unseres Herrn und Bruders. Das ist leichter gesagt als vollzogen. Dem heutigen Evangelium nach Lukas möchte ich zwei Verse vorherschicken, weil wir dann einiges besser verstehen. Sie gehören meiner Meinung unbedingt mit zu dieser österlichen Botschaft.
Die Frauen, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, gaben Josef aus Arimatäa das Geleit und sahen zu, wie der Leichnam in das Grab gelegt wurde. Dann kehrten sie heim und bereiteten wohlriechende Öle und Salben zu. Am Sabbat aber hielten sie die vom Gesetz vorgeschriebene Ruhe ein. (Lukasev. 23,55 -56)
Frauen aus Galiläa folgen demnach Josef aus Arimatäa, der den Leichnam Jesu von Pilatus erbeten hatte, bis zu der Grabstätte, wo der Leichnam bestattet wird. Sie kennen also das Grab sehr genau. Keiner von den Jüngern oder Aposteln wird genannt. Sie hatten sich wahrscheinlich aus Angst vor den Juden versteckt oder sie wollten die Hinrichtung ihres Herrn und Meisters nicht miterleben. Frauen sind in solchen Situationen, wo es um einen geliebten Menschen geht, oft mutiger als die Männer. Das erinnert mich an die mutigen Frauen, die 1943 in Berlin mit einem Juden verheiratet waren. Vor dem Gefängnis, in dem ihre Männer interniert waren, demonstrierten sie für deren Freilassung sieben Tage lang, ohne Angst um ihr eigenes Leben. Sie hatten Erfolg.
Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab. Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; sie gingen hinein,aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht.
Versetzen wir uns in ihre Lage. Den Sabbat hatten sie genutzt, kostbare Salben für den Leichnam herzustellen. Diesen letzten Liebesdienst wollten sie jetzt ausführen.
Ich weiß nicht, ob ich so einfach in die Grabkammer gegangen wäre. Irgend jemand musste den Stein weggeschafft haben, der den Eingang verschlossen hatte. Warum und wo hielt er sich versteckt? Seltsam, dass sie vorher keinen Gedanken daran verschwendet hatten, wie sie in die Grabkammer hinein kommen würden. Nun stehen sie da mit ihren Salben und wissen nicht, was sie tun sollen.
Während sie ratlos dastanden, traten zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu ihnen.
Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: Der Menschensohn muss den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen. Da erinnerten sie sich an seine Worte.
Zwei Männer in auffallenden Gewändern waren ihnen zwar entgegen gekommen, aber keine Engel, wie es im Matthäus- und Johannesevangelium steht. Die Frauen sind keine Schwärmerinnen, sie sind sehr sachlich. Nur weil die Männer leuchtende Kleidung tragen, sind sie noch keine Engel. Aber sie waren zu zweit, darum konnte das Zeugnis – nach jüdischer Auffassung – wahr sein. Und so hören die Frauen mit gesenkten Augen genau zu.
Suchten sie wirklich den Lebenden? Sie waren doch dabei gewesen, wie Jesus am Kreuz starb und wie er ins Grab gelegt wurde. Suchten sie nicht vielmehr den Toten? Wie sollten sie in einer Grabkammer einen Lebenden suchen? Die Salben hatten sie für einen Leichnam mitgebracht!
Als ich vor zwei Jahren in Jerusalem in der Grabeskirche bis zu der Grabeskammer und der Bank aus Stein vorgedrungen war, wohin der Tradition nach der Leichnam Jesu gelegt worden war, erging es mir wie den Frauen im Evangelium. Ich verließ die Grabeskammer ratlos und verwirrt. Was suchten all die vielen Menschen dort, die sich hineinzwängten und dann wieder ans Tageslicht zurückkehrten? Was hatte ich gesucht? Weder den Gekreuzigten noch den Auferstandenen hatte ich gefunden.
Die zwei Männer erwarten von den Frauen keine Antwort auf ihre Frage. Sie zeigen ihnen stattdessen eine Brücke, einen Weg von der Sinnlosigkeit dieser Hinrichtung zu dem Sinn der Botschaft Jesu, die wie das Hauptmotiv seiner Verkündigung im Lukasevangelium immer wiederkehrt und deshalb von den Frauen sofort erinnert und jetzt verstanden wird.
Der Menschensohn muss den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen.
Wie ein Lichtstrahl wirkt dieser Satz, der Kern des späteren Glaubensbekenntnisses. Die Sinnlosigkeit der schrecklichen drei Tage erhält plötzlich einen Sinn. Die Frauen erinnern sich an die Worte Jesu und glauben das Unglaubliche. Nun wissen sie, was sie zu tun haben. Da braucht es nicht eines Auftrages, es braucht keiner Erscheinung Christi. Die Erinnerung an seine Worte gibt ihnen die Kraft, vor die Apostel und Jünger zu treten und die Auferstehung ihres Herrn und Meisters zu verkündigen.
Und sie kehrten vom Grab in die Stadt zurück und berichteten alles den Elf und den anderen Jüngern. Es waren Maria Magdalene, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus; auch die übrigen Frauen, die bei ihnen waren, erzählten es den Aposteln.
Doch die Apostel hielten das alles für Geschwätz und glaubten ihnen nicht.
