Die Handschrift Gottes in unserem Leben erkennen – Neujahr 2016 / Hochfest der Gottesmutter Maria

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 2
16 Die Hirten eilten nach Betlehem und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.
17 Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
18 Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.
19 Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.
20 Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.
21 Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.

Autorin:
IMG_9831[1]Marita Rings – Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken, Bistum Trier

 
Die Predigt:
Die Handschrift Gottes in unserem Leben erkennen

Liebe Leserin, lieber Leser,
wie schon seit Jahren habe ich auch im Advent 2015 eine alte Dame besucht, die seit einigen Jahren Witwe ist, und der ich bei der Bewältigung ihrer Trauer etwas zur Seite stehe. Die alte Dame ist fast 88 Jahre alt und schwer herzkrank und so wundert es nicht, dass in unserem Gespräch schnell die Rede auf Sterben und Tod kommt. Und diesmal will sie es genau wissen: Ob ich an die Auferstehung glaube? Wahrheitsgemäß antworte ich, dass ich das tue und auch nicht nur von Berufs wegen, sondern aus tiefster Überzeugung. Und ob ich dann auch daran glaube, dass die Toten, wenn sie denn in nach dem Tod weiterleben, mit uns noch reden könnten? Nun ja, habe ich geantwortet, reden würde ich das nicht nennen, eher, dass sie uns Botschaften zukommen lassen, wenn wir sie denn erkennen können. Die alte Dame lehnt sich zurück! „Dann ist es ja gut“, sagt sie. Ich sehe das auch so, aber ich habe mich nie getraut, mit jemandem über diese Dinge zu reden.

Dann erzählt sie noch einmal aus ihrem Leben: Sie war die Jüngste von drei Geschwistern und war gerade mal zwanzig, als ihre Mutter noch jung starb. Da ihre Geschwister schon verheiratet waren, sah sie es als ihre Aufgabe an, den Vater zu versorgen. Und so wurden Vater und Tochter zu einem unzertrennlichen Team. Sie selbst verzichtete auf einen Partner, eine eigene Familie, um ganz für den Vater da zu sein. Nur ihre Tätigkeit bei einer Bank war das einzige, was sie für sich hatte. Als der Vater dann ziemlich plötzlich starb, war sie fast fünfzig und sie blieb alleingelassen und mit dem Leben überfordert zurück. Ein paar Wochen später, es war zu einem Streit mit den Geschwistern gekommen, der sich zu einer tiefen Krise auszuwachsen drohte, da fingen die Träume an. Immer wieder träumte sie von ihrem Vater, der ihr in Gesprächen, so wie sie beide sie über viele Jahre geführt hatten, Ratschläge gab. Die alte Dame nahm diese Botschaften ernst und handelte danach und fand so Schritt für Schritt ins Leben zurück. Und in diesem neuen Leben fand sie dann einen Lebens-Partner, Freundinnen, Hobbys und sogar ein ganz neues Zuhause. Dieses Erlebnis hat mich besonders berührt, weil es nicht oft vorkommt, dass Menschen so offen darüber sprechen, woher sie die Kraft nehmen, ihr Leben nach einer Krise wieder in die Spur zu bringen.

Und auch am Anfang eines neuen Jahres stellen viele sich die Frage: Wie wird es wohl 2016 werden? Wie wird es in der Welt weiter gehen mit all den vielen Problemen: den Naturkatastrophen und den Kriegen, mit Hunger, Ausbeutung und Ungerechtigkeiten überall? Wird der Terror uns wieder so nahe komme wie vor wenigen Wochen in Paris? Und die 60 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind, die alles verloren haben, wo werden sie ein neues Zuhause finden? Und wie geht es in meinem Leben, im Leben meiner Familie weiter? Bleibe ich gesund, behalte ich meine Arbeit, wird mir das Alter nicht zu sehr zur Last? Bleibt meine Partnerschaft stabil? Was ist mit den Kindern, den Enkeln, sind sie den Anforderungen dieser Zeit gewachsen?

