Und das Wort ist Fleisch geworden – 2. Sonntag nach Weihnachten

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 1
1 Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.
2 Im Anfang war es bei Gott.
3 Alles ist durch das Wort geworden / und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
4 In ihm war das Leben / und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht leuchtet in der Finsternis / und die Finsternis hat es nicht erfasst.
9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, / kam in die Welt.
10 Er war in der Welt / und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
11 Er kam in sein Eigentum, / aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12 Allen aber, die ihn aufnahmen, / gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, / allen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus dem Blut, / nicht aus dem Willen des Fleisches, / nicht aus dem Willen des Mannes, / sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort ist Fleisch geworden / und hat unter uns gewohnt / und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, / die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, / voll Gnade und Wahrheit.

Autorin:
Dr. Ulrike Altlherr Dr. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Guter Hirte – Kolumban in Wendlingen mit Oberboihingen und Köngen mit Unterensingen, verheiratet, eine Tochter

 
Die Predigt:
Und das Wort ist Fleisch geworden

Liebe Leserin, lieber Leser,
Und das Wort ist Fleisch geworden ist ein zentraler Satz aus dem Anfang des Johannesevangeliums, der Stoff für viele Auslegungen bietet. Ich nehme heute nur den einen Satz heraus.

„Fleisch“ ist heutzutage in aller Munde: bei denen, die Fleisch von Tieren essen, ganz buchstäblich, bei denen die keines – mehr – essen, wenn sie darüber reden und andere überzeugen wollen, auch keines zu essen.

Wenn in der Bibel von Fleisch die Rede ist, meint das den Menschen, insofern er Körper, Leib ist: ein Leib, der lebt, der atmet, der Essen und Trinken braucht, der ausscheidet, der gewaschen werden und gepflegt werden muss. Damit ist auch die ganze Vergänglichkeit mitgedacht. Wenn nun gesagt wird: Das Wort, der Logos, ist Fleisch geworden, dann ist Gott Fleisch geworden, ist Leib geworden und damit wie wir. Er hat einen Körper oder besser er ist Körper geworden mit allen Vor- und Nachteilen.

Wie ist nun das Wort zu verstehen, das Fleisch geworden ist. Für das Johannesevangeliums ist dieses Wort Christus. Bei ihm heißt es von diesem Wort – auf Griechisch heißt es der Logos – dass er im Anfang, das heißt, vor aller Zeit, bei Gott war. Der Logos ist kein Geschöpf Gottes, sondern sein einziges Abbild, sein Mittler und sein Werkzeug. Durch ihn und mit ihm hat Gott die Welt gemacht. So gesehen ist sie logisch – von Gottes Weisheit durchwaltet. Der Logos will die Menschen zur rechten Erkenntnis Gottes, ja des Lebens überhaupt führen. Und dieses Wort, dieser Logos, in dem wir mit manchen AuslegerInnen die Weisheit, Sophia sehen, der oder die Gott ist, ist Fleisch geworden.

Das bedeutet Gott lässt sich dazu herab, wirklich wie wir Menschen zu werden, nicht nur das Menschsein vorübergehend anzuziehen wie eine Verkleidung, sondern wirklich, echt „Fleisch“ zu werden mit allem, was das bedeuten kann.

„Fleisch“, Körper kann niedlich und schön sein, wie bei einem kleinen Kind. Körper junger Männer oder Frauen strahlen Gesundheit, Schönheit, Erotik … aus. Solches „Fleisch“ ist angesehen. Und die meisten tun auch viel dafür, ihren Körper möglichst attraktiv erscheinen zu lassen. Aber es gibt auch kranke Körper, alte Körper, die nicht mehr schön sind, die nicht immer gut riechen… Wenn Gott Fleisch geworden ist, ist damit alles „Fleisch“, jeder Körper gemeint, die schönen, die gern gesehen und angefasst werden, genauso wie die geschundenen oder verwelkenden Körper, vor denen sich manche ekeln.