Jede erzählte ihr Erlebnis, denn nicht nur die Apostel waren da, auch all die anderen Jünger, die hier aus Angst Schutz gesucht hatten. Die Frauen hatten ein ziemlich großes Publikum, aber, obwohl sie von glaubenden Frauen unterrichtet wurden, hielten die Männer alles für Frauengeschwätz. Die Größe dieser Frauen lag darin, dass sie der Unglaube dieser Männer in ihrem eigenen Glauben nicht verunsicherte.
Petrus aber stand auf und lief zum Grab. Er beugte sich vor, sah aber nur die Leinenbinden dort liegen. Dann ging er nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.
Auch wenn er dem Bericht der Frauen nicht glaubte, trieb ihn eine innere Unsicherheit oder ein Schuldgefühl dazu, wenigstens das Grab zu inspizieren. Bei der Kreuzigung war er nicht anwesend gewesen, bei dem Begräbnis auch nicht. Er hatte den sterbenden Herrn und dann den Toten nicht gesehen. Die Angst hatte ihn bereits zu Beginn der Leidensgeschichte zur Verleumdung seines geliebten Meisters getrieben. Die Angst, vielleicht auch die Scham, hatte ihn festgehalten in seinem Versteck als Jesus sein Kreuz durch die Stadt tragen musste zur Hinrichtungsstätte. Er war nicht dabei, als Jesus vom Kreuz genommen wurde. Nicht er hatte darum bei Pilatus gebeten. Er war nicht einmal dabei, als Jesus zu Grabe getragen wurde. So konnte ihn beim Blick ins leere Grab zwar Verwunderung packen, aber kein Glaube wie es die Frauen erfuhren. Dazu musste Christus ihm erst selbst noch erscheinen.
Die Botschaft der Frauen wurde damals als Geschwätz von der Jüngerschar abgetan, trotzdem verbreitete sich – auch ohne den Glauben der Männer – diese Nachricht über Jerusalem hinaus. In allen vier Evangelien empfingen die Frauen als erste die Botschaft von der Auferstehung Jesu. In allen vier Evangelien empfingen die Männer diese Botschaft von den Frauen. Doch sie waren nicht in der Lage, den Frauen zu glauben. Sie brauchten die leibhaftige Begegnung mit dem Herrn und selbst da glaubten sie nicht sofort.
Wie mögen die Frauen die Reaktion der Apostel und Jünger empfunden haben? Ich fühle mich mit diesen Frauen eng verbunden. Ihr Glaube ist auch mein Glaube. So fühle ich mich auch heute noch verletzt, wenn die Botschaft von der Auferstehung Jesu als Geschwätz von Frauen abgetan wird. In dieser Tradition stehend kämpfen wir Frauen, anders kann ich es nicht ausdrücken, noch immer darum, dass die patriarchalische Kirche uns Frauen endlich anhört, wenn wir von unserem Glauben aus unserer Sicht heraus sprechen und das Evangelium Jesu verkünden wollen.
In der Tradition der Frauen um Maria Magdalena stehen alle Christen, die an die Auferstehung Jesus glauben ohne ihn leibhaftig gesehen zu haben. Selig, die nicht sehen und doch glauben (Johannesev. 20,29b). Der von den Frauen verkündigte Glaube ist der vom Heiligen Geist bewegte Glaube. Die Frauen glaubten aus dem Erlebnis des Leidens, Sterbens und Begrabenwerdens ihres Herrn heraus. Jede Frau, die ein Kind geboren hat, kennt die unerträglichen Schmerzen und das Gefühl des Untergangs, aus dem neues Leben auf die Welt kommt.
Die Apostel und Jünger dagegen versteckten sich aus Angst um ihr eigenes Leben nach der Gefangennahme ihres Herrn und verharrten dort, bis die Frauen ihnen die Botschaft von der Auferstehung ihres Herrn brachten. Die Angst machte sie unfähig, die Botschaft zu verstehen, denn sie kreisten so nur um sich selbst. Bereits zu Lebzeiten Jesu hatte Petrus Jesu Hinweis auf sein Leiden und Sterben vehement abgelehnt, woraufhin Jesus ihm sagte: Weg mit dir, Satan! Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. (Matthäusev. 16,23)
Die Frauen dagegen waren mit ihren Gedanken ausschließlich bei ihrem Meister geblieben. Sie hatten keine Angst um ihr eigenes Leben. So brauchten sie nur einen kurzen Hinweis und schon erinnerten sie sich daran, dass Jesus wiederholt auf sein Leiden, Sterben und Auferstehen hingewiesen hatte. Das genügte und sie verkündeten ohne Zögern die Auferstehung Jesu.
So steht die nachösterliche Gemeinde in der Nachfolge der Frauen, denen die Erinnerung an die Worte Jesu genügte, um an seine Auferstehung zu glauben. Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen.(Lukasev. 9,27)
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Abbildung: Perikopenbuch Kaiser Heinrichs II., 11.Jahrhundert
Das „Geschwätz“ der Frauen…
Die gläubigen jüdischen Männer in der Christus – Nachfolge lebten in Konkurrenz zum weit verbreiteten Milieu des Kybele und Attis-Kults: der vor aller Augen zu Tode gekreuzigte Christus – der wahre, auferstandene Attis ? sich entmannen um ihm als Priester zu dienen ? auf die Nachricht von Frauen hin ? d e n Mittlerinnen des og.Kults ?
Skepsis und Vorsicht eines Petrus sind in jeder Beziehung rational.
Und der Christus verurteilt die Zweifler – bis heute – nicht.
Der zuerst „den Frauen“ vermittelte Glauben an die Auferstehung ist SEIN froh machendes Geschenk:
„mein Herr und mein Gott“.