Die Liste der Fragen an das neue Jahr kann beliebig ergänzt werden und irgendwann beim Nachdenken kommt dann die Frage, die sich auch die alte Dame stellte: Wie kann ich das alles bestehen? Wer hilft mir, wenn es eng wird?

Die alte Dame hatte ihr Leben so sehr an Gott ausgerichtet, dass sie ihre Träume und die Ratschläge ihres Vaters darin, schon sehr bald als Botschaften Gottes identifizierte. Und sie hatte schon bald für sich klar: Gott steht mir bei. Und sie fühlte sich dabei durchaus in guter Gesellschaft: Denn schließlich hatte Gott zum Heiligen Josef auch in Träumen gesprochen.

Aber leider ist es im Leben nicht immer so einfach, oder besser formuliert: Nicht immer sind die Hilfestellungen, die Gott uns zukommen lässt, so leicht zu durchschauen, wie bei der alten Dame. Im Gegenteil: sie sind viel zu oft verschlüsselt und es braucht eine Weile oder auch die Hilfe anderer Menschen, um sie zu erkennen und zu deuten.

Auch in diesem Punkt sind wir in guter Gesellschaft: Heute am Hochfest der Gottesmutter wird unser Blick auf Maria gelenkt und auch beim Blick in ihr Leben entdecken wir, dass auch sie immer wieder das Geschehen in ihrem Leben selbst erkennen und deuten muss: Denken wir z.B. an die Flucht der kleinen Familie nach Ägypten, oder als der 12-jährige Jesus bei der Wallfahrt in Jerusalem plötzlich verschwindet, oder als ihr Sohn bei einem Besuch in Nazareth von den Dorfbewohnern fast gesteinigt wird, oder als ihr Sohn wie ein Verbrecher gekreuzigt wird. Als diese Erlebnisse, diese Zumutungen muss Maria, genauso wie wir heute, mühsam deuten. Nur ein einziges Mal wird ihr zugesagt: „Fürchte dich nicht!“ Das musste reichen! Keine weiteren Mutmacher-Sätze mehr, aber viele Zumutungen.

Und für Maria gilt, was auch für uns heute gilt: Sie hat nur zwei Möglichkeiten, die Hand und den Schutz Gottes in ihrem Leben zu spüren. Einmal: Sie kann sich erinnern! Maria bewahrte alles, was geschehen war in ihrem Herzen und dachte darüber nach, heißt es im Evangelium. Das ist ihre stille Reserve sozusagen! Aus diesen Erinnerungen kann Maria Kraft schöpfen. Und zum Zweiten: Die Spuren des Gottes-Geistes sehen lernen. Das ist nicht so einfach und es gelingt auch nur dem, der glaubt und wer die Spuren des Gottes-Geistes auch sehen will. So wie die alte Dame in ihren Träumen die Botschaften ihres Vaters hören wollte.

Wir Christen als Glaubensgemeinschaft sind beides: Sowohl eine Religion der Erinnerungen als auch eine Gemeinschaft, die von der Geistkraft durchdrungen ist. Einer Kraft, die uns hilft, die Handschrift Gottes in unserem Leben zu erkennen. Ganz konkret heißt das für den Anfang dieses neuen Jahres: An das „Fürchte dich nicht!“ können wir uns immer wieder erinnern, es gilt immer weiter, auch wenn es nur einmal zugesagt wurde. Und auf das Wirken des Heiligen Geistes können wir uns auch jederzeit und immer wieder verlassen, diesem Geist können wir immer wieder trauen und an unendlich vielen Stellen seine kleine und große Wirkung erfahren und vielleicht sogar sehen lernen.

Maria hat sich auf dieses Wagnis und diese Zusage gleichermaßen eingelassen. Und ich finde es schön, dass sie am Beginn des neuen Jahres da ist und uns Mut macht, ihrem Beispiel zu folgen. Sie sagt uns: Alles wird gut – weil wir uns nicht zu fürchten brauchen!

Ein frohes und gesegnetes neues Jahr.

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