Weil Gott Fleisch geworden ist, trägt alles Fleisch den Logos, Gott, in sich.
Dann ist Gott ganz real im frierenden Flüchtling, der nur mit Badelatschen an den Füßen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt aus dem Bus vor der Wendlinger Turnhalle aussteigt.
Dann ist Gott im geschundenen Körper eines Kriegsopfers.
Dann ist Gott im Körper der Frau, die auf irgendeinem Straßenstrich ihren Körper für ein paar Euro oder Dollar feilbietet.
Dann ist Gott im Körper eines Krebskranken, der vor Schmerzen nicht mehr ein noch aus weiß.
Dann ist Gott im schwachen Körper der alten Frau, die ihren Stuhl nicht mehr halten kann.
Dann ist Gott im Körper des Mannes, der sich unsportlich fühlt und bei jeder Treppe ächzt und stöhnt.
Dann ist Gott im Körper der Frau, die einige Kilo zu viel auf den Rippen hat, und sich unansehnlich fühlt.
Dann ist Gott im Körper des Jugendlichen, der seine vielen Pickel ätzend findet…..
Dann ist Gott im Körper des magersüchtigen Mädchens oder Jungen…..
Dann ist Gott in meinem Körper und in Ihrem.
Dann leuchtet aus jedem Fleisch Gott.

Das hat dann Folgen dafür, wie wir mit unserem Körper und dem anderer Menschen umgehen.
Dann ist Ehrfurcht und nicht Ausbeutung des eigenen oder eines anderen Körpers angesagt.
Dann können wir uns und andere liebevoll mit Gottes Augen ansehen.

Denn Jesus hat in seinem Leben leibhaftig gezeigt wie Gott ist. Er hat sozusagen sein „Fleisch“ zu Markte getragen aus Liebe zu uns Menschen. Wenn etwas von dieser Liebe spürbar wird, dann können wir sagen: Wir haben seine Herrlichkeit gesehen. Dann haben wir sie nicht nur gesehen, sondern sehen sie heute in jedem Menschen, dem wir begegnen, egal ob sein oder ihr Leib unseren Schönheitsvorstellungen entspricht oder nicht,
Amen!
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Die exegetischen Hintergründe verdanke ich meinem Mann Dr. Michael Hartmann, nachzulesen in: Gottes Volk, LJC 2/2016: Neujahr bis 6. Sonntag im Jahreskreis. Sonn- und Festtage, Bibel und Liturgie im Leben der Gemeinde, hg. von Michael Hartmann, Franz-Josef Ortkemper und Felix Thome, Stuttgart 2015, 17f.

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4 Antworten auf Und das Wort ist Fleisch geworden – 2. Sonntag nach Weihnachten

  1. Walburga Rüttenauer-Rest sagt:

    „Und das Wort ist Fleisch geworden“und wohnt unter uns
    Eine so barmherzige Auslegung dieses schwierigen Satzes tut richtig gut!
    Danke! Walburga

    • Walter sagt:

      „Fleisch“…

      gründet nicht die Theologie der (Erb-) Sünde auf diesem Wort ?
      Und waren es nicht die MystikerInnen vor tausend Jahren,die wegen dieser Theologie beinahe auf dem Scheiterhaufen gelandet sind ?
      Jetzt, tausend Jahre weiter,erfährt die Erbärmlichkeit dieser Theologie einen evolutionären Wandel,weil endlich einer gekommen ist, der „nicht Wein säuft und Wasser predigt…!“.

      • U. Jäger sagt:

        Uli sagt:

        Werner hat diesen so wunderschönen Text der HL. Schrift – einen d.e.r KERN-Texte des NT überhaupt – auch n.i.c.h.t nur annähernd verstanden und möchte es ja auch gar nicht.
        Das zeigt seine Niveaulose Antwort !!